58 › Titelthema Streitkultur in Deutschland In Deutschland lebt etwa jeder zweite Mensch in einer Familie, also in einem Haushalt mit Kindern unter 18 Jahren. Damit sind Familien ein idealer Schutzraum, um im Kleinen das zu lernen, was wir später im Großen immer wieder machen werden: streiten. Auch während der Ausbildung, beim Studium, im Beruf, im Sportverein, beim Elternabend, im Gemeinderat wird es zu Konflikten kommen. Im Idealfall lernen unsere Kinder von Beginn an, wie sich solche Konflikte gut lösen und Kompromisse aushandeln lassen. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Streitkultur. Mit Migration, Klimakrise, Russland-UkraineKrieg, Gazakonflikt gibt es scheinbar immer mehr Reizthemen, bei denen sich zwei Positionen unversöhnlich gegenüberstehen. Die Sozialen Medien als moderne Stammtische mit großem Resonanzraum tragen ebenfalls nicht zu einer gesunden Streitkultur bei – ganz im Gegenteil – der Ton wird rauer, die Wortwahl problematisch, Angriffe werden schnell persönlich. Zum Schluss geht es gar nicht mehr um die Sache. Echte Begegnung, echter Austausch findet nur noch selten statt. Vielmehr wird protestiert und im Internet gewettert. Empörung statt Erklärung. Kompromisslosigkeit statt Konsenssuche. Selbst im Deutschen Bundestag ist der Ton rauer geworden, die Zahl der Ordnungsrufe hat sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. In der letzten Legislaturperiode (2021-2025) waren es 135, in der vorhergehenden 49. In den Wahlperioden davor jeweils nur ein oder zwei. Spitzenreiter ist die AfD. Ihre Abgeordneten werden am häufigsten wegen zweifelhafter Äußerungen abgemahnt. Das ist nicht zuletzt eine Gefahr für unsere Demokratie. Demokratie braucht Austausch, sie braucht Streit, den Streit um die besseren Argumente. Der im Februar 2025 erstmals veröffentlichte Bielefelder Konfliktmonitor bestätigt diese Wahrnehmung: Demnach ist die Mehrheit der Befragten der Meinung, dass Konflikte zu einer Demokratie gehören. Fast Dreiviertel sagen aber: Derzeit gelinge es nicht, die vielen bestehenden Konflikte gut zu lösen. Die Gründe für die vielen Konflikte sehen die Befragten unter anderem in der schlechten Zusammenarbeit der damaligen Ampelkoalition, in der mangelnden Kompetenz von Parteien und Politikern sowie in zu viel Bürokratie. Die ehemalige TV-Talkshow-Moderatorin und Mediatorin Birte Karalus hat ein Buch mit einem Plädoyer für mehr öffentlichen Streit geBundestagspräsidentin Julia Klöckner hat mit Stand Anfang November bereits 23 Ordnungsrufe erteilt – 20 für die AfD, drei für die Linke. © Deutscher Bundestag/ Tilo Strauss / photothek Damit Weihnachten dieses Jahr tatsächlich ein Fest der Liebe wird, haben wir auf diesen Seiten ein paar Tipps zusammengetragen. Foto: Wackerhausen, istock
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