Luxusartikel Kind – Teil 2

Datum: Donnerstag, 29. September 2016 13:28

Nun halten sich derzeit nicht alle Kitaträger an die neue Gebührenordnung, sollten betroffene Eltern jetzt die Kita wechseln?

Die Jugendhilfe als Träger unserer Kita hat zum Beispiel einen begründeten Gegenvorschlag gemacht und folgt der Vorlage der Stadt derzeit nicht. Es gibt hinter den Kulissen aber klare Signale, dass es von der Stadt „gern gesehen wird“, dass die Träger Einvernehmen mit der Vorgabe herstellen. Wenn man nun betrachtet, dass die meisten Träger außer den Kitas in vielen weiteren Projekten von kommunalen Zuwendungen abhängig sind, erschließt sich, dass viele Träger diesen Kampf gar nicht führen. Er bringt Stress und gefährdet dringend benötigte finanzielle Unterstützung der Stadt. Da ist es auch für den Träger einfacher, die Eltern zu belasten und den Schwarzen Peter hinter vorgehaltener Hand der Stadt zuzuschieben.

In vielen anderen Kommunen werden die Beiträge auch erhöht, haben wir in Cottbus eine besondere Situation?

Das kann ich nicht einschätzen. Wir wissen heute aber, dass das gesamte Land Brandenburg in Sachen Demografie keine besseren Zeiten mehr vor sich hat. Es wurde 25 Jahre verschlafen, hier sinnvolle Strukturen neben der Kohle aufzubauen. Man muss sich heute überlegen, welche Einkommensschichten und Menschen man künftig vor Ort haben möchte. Insoweit ist die Entscheidung zur Erhöhung von Kitagebühren die denkbar schlechteste Entscheidung für die Zukunft einer Stadt oder Region.

Sehen Sie für die Kommune beim derzeit klammen Haushalt Alternativen?

Dazu habe ich zu wenig Einblick in den Haushalt. Aber begrenzte Budgets treffen wir überall an. Je begrenzter ein Budget, umso mehr muss ich über die Investitionen nachdenken. Es wird z.B. viel Geld ausgegeben, um Rückkehrer zurückzuholen oder Uniabsolventen vor Ort zu halten. Diesen muss man jetzt sagen: Das sind demnächst auch eure Kitagebühren. Wir haben in Cottbus seit Jahren auch einen Immobilienboom, bei dem alle Immobilienentwickler wirklich gutes Geld verdienen. Hier könnte man darüber nachdenken, zu welchen Preisen und Auflagen städtischer Immobilienbesitz in private Hände gelangt und wie Entwicklungsgewinne bei der Stadt verbleiben. Fraglich ist außerdem der Nettoeffekt der Kitagebührenerhöhung: Eltern haben jetzt weniger Geld für Freizeitaktivitäten, Händler oder Vereine vor Ort. Kurzfristig Löcher zu stopfen und langfristig eine Negativspirale zu verstärken, kann ja nicht ohne Alternative sein.

Welche Rolle spielt das Land in der Sache?

Die Stadt schimpft auch aufs Land und benennt fehlende Landeszuschüsse zur Kitafinanzierung als einen Hauptgrund für die Gebührenerhöhung. Hier müsste Cottbus einfach mehr Rückgrat haben und gegen das Land Flagge zeigen. Am 4. Oktober gibt es ein Folgetreffen mit der Brandenburger Familienministerin zur Auszeichnung der Stadt Cottbus als kinderfreundliche Kommune. Ich fände es mannhaft, wenn Herr Kelch der Landesministerin den Preis als „Familien- und kinderfreundliche Gemeinde“ zurückgibt, weil familienfreundliche Politik auf Stadtebene nicht zu betreiben ist, weil das Land zu wenig Geld für die Kitas zahlt. Das wäre ein Zeichen, statt sich Pokale hin und herzuschieben und den Eltern zu erzählen, man könne nichts machen.

Empfängt man Ihre Anregungen in der Stadt mit offenen Armen?

Ich bin ja froh, dass wir angehört werden. Viele sind dort auch auf Zack und wissen, wo-
rüber wir sprechen. Allerdings müssen wir uns immer wieder anhören, dass wir uns als Eltern früher hätten einbringen sollen. Das ist Quatsch, denn wir sind nicht für eine vernünftige Politik aus dem Stadtparlament zuständig. Wenn in monatelangen Sitzungen die Fragen nicht gestellt wurden, die wir jetzt aufbringen, dann hat man nicht gründlich gearbeitet. Dann sollte man ehrlich dazu stehen. Das ist ein generelles Problem in der Politik. Ich finde es schwach, dass man nun, nachdem die Fehler offensichtlich werden, so wenig machen möchte.

