lausebande-03-2024

76 › Titelthema Kitas im Osten stehen vor einer historisch einmaligen Chance Allerdings ist der Anteil an Akademikern in Kindergärten im internationalen Vergleich eher gering. Brächte eine stärkere Akademisierung des Erzieher-Berufs Vorteile? In der Wissenschaft wurde eine höhere Akademisierungsquote lange befürwortet aufgrund der hohen fachlichen Anforderungen an die pädagogische Arbeit. Denn je höher das Qualifikationsniveau der Beschäftigten ist, desto höher ist die Qualität der Bildungsarbeit. Aber wenn wir jetzt mit einem Ausbau der Studienplätze beginnen, würde es Jahre dauern, bis das Personal in den Kitas zum Einsatz kommen kann. In der aktuellen Situation brauchen wir aber kurzfristig mehr Personal. Daher ist uns derzeit eine gute Mischung lieber, so wie es beispielweise Sachsen macht. Dort muss eine neu eingestellte Kitaleitung einen akademischen Abschluss haben. Hinzu kommt, dass wir in Deutschland mit der staatlich anerkannten Erzieherin bereits einen Abschluss haben, der dem Bachelor-Niveau entspricht. Und wenn wir nach Skandinavien schauen, wo es beim Personal einen höheren Akademiker-Anteil gibt, muss man zugleich darauf hinweisen, dass es dort auch mehr Personal ohne Qualifizierung gibt. Das ist bei uns in Deutschland zum Glück noch nicht so. Das klingt so, als könnte sich das bald ändern… Durch den akuten Fachkräftemangel, vor allem in den westlichen Bundesländern, beginnen erste Bundesländer ihre Gesetze aufzuweichen und die Kitas für unqualifiziertes Personal zu öffnen. Es wird aus der Not heraus Personal genommen, das man mangels Qualifizierung früher nicht eingestellt hätte. Es passiert immer öfter, dass Quereinsteiger nicht mehr zur Erzieherin ausgebildet werden, sondern nur noch eine Kurz-Qualifizierung im pädagogischen Bereich erhalten. Das halte ich für problematisch. Wie kann es denn gelingen, mehr qualifiziertes Personal für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen zu gewinnen? Da stehen wir aktuell vor einem Teufelskreis: Wir brauchen mehr Personal, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Aber unter den aktuellen Arbeitsbedingungen gelingt es uns nicht, mehr Personal zu gewinnen. Die Bezahlung ist in Kitas sind keine Zuliefererbetriebe für Schulen. Mit diesem zugespitzten Satz will Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung auf die wichtige Aufgabe von Kitas und pädagogischen Fachkräften aufmerksam machen. Im Interview verrät die Expertin für frühkindliche Bildung außerdem, woran dieser Bildungsauftrag aktuell scheitert und warum der Osten die Probleme sogar etwas schneller lösen könnte. Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich bei der frühkindlichen Bildung da? Das deutsche Betreuungssystem ist bei allem Verbesserungsbedarf sehr gut aufgestellt. In der pädagogischen Praxis zeigt die Studienlage keine Nachteile für Deutschland. Das größte Risiko, das wir derzeit sehen, ist der Fachkräftemangel. Das aber betrifft im internationalen Vergleich auch viele andere Länder. Positiv hervorzuheben ist, dass es sich um ein weitgehend öffentlich finanziertes System handelt. Viele Bundesländer haben Beitragsfreiheit, in anderen ist diese geplant oder die Elternbeiträge sind sozial gestaffelt. Das ist ein großes Pfund, das man so nicht in vielen Ländern findet. Der Rechtsanspruch ab dem ersten Geburtstag auf einen Betreuungsplatz ist ebenfalls sehr gut, wenngleich es noch an der Umsetzung scheitert. Auch mit Blick auf die Qualifikation des Personals steht Deutschland gut da. Die meisten Beschäftigten sind staatliche anerkannte Erzieherin. Interview Bock-Famulla (c) Thomas Kunsch Bertelsmann Stiftung

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