lausebande-03-2024

Titelthema ‹ 77 Deutschland bereits relativ gut – auch im internationalen Vergleich. Geld allein ist auch nicht der einzige Faktor. Wir wissen aus Befragungen, dass dieser Beruf sehr bewusst gewählt wird, weil die Menschen in der Arbeit mit Kindern eine sinnerfüllende Tätigkeit sehen. Aber gleichzeitig vermissen sie Signale aus der Politik, dass diese ernsthaft an einer Verbesserung der Situation interessiert ist. Sie müsste jetzt die Weichen stellen, damit sich die Situation nicht noch weiter verschlechtert. Dafür braucht es kurzfristige und langfristige Strategien. Welche könnten das sein? Damit sich die Arbeitsbedingungen und die Betreuungsqualität schnell verbessern, haben wir als Stiftung vorgeschlagen, die Öffnungszeiten für alle Kitas zu reduzieren – auf sechs bis sieben Stunden täglich pro Kind. Damit könnten wir allen Familien mit Bedarf einen Platz anbieten und für die Kinder und die Beschäftigten in den Einrichtungen würde sich die Situation deutlich verbessern. Das klingt nach einem Vorschlag, der vermutlich auf viel Gegenwind stößt, oder? Wir müssen aufgrund der dramatischen Situation radikale Lösungen in Betracht ziehen. Das braucht natürlich das Verständnis der Arbeitgeber von Eltern mit kleinen Kindern. Aber die jetzige Situation ist nicht viel besser: Manche Familien bekommen erst gar nicht einen Betreuungsplatz. Immer wieder müssen Einrichtungen kurzfristig die Öffnungszeiten kürzen oder sogar tageweise schließen. Eine generelle Lösung brächte mehr Planungssicherheit für alle Seiten. Es gibt bereits Kommunen und Landkreise, die daher auf eine solche Verkürzung der Kernöffnungszeiten setzen. Damit ist es ihnen gelungen, zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen und die Betreuungsqualität zu halten. Ich möchte ergänzen, dass das nur als Übergangslösung bis 2025 gedacht ist. Danach wird sich die Situation aufgrund der demographischen Entwicklung ohnehin etwas entspannen. Welche langfristigen Lösungen empfehlen Sie? Wir brauchen mehr Personal und dafür braucht es Geld. Das Gute-Kita-Gesetz und dann das KitaQualitätsgesetz wurden von den Ländern sehr unterschiedlich umgesetzt. So hat MecklenburgVorpommern beispielsweise die Beitragsfreiheit damit finanziert, obwohl das Land einen der schlechtesten Personalschlüssel hat. Das ist kontraproduktiv. Nun hat der Bund festgelegt, dass die Mittel stärker für eine Verbesserung der Betreuungsqualität eingesetzt werden müssen. Dieser Ansatz ist richtig. Aber dafür reicht das Geld bei weitem nicht. Es bräuchte statt zwei Milliarden Euro pro Jahr knapp 14 Milliarden Euro, wenn man wirklich einen Ausbau der Betreuungsplätze entsprechend dem Bedarf und Personalschlüssel nach wissenschaftlichen Standards umsetzen will. Ein weiteres Problem ist, dass bisher keine langfristige Finanzierung vom Bund gesichert ist, sondern dass die Mittel jeweils befristet sind. In Ostdeutschland gibt es zwar ausreichend Betreuungsplätze, aber die meisten Kitas sind weit entfernt von einem guten Betreuungsschlüssel. Was empfehlen Sie hier? Tatsächlich ist im Osten der Abstand zum wissenschaftlich empfohlenen Betreuungsschlüssel so groß, dass der Bildungsauftrag nicht mehr erfüllt werden kann. Aber: Aufgrund sinkender Kinderzahlen haben wir hier eine historisch einmalige Chance. Wenn die Kitas das Personal trotzdem halten, wäre es möglich, einen Personalschlüssel nach wissenschaftlichen Standards bis 2030 umzusetzen. Dafür müssten die Landesregierungen sich bereit erklären, die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und die rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. An den Schulen wirkt sich Lehrkräftemangel in Form von Unterrichtsausfall und womöglich Bildungslücken aus. Wie ist das in den Kitas? Wie macht sich der Personalmangel dort bemerkbar? Wir haben genau das in einer Studie direkt bei den betroffenen Fachkräften erfragt. Sie sagen, dass sie oft nur noch die Aufsichtspflicht absichern können. Für Bildungsarbeit, pädagogische Angebote und individuelle Unterstützung fehlt das Personal. Zudem haben sie darauf hingewiesen, dass sie nicht in ausreichendem Maße das kindliche Wohlbefinden wahrnehmen und gewährleisten können. Wenn eine Fachkraft sich um sechs Krippenkinder kümmern muss, kann sie im Zweifelsfall ein weinendes Kind nicht auf den Arm nehmen und trösten. Die Fachkräfte arbeiten an ihrer physischen und psychischen Belastungsgrenze. [...] [... Weiterlesen auf lausebande.de]

RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxMjA2