lausebande-12-2025

62 › Titelthema Stück nähergekommen sind. Was manchmal ein starker Anfang für etwas Neues sein kann. Ich bin überzeugt, dass diese Haltung gerade in Familien ein starkes, gefestigtes Miteinander erzeugt Sie arbeiten häufig mit Erwachsenen in komplexen Konflikten – wie lässt sich Ihre Expertise – etwa aus Verhandlungsführung und Moderation – auf das familiäre Miteinander übersetzen? Gibt es Methoden, Tools oder Denkweisen, die Eltern unkompliziert adaptieren können? Das wichtigste Tool, um in einem Konflikt konstruktiv und beziehungsfreundlich voranzukommen, ist Zuhören. Dem anderen seine Zeit zu geben und mit der Aufmerksamkeit ganz bei ihm zu sein. Was sagt der andere und was nicht? Für gutes Zuhören brauche ich echtes Interesse am Anderen – warum er so reagiert und wie er es tut? Gleichzeitig sollte ich mich mit dem eigenen Urteil zurückhalten. Durch Zuhören erfahre ich mehr. Es gibt die Möglichkeit, Klarheit zu erlangen, Missverständnisse zu vermeiden oder aufzuklären. Zuhören stärkt die Beziehungsebene und das zwischenmenschliche Klima. Es ist eine wahre Wunderwaffe und die Königsdisziplin der Freundlichkeit. Hier können sich sogar die festgefahrensten Konflikte auflösen und im übrigen auch rechtzeitig neue Konflikte vermieden werden. Mein Rat: Nehmen Sie sich fürs Zuhören Zeit – wer hier abkürzt, weil er glaubt, schon zu wissen, was der Knackpunkt ist, landet oft im Abseits. Sie haben in verschiedenen Interviews betont, dass Streit oft ein Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse ist. Übertragen wir das mal auf Familien. Wie können Eltern lernen, die eigentlichen Bedürfnisse hinter dem Streit ihrer Kinder zu erkennen – und wie sprechen sie darüber, ohne zu werten? Hier komme ich noch einmal auf die vorherigen Punkte zurück. Kinder fühlen, mit welcher Intention man mit ihnen spricht. Die richtige Haltung ist wichtig, Empathie und das ehrliche Interesse, verstehen zu wollen, wie es zu diesem Konflikt gekommen ist und erstmal nicht zu urteilen. Was ich höre und sehe, lässt in die Seele blicken und damit habe ich Verantwortung, wie ich mit dem Gehörten umgeht. Ich habe für mich das Bild kreiert, dass ich bei Konfliktgesprächen mit meinem Gegenüber eine Brücke teile, auf der wir während der Verhandlung stehen. Ich kann sie wieder verlassen, ich kann sie abbrechen, sie kann aber auch für „immer“ eine Verbindung sein, die wir gemeinsam aufgebaut haben. Betrachten Sie diesen Vorgang ruhig so sensibel und wertschätzend. Was liegt nun hinter dem Offensichtlichen, welche Bedürfnisse wurden – vielleicht unbewusst – getriggert? Sich selbst zurücknehmen, mitfühlen, sich einfühlen, nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat, Zeit lassen. Was sind die Empfindungen bei dem, der spricht, aber auch bei dem, der zuhört? Das hat viel mit Selbsterkenntnis (auf beiden Seiten) zu tun, die gar nicht selten, erst in einem solchen Gespräch offensichtlich wird. Das alles mag sich anstrengend anhören, ist es vielleicht auch, aber es lohnt sich. Gerade an den Weihnachtsfeiertagen treffen unterschiedliche Generationen, Erwartungen, Hoffnungen, vielleicht auch alte Verhärtungen aufeinander. Welche typischen Konflikt-Situationen beobachten Sie, wenn Familien sich zu Weihnachten versammeln – und was sind Ihre ersten „Notfall-Tipps“, wenn es unterm Tannenbaum zum Streit kommt? Alle Jahre wieder kommt es zu gleichen Abläufen von Familien-Weihnachtsfeiern, mit allen schönen Momenten, aber eben auch dem obligatorischen Weihnachtsstreit, was auch immer ihn hervorruft. Meist liegt die Ursache dafür schon Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte zurück und es gibt die unterschiedlichsten Erinnerungen und Interpretationen über den Auslöser. Durchbrechen Sie diese „Weihnachtstradition“. Wenn Sie es außerhalb der Feiertage nicht geschafft haben, den Konflikt zu lösen, warum wollen Sie es wieder an Weihnachten versuchen? Stellen Sie Regeln auf, wie Sie Weihnachten feiern wollen und vor allem, was Sie nicht an den Feiertagen erleben wollen. Teilen Sie das Ihren Gästen im Vorfeld mit. Vielleicht gelingt es Ihnen ja auch, gemeinsam im Vorfeld über das Fest nachzudenken und gemeinsam zu planen. Das würde enttäuschte Erwartungen und Hoffnungen schon einmal eliminieren. Seien Sie kreativ und haben Sie Spaß an diesem schönen Fest. Werfen Sie all die Traditionen über Bord, die immer wieder zur Reibung führen und ersetzen Sie diese durch solche, die Freude bringen. Erklären Sie, warum Ihnen das wichtig ist und was der Streit in jedem Jahr mit Ihnen macht. Wenn sich im Vorfeld bereits zeigt, dass Sie mit ihrem Anliegen ein fröhliches und friedvolles Weihnachtsfest zu feiern, auf Widerstand treffen, überdenken Sie Ihre Gästeliste. Vor allem machen Sie

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