Seite 46 - lausebande-04-2013

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Kolumne :: Seite 46
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
::
ihnen mitbringen soll, jeder kann drei Favoriten mit
Prioritäten angeben, da ja nicht immer alles vorrätig
ist. So war es auch an diesemWochenende.
Natürlich habe auch ich meine Lieblingssorte. Wie
so oft bestellte beim Bäcker direkt vor mir ein cho-
lesteringepolsterter Rentner mit wunden Ellenbo-
gen vom Fensterbrettgucken ausgerechnet meinen
Prasselkuchen. Acht Stück. Ich wünschte ihm einen
Herzinfarkt, aber er hielt durch, bis alle acht in der
Tüte waren. Glücklicherweise blieb doch noch ein
Exemplar für mich übrig. Leider verhinderte dies
meine übliche Taktik, von meinem Lieblingskuchen
noch ein Reservestück mitzunehmen, falls eines der
Kinder seine Wünsche ändert. Mit fatalen Folgen,
wie sich zeigen sollte. Zuhause am Kaffeetisch lenk-
te mein Prasselkuchen nämlich schnell den Blick
meiner Kleinen auf sich. „Ooh Papa, der sieht aber
lecker aus, darf ich was abhaben“, bat mein Mäd-
chen. Mit der Kuchenmentalität meines Vaters hät-
te ich das Teil schnell in mich hineingestopt. Eine
Generation später bin ich aber Anhänger der Väter-
generation, die als Pferd mit kleinem Mädchen auf
dem Rücken durch die Wohnung galoppiert, auch
mal selbst Prinzessin spielt, mit dem Kleinen Lego-
Gebilde zusammen friemelt und viel Verständnis für
die Kinder hat. Verdammt viel sogar. Sogar soviel,
dass ich mich von einer Hälfte meines Prasselku-
chens trennte. „Ooch Papa, dann will ich aber auch
was!“, mit braunen Kulleraugen meldete sich nun
auch noch Sohnematz zu Wort. Danach machte ein
Viertel-Prasselkuchen einen recht verlorenen Ein-
druck auf meinem Teller. Naja, wenigstens hatte ich
mir das Stück mit dem dicksten Streusel gesichert,
wenigstens dieses kleine Ziel konnte ich mit etwas
Taktik erreichen. Gerade wollte ich das Stück ge-
nießen, als meine bessere Hälfte in die Küche kam,
sich mit einem „ooh, lecker“ den dicken Streusel von
meinem Viertel pulte und genüsslich verschlang.
Moderne und verständnisvolle Väter sitzen heute
eben ganz am Ende der familiären Nahrungskette.
Dafür sind alle anderen umso glücklicher. So reiche
ich am Ende meist dem kleinen Jungen in mir die
Hand, wohl wissend, das heute meine Kinder an
seiner Stelle sitzen und den Kampf um den Kuchen
bereits im Voraus gewonnen haben.
Euer lausitzDADDY
Meine große Schwäche galt schon immer
Kuchen. Ich kann mich noch erinnern, wie
hart ich früher mit meinem Bruder und
meinem Vater förmlich um den Kuchen kämpften
musste, den es bei uns damals eigentlich sehr oft
und auch nicht zu knapp gab. Aber jeder wollte
immer das größte Stück oder kein Randstück oder
das mit dem dicksten Streusel drauf. Mit ausgeklü-
gelten Taktiken wurde so der Genuss des aktuell auf
dem Teller befindlichen Kuchenstücks beschleunigt
oder hinausgezögert, je nachdem, wann das begehr-
te nächste Stück auf dem Kuchenteller freigelegt
wurde. Denn diese Regel galt für uns Kinder: Man
durfte sich kein Stück von unten weg nehmen, nur
immer von oben. Damals habe ich auch gelernt, dass
Eltern die Regeln machen. Denn nicht selten brach
mein kuchenvernarrter Vater diese Grundregel und
legte doch das Stück aus einer unteren Etage frei,
dass auch wir Kinder wollten. Unser Protest war sei-
nerzeit vergebens, in den 1970er und 1980er Jahren
gab es noch nicht allzuviele Väter, die sich intensiv
darum bemühten, die Welt aus der Sicht der Kleinen
nachzuvollziehen. Und mein Vater konnte in Bezug
auf Kuchen ohnehin nichts nachvollziehen, was zwi-
schen ihm und seinemWunschstück stand.
Damals habe ich mir geschworen, wenn ich einmal
groß bin, dann mache ich die Kuchenregeln. Jetzt
bin ich groß, und an meiner Schwäche für Kuchen
hat sich über die Jahre nichts geändert. Während der
Arbeitswoche verzichte ich darauf, um nicht als Mi-
chelin-Männchen zu enden. Am Wochenende laufe
ich dann aber an jedem Nachmittag wie von Außer-
irdischen gesteuert zum Bäcker um die Ecke. Zuvor
werden die Kleinen ordentlich interviewt, was ich
Noch nicht genug gelacht?
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