lausebande-12-2019
Titelthema :: Seite 57 Ab welchem Alter kann man über- haupt von Schlafstörungen spre- chen? In den ersten Lebensmo- naten ist es ganz normal, dass ein Baby alle paar Stunden wach wird. Das passiert schon allein aufgrund des kleinenMagens, der gar nicht so viel Nahrung aufnehmen kann. Ab etwa dem sechsten Lebensmonat sind Kinder theoretisch in der Lage durchzuschlafen. Das heißt, dass sie sechs Stunden am Stück zusam- menhängend schlafen können. Und je nachdem, wann das Kind schla- fen geht undwann die Eltern, ist die Wahrnehmung dann ganz unter- schiedlich. Für viele junge Eltern besteht die He- rausforderung in den ersten Lebens- monaten des Kindes darin, dass es allein ein- und durchschläft. Wie können Eltern das fördern? Es gibt Kinder, die schlafen von Beginn an ohne Probleme ein. Andere Kinder weinen einfach, weil sie müde sind. Nicht alle Kinder finden das Gefühl des Einschlafens angenehm. Sie wehren sich dagegen. Viele ungüns- tige Hilfestellungen haben die Eltern dann aus lauter Verzweiflung einge- führt, umdie Regulation des Kindes zu unterstützten. Natürlich hilft es erst einmal Geräusche zu machen oder es zu wiegen, denn sie lenken das Kind vom unangenehmen Ge- fühl der Müdigkeit ab. Mit welchen Problemen kommen Eltern typischer- weise zu Ihnen an die Schlafambulanz? In den ersten Le- bensjahren sind die Klassiker Ein- schlaf- und/oder Durchschlafpro- bleme. Im Grundschulalter haben wir mehr mit Kindern zu tun, die nachts unruhig sind oder schnar- chen. Im jugendlichen Alter wie- derum verschiebt sich alles nach hinten. Jugendliche haben einen späteren Schlafbeginn, aber leider keinen späteren Schulbeginn und sind dann tagsüber sehr müde. Was hilft in diesem Fall? Zunächst lassen wir uns von den Eltern und Jugendlichen die Situation zu Hau- se schildern. Wenn wir keine orga- nischen Schlafstörungen vermuten, versuchenwir den JugendlichenRat- schläge zur Schlafhygiene zu geben. Dazu gehört es, abends auf Medien mit blauwelligem Licht zu verzich- ten, also nichtmehr aufs Smartphone zu schauen oder ab demNachmittag keine koffeinhaltigen Getränke wie Cola oder Spezi zu trinken. Und würde ein späterer Unterrichts- beginn helfen, wie es schon oft dis- kutiert wurde? Im Grundschulalter ist das noch nicht relevant. Aber spätestens wenn die Pubertät be- ginnt, also in den höheren Klassen, wäre es tatsächlich empfehlens- wert, mit dem Unterricht später zu beginnen. Man muss sich nur mal eines vor Augen führen: Kinder mit einem langen Schulweg, die viel- leicht schon morgens um 6 Uhr starten müssen, befinden sich aus schlafphysiologischer Sicht noch in ihrer Mitternacht. Was passiert in der Schlafambu- lanz? Vor dem ersten Beratungs- termin füllen die Eltern einen Fra- gebogen aus, um organische oder psychische Ursachen erkennen zu können. Zudem bitten wir die Fa- milien für zwei bis drei Wochen ein 24-Stunden-Schlafprotokoll zu füh- ren. Anhand der detaillierten Auf- zeichnung erkennen wir bereits, wo das Problem liegen könnte. Beim Verdacht organischer Proble- me übernachten die Kinder bei uns im Schlaflabor. Wenn das Problem eher in der Schlafregulation liegt, bieten wir eine Beratung zur Schlaf- hygiene an. Zuvor befragen wir die Eltern und die Kinder. Denn inter- essanterweise erleben wir es relativ häufig, dass die Kinder ihren Schlaf anders erleben als die Eltern. Inwiefern? Gerade Grundschul- kinder schlafen allein und die El- tern bekommen gar nicht mit, wie ihr Kind ein- oder durchschläft. Sie sind dann überrascht, wenn das Kind uns erzählt, es werde nachts wach und gehe auf Toilette oder träume oft schlecht. Wir sprachen mit Kinderärztin und Schlafmedizinerin Barbara Schneider über die Rolle der Eltern beim Einschlafen und Durchschlafen der Kinder. Sie leitet die Schlafambulanz der Kinderklinik Landshut. Im Interview ver- rät sie, welche kreativen Einschlafhilfen Eltern verwenden, damit das Baby schläft und wie man genau diese Hilfen wieder abgewöhnt. Meist haben die Eltern Schlafstörungen und nicht die Kinder
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