Seite 42 - lausebande-06-2011

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Kolumne :: Seite 42
Ich glaube, diese unnatürliche Gefahrabwehr
besorgter Väter im Hochfrequenzbereich ist die ei-
gentliche Ursache für das frühere Ableben der Män-
ner im Geschlechterwettstreit. Das kann ja auf die
Dauer auch nicht gesund sein. Kürzlich habe ich
mit meiner Kleinen Fahrrad fahren geübt. Während
sie fröhlich den Lenker schlenkerte, war ich paral-
lel neben ihr, schob sie von hinten an, wehrte von
der Seite kampfustige Brennnesseln ab, observier-
te vorn und hinten die Straße, ebenso oben (könnte
auf unserem Gartenweg ein Hubschrauber abstür-
zen?), strich ihr die Haare aus dem Gesicht, rückte
den viel zu großen Fahrradhelm wieder gerade.
Das ganze Programm circa zehn Mal je Sekunde.
Im Vergleich zu mir als rotierendem Fahrradtrainer
wirkt Mister Octopus aus Batman wie ein mensch-
gewordenes Gähnen mit der Dynamik eines Dreifn-
gerfaultieres (nicht nur das faulste, auch das lang-
samste Säugetier der Welt).
Manchmal frage ich mich, wie das Väter von
Zwillingen oder gar Drillingen machen. Das schafft
doch nicht einmal das Duracell-Häschen. Insge-
heim glaube ich ja, dass es sich dabei um Angehöri-
ge einer außerirdischen Spezies handeln muss, die
das dann mit Gedanken steuern. Oder so ähnlich.
Oder das sind Kryptonier wie Superman. Mir wird
jedenfalls schon bei dem Gedanken schwindlig,
parallel zwei Kindern mit im Gleichtakt schlenkern-
dem Lenker das Fahrrad fahren beizubringen.
Wahrscheinlich thronen Väter auch deshalb
lange vor sich hinmeditierend auf der Toilette oder
tauchen für Stunden mit entleertem Gesichtsaus-
druck in den Fernseher ein. Das brauchen wir, um
den Akku aufzuladen und uns auf den nächsten
Ausfug mit unseren Kleinen vorzubereiten – und
das Ausfugsprogramm nimmt mit dem Sommerbe-
ginn ja drastisch zu. Genau darauf werde ich mich
jetzt vorbereiten, meine Freunde Amphetamin,
Ephedrin und Koffein besuchen und mir in diesem
Sommer das gelbe Trikot vom besten Papa der Lau-
sitz holen.
Die Welt eines Vaters steckt voller Gefah-
ren. Manchmal habe ich dunkle Erinne-
rungen an meine eigene Kindheit, wie ich
allein an Gräben herumstromerte, auf Bäume klet-
terte, an den Bahngleisanlagen am Stadtrand spiel-
te oder auf der Müllkippe zwischen dampfenden
Hügeln und Schrotthaufen nach Schätzen forschte.
Das war vor vielen Jahrhunderten. Heute bin ich
ein moderner Rundumüberwachungsvater, der die
Umgebung seiner Kinder unaufhaltsam nach An-
deutungen abtastet, die den Hauch einer Gefahr
mit sich bringen könnten. Das Auge eines norma-
len Menschen kann 24 Bilder je Sekunde wahrneh-
men. Wenn ich mit den Kindern auf dem Spielplatz
bin, Fahrrad fahren übe oder wir uns in ein hoch-
frequentiertes unbekanntes Einkaufszentrum be-
geben, mutiert meine Wahrnehmung zu der eines
fiegenhaften Komplexauges mit 330 Bildern je Se-
kunde. In jedem zweiten Bild lauert eine potentielle
Gefahr: überstehende Fliesenkanten, von debilen
Rentnern gesteuerte Einkaufswagengeschosse,
Wackelautos zur Elternabzocke, um sich herum
niesende fremde Kinder mit ganz sicher tropischen
Erkrankungen. Die Frequenz eines Stroboskops in
der Technodiskothek wirkt gegen meine Gehirnak-
tivität wie ein sich langsam wiederholender, stun-
denlanger Sonnenunter- und –aufgang.
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
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