Seite 47 - lausebande_09-2013

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Titelthema :: Seite 47
Die Schaffung einer „Schule für
alle“ braucht Zeit. Die 84 Pilot-
schulen haben gerade das zwei-
te Schuljahr gestartet. Nach drei
Jahren wollen wir das Pilotpro-
jekt auswerten. Diese Ergebnisse
brauchen wir für die weitere Pla-
nung. Wir haben für die aktuellen
Pilotschulen 132 Lehrer zusätzlich
im System. Wenn wir die inklusi-
ven Angebote zu gleichen Bedin-
gungen flächendeckend ausbauen
wollen, brauchen wir zusätzliche
Lehrerstellen. Wichtig ist es, ei-
nen Schritt nach dem anderen zu
gehen und alle Beteiligten mitzu-
nehmen.
Viele haben bei Inklusion zuerst
behinderte Kinder im Hinterkopf,
dabei spielt die zunehmende He-
terogenität mit Lernschwächen,
Verhaltensauffälligkeiten,
die
zunehmende Vielfalt in unseren
Klassenräumen die bedeutende-
re Rolle. Sind die Lehrer, die jetzt
als Junglehrer von den Branden-
burger Hochschulen kommen,
auf diese zunehmende Vielfalt gut
vorbereitet?
Auf jeden Fall besser als frühere
Generationen – und künftige Leh-
rer-Generationen werden noch
besser auf Vielfalt vorbereitet sein.
Es ist vollkommen richtig: Die He-
terogenität in den Schulen ist ein
zentraler Punkt. Und wir müssen
unsere Lehrkräfte dabei unterstüt-
zen, mit der Vielfalt umgehen zu
können. Das ist auch die Grund-
lage von Inklusion. Jeder ist an-
ders und jeder ist individuell und
die Schule muss in der Lage sein,
jeden so zu beschulen, wie er es
braucht. Aus diesem Grund ha-
ben wir gerade erst das Lehrerbil-
dungsgesetz verändert und das
Thema Inklusion in allen Lehr-
amtsstudiengängen
verankert.
Die Studenten, die jetzt ihre Aus-
bildung an der Universität Pots-
dam starten, erhalten diese Mo-
dule zur Inklusion. Parallel dazu
haben wir die Fortbildungsange-
bote zu Inklusion deutlich ausge-
baut, um auch die Lehrer zu stär-
ken, die bereits seit vielen Jahren
unterrichten.
Viele Bildungsexperten verlangen
genau das: individualisiertes Ler-
nen, individuelle Förderung und
ebenso Teamwork und Praxisnä-
he bei den Lehrern. Ist auch das
in unserer Lehrerausbildung ver-
ankert?
Ja – genau das haben wir im neu-
en Lehrerbildungsgesetz veran-
kert. Die Universität Potsdam hat
zudem die Lehrpläne für Lehr-
amtsstudierende umgestrickt und
fünf neue Professuren eingerich-
tet. Damit sind wir bundesweit
Vorreiter.
Was sind seit dem PISA-Schock
die entscheidenden Veränderun-
gen im Brandenburger Bildungs-
system?
Wichtig ist der verstärkte Weg zur
Leistungsorientierung. Wir haben
beim Zentralabitur angefangen
und sind hier im gemeinsamen
Weg mit Berlin auch Vorreiter bei
einer länderübergreifenden Lö-
sung. Wir haben Vergleichs- und
Orientierungsarbeiten sowie einen
verbindlichen Grundwortschatz
eingeführt und die Leseförde-
rung gestärkt. Dazu kommen re-
gelmäßige Schulvisitationen. Die
Schulen können sich mittlerweile
untereinander vergleichen und se-
hen, wo sie stehen – das stößt Ver-
änderungen an.
Wir haben einen hohen Kranken-
stand bei Lehrern und damit auch
eines ihrer zentralen Probleme,
den Unterrichtsausfall. Ist Bran-
denburg hier ein Sonderfall?
Das stimmt so nicht: Lehrer sind
nicht häufiger krank als andere
Berufsgruppen – das zeigen Erhe-
bungen der Krankenkassen. Aber
wenn ein Lehrer erkrankt aus-
fällt, fällt es sofort auf: den Schü-
lern, den Eltern und, wenn darü-
ber in der Presse berichtet wird,
auch der breiten Öffentlichkeit.
Unterrichtsausfall wird also sehr
bewusst registriert. Und natürlich
ärgern sich die Eltern zu Recht,
wenn über einen längeren Zeit-
raum Fachunterricht ausfällt. Da-
mit sie das genau nachvollziehen
können, weisen wir in den Schul-
porträts jede ausgefallene Stunde
nach – sowie die Gründe für den
Ausfall und die Art des Ersatzes.
So viel Transparenz hat kein an-
deres Bundesland. Wenn wir das
mit Stichproben anderer Länder
vergleichen, stehen wir – bei al-
len Problemen – vergleichswei-
se gut da: In Sachsen und Bayern
fällt beispielsweise mehr Unter-
richt aus.
Aktuell wird die Lautschrift viel
diskutiert, aber auch beim Sch-
reiben tauchen Fragen auf: Wenn
an einer Schule eine Klasse tra-
ditionell Schreibschrift und de-
ren Parallelklasse nur noch die
Grundschrift lernt, beim Verset-
zen in die nächste Klassenstufe
und einem neuen Lehrer aber wie-
der die Schreibschrift nachholen
muss, läuft da was schief?
Das ist natürlich nicht optimal.
Da würde ich im konkreten Fall
erwarten, dass die Schulleitung
einschreitet und klare Richtlinien
verabredet. Einