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Titelthema :: Seite 31
Dr. Harald Tegtmeyer-Metzdorf ist Kinder- und Jugendarzt sowie Diplom-
psychologe, Psychotherapeut und Kinderneurologe. Außerdem ist er
Ausschuss-Sprecher für Psychosomatik und Psychotherapie im
Berufsverband Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).
Ich war ein typischer Junge
Das Interview zum Titelthema – fortgesetzt unter ww.lausebande.de
Guten Tag Herr Tegtmey-
er-Metzdorf. Waren Sie
ein typischer Junge?
Ich denke schon, ja.
Wie hat sich das geäußert?
Ich habe gerne mit Autos gespielt.
War lieber mit Jungs, als mit Mäd-
chen zusammen. Ich bin am Ran-
de von Hannover aufgewachsen,
dort konnten wir draußen in der
Natur herumtoben. Wir haben
wild gespielt, sind auf Bäume ge-
klettert und haben zum Teil ziem-
lich waghalsige Sachen gemacht.
In diesen Sachen war ich ein „rich-
tiger“ Junge. Was nicht ins Bild
passte, war meine eher defensive
Art. Jungen wird ja ein gewisses
Aggressionspotenzial nachgesagt.
Woher kommt die Einteilung „ty-
pisch Junge – typisch Mädchen“,
die in den Köpfen existiert?
Was in den Köpfen der Menschen
passiert, reflektiert die Realität.
Wir leben alle in entsprechenden
Rollen. Diese haben einerseits bio-
logische, genetische Wurzeln. Da-
bei handelt es sich um ein spezi-
elles Gen im Y-Chromosom, das
diese Voraussetzungen determi-
niert. Dadurch entwickelt sich
die hormonelle Situation bei Jun-
gen und Mädchen unterschied-
lich. Das sind Determinanten für
eher expansives, sich motorisch
ausdrückendes Verhalten bei den
Jungen und ein introvertierteres
bei den Mädchen.
Der andere Faktor sind die Erwar-
tungen, die in Krabbelgruppen,
Schulen, Familie, Verwandtschaft,
etc. an das Kind herangetragen
werden. Erwachsene nehmen Jun-
gen und Mädchen anders wahr.
Inwiefern nehmen Erwachsene
Kinder unterschiedlich wahr?
Es gibt ein Experiment, bei dem
Erwachsenen Mädchen und Bu-
ben vorgezeigt wurden, die alle
das gleiche Gewicht hatten. Trotz-
dem alle gleich schwer waren,
meinte die Mehrzahl der Erwach-
senen, dass die Jungen schwerer
wären und die Mädchen im Gegen-
teil viel zarter. Diese Erwartungen
und Wahrnehmungen prägen Kin-
der in der Entwicklung ihres Rol-
lenverhaltens. Das fängt bei den
Eltern an und geht in den Betreu-
ungseinrichtungen weiter.
Wie entwickelt sich dieses Rollen-
verhalten unter Kindern?
Zunächst suchen Kinder den Kon-
takt zum eigenen Geschlecht. Das
spielt mit etwa einem Jahr noch
keine Rolle, ist ab dem dritten Le-
bensjahr aber zu beobachten. Die-
ses Verhalten ist mit dem Ende des
Grundschulalters ausgeformt –
Jungen sind gerne mit Jungen zu-
sammen und Mädchen lieber mit
Mädchen. Dort wird dieses Verhal-
ten gepflegt: Man orientiert sich
aneinander, identifiziert sich mit-
einander. Aber es kommt auch zu
Rivalitäten, wobei diese bei Mäd-
chen subtiler ausfallen. Jungen
raufen sich eher, während Mäd-
chen diese Rivalitäten öfter ver-
bal austragen.
Angenommen ein Sohn möchte
keinen Fußball spielen und ein
Mädchen partout kein Kleid tra-
gen – müssen sich Eltern dann
über die Entwicklung ihres Kin-
des Gedanken machen?
Homosexuelle
Orientierungen
zeichnen sich retrospektiv be-
trachtet häufig bereits in der Kind-
heit ab. Dabei kommt es natürlich
darauf an, wie ausgeprägt das je-
weilige Verhalten ist. Es ist nor-
mal, dass phasenweise andere
Rollen ausprobiert werden. Wenn
die Rolle des anderen Geschlechts
sehr rigoros verfolgt wird, kann
das darauf hinweisen, dass sich
eine andere Orientierung heraus-
bildet. Das sollte in unserer heu-
tigen Gesellschaft aber akzeptiert
werden. Je nach Umfeld kann
eine homosexuelle Orientierung
für die Beteiligten aber problema-
tisch sein.
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