Seite 27 - lausebande-02-2012

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Titelthema :: Seite 27
linkshaender-beratung.de
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Erzieherinnen kaum mit diesem
wichtigen Thema konfrontiert. Oft
wird Erzieherinnen z.B. noch heu-
te vom Fachhandel erzählt, dass
es Beidhänderscheren gäbe. Die
gibt es aber nicht! Dadurch geben
Erzieherinnen Linkshändern eine
Rechtshänderschere, die automa-
tisieren ihr Schneiden falsch und
kommen dann nicht mehr mit der
eigentlich erforderlichen Links-
händerschere klar. Am Ende heißt
es dann, dass sie gar keine spezi-
ellen Gegenstände für ihre Links-
händigkeit benötigen. Es wird also
erst falsch gelehrt und damit dann
begründet, dass man die richti-
gen Gebrauchsgegenstände erst
gar nicht benötigt. Das finde ich
schlimm.
Gibt es ganz typische Probleme bei
Eltern im Umgang mit der Händig-
keit?
Es gibt viele Eltern, die sehr vor-
sichtig und bewusst mit diesem
Thema umgehen. Es kann auch
dazu kommen, dass sie dadurch
zu vorsichtig agieren, was für ein
Kind auch von Nachteil sein kann.
Es soll seine Händigkeit ja nicht
als etwas Besonderes, sondern
als etwas Selbstverständliches er-
fahren. Es gibt aber auch noch Er-
wachsene, die Kinder beim Grü-
ßen zum Geben der „richtigen“
oder der „schönen“ Hand auffor-
dern. Das ist leider immer noch
ein Thema und gibt dem Kind Irri-
tation. Ein ganz aktuelles Problem
begegnet mir in letzter Zeit immer
häufiger. Es scheint ein Trend zu
sein, dass in vielen Einrichtungen,
aber auch im privaten oder thera-
peutischen Bereich Kletterwände
zum Einsatz kommen. Hier muss
man beim Anbringen der Griff-
und Trittstücke unbedingt auf den
Weg achten, den sich Kinder bah-
nen sollen. Wenn gerade der An-
fang nur für Kinder mit Dominanz
in rechter Hand und rechtem Fuß
ausgelegt ist, können durchaus
auch sportliche Linkshänder Pro-
bleme bekommen. So gibt es im-
mer wieder Dinge, die Kinder irri-
tieren können.
Gibt es eigentlich auch typische
Probleme im Umgang mit Rechts-
händern?
Ich habe jetzt auch eine Schreibti-
schauflage für Rechtshänder ent-
wickelt. Es schadet auch dem klei-
nen Rechtshänder nicht, wenn er
weiß, dass die linke Hand aufs
Papier und nicht unter den Tisch
kommt, dass er das Blatt ein biss-
chen schräg legen kann und eine
Vorstellung der richtigen Stifthal-
tung bekommt. Die Förderung der
richtigen Schreibhaltung beginnt
auch bei Rechtshändern weit vor
der Einschulung. Oft kommen Kin-
der mit unmöglichen Stifthaltun-
gen in die Schule. Hin und wieder
kommt es auch vor, dass eigent-
lich rechtshändig dominierte Kin-
der auf links umgeschult werden
bzw. sich selbst umschulen. Des-
halb muss dieses Thema allge-
mein an Bedeutung gewinnen,
gerade im Kindergarten. Ansons-
ten sind aber die Rechtshänder die
Norm, an der alles orientiert wird.
Verfügen Sie selbst über Domi-
nanz im Gebrauch der linken
Hand?
Ja. Deshalb habe ich mir auch
eine gewisse Zähigkeit beim Um-
gang mit der Händigkeit erhalten.
Ich wurde mit viel Unwissen und
Ablehnung konfrontiert – und
auch auf die rechte Hand umge-
schult. Ich schreibe heute noch
mit rechts, obwohl ich auch mit
links schreiben kann. Ich habe
früher an der Universität sehr viel
schreiben müssen, damals gab es
noch keinen Computer. Noch heu-
te schreibe ich viel mit der Hand,
das geht besser in den Kopf. Da
bahnen sich die Wege anders –
und eine Rückschulung erfordert
wirklich viel Zeit, da sich auch im
Gehirn einiges ändert. Es kann
in einer Rückschulung durchaus
passieren, dass man ein halbes
Jahr beruflich ausfällt und manch-
mal tiefe Einschnitte hinnehmen
muss. Das ist für das Gehirn eine
erschöpfende Sache. Da darf man
nicht tief in einem tagtäglichen
Engagement stecken, wie das in
meinem Leben der Fall ist.
Danke für das Interview
Fotos: Sattler