Wer müsste jetzt handeln?

Das kann sicher über die Parteischiene gehen. Die Stadtverwaltung hat die Sache schlecht vorbereitet, im Stadtparlament wurde das aber abgesegnet. Insofern kann dort auch wieder anders entschieden werden. Die großen Parteien sind ja derzeit nicht gerade berühmt dafür, dass sie den Wähler verstehen. Wenn nun aber immer mehr Familien betroffen sind, kostet das auch Wähler. Es wäre wünschenswert, dass die Eltern den Druck aufrecht erhalten und sich die demokratischen Parteien in Cottbus endlich zusammenraufen.

Liegt der Schwarze Peter eher bei der Stadtverwaltung oder den Stadtverordneten?

Beide haben ihn momentan anderen zugeschoben: Die Eltern in Cottbus müssen zahlen, die Kitaträger hätten besser informieren müssen und das Land gibt zu wenig Geld. Es sind also alle anderen Schuld. Wenn es gut läuft, schauen wir in den Spiegel und wenn es schlecht läuft, wird eben nach draußen gezeigt. Die Stadtverwaltung klagt über mangelnde Ressourcen für eine gute Vorbereitung und die Stadtverordneten müssen sich den Schuh anziehen, dass sie sich über die Vorbereitung der Verwaltung hinaus viel zu wenig Gedanken über die tatsächliche Betroffenheit der Familien gemacht haben.

Dienen die Mehreinnahmen wenigstens einer besseren Qualität in den Kitas?

Ich bin selbst im Förderverein unserer Kita. Die Politiker sollten sich einmal ohne Kamera in die Kitas begeben und ernsthafte Gespräche über den Arbeitsalltag suchen. Dann hätte es diese Entscheidung nie gegeben. Dann hätten die Stadtverordneten ein klares Bild von der Situation und sicher anders abgestimmt. Mit einem „Mehr“ an Qualität in den Kitas haben die höheren Elternbeiträge nichts zu tun. Von Windeln bis Feuchttücher, von Frühstück bis Vesper, von Frühjahrsputz bis Adventsmarkt tragen Eltern weiter viele Dinge bei, zusätzlich zum Beitrag.

Vor drei Jahren sind 2.000 Eltern gegen die damalige Gebührenerhöhung durch die Cottbuser Sprem marschiert, warum bleibt diesmal ein solcher Aufschrei aus?

Zum einen gibt es Eltern, die das noch gar nicht spüren, weil viele Träger die Änderung noch nicht umgesetzt haben oder gerade dabei sind. Viele sind sich über ihre Betroffenheit noch nicht bewusst. Dann wurde der Zeitpunkt der Einführung mitten im Sommer durch die Stadt sicher auch geschickt gewählt. Leider sind es aber immer zu wenige Eltern, die sich engagieren. Viele denken sicher, dass es nur die Gutverdiener trifft und werden demnächst überrascht.

Was sind Ihre nächsten Schritte?

Wir haben frühzeitig auf Fehler hingewiesen und wollten gemeinsam mit der Stadtpolitik eine Lösung finden. Das funktioniert nicht, sodass uns jetzt nur der Klageweg bleibt. Das ist leider eine sehr langfristige Geschichte, sodass unsere Kinder sicher aus der Kita raus sind, wenn darüber eine Entscheidung erzwungen wurde. Wir werden aber auch mit den Parteien im Gespräch bleiben und immer wieder für die Thematik frühkindlicher Bildung sensibilisieren. Vielleicht ringt man sich auch auf Landesebene zu einem vernünftigen Kitagesetz durch. Schaut man nach Sachsen, gibt es dort kaum Querelen. Wir werden an den Themen dranbleiben. Aber einen handfesten Plan mit genauen Zielen kann man in diesem Dilemma der Zuständigkeiten kaum haben.

Was wäre Ihr Wunsch an Stadtverwaltung und -parlament?

Man sollte die aktuelle Verordnung kurzfristig vom Tisch nehmen und mit allen Beteiligten noch einmal vernünftig diskutieren. Zum anderen sollte man sich mittel- bis langfrsitig in den Gremien stärker mit aktuellen Erkenntnissen zu frühkindlicher Bildung und deren Folgen auseinander setzen. Dazu muss man auch über Wahlperioden hinausdenken und eine nachhaltige Politik machen. Dann würde man anders über frühkindliche Bildung entscheiden, hier muss auch die Kommunalpolitik mehr Verantwortung übernehmen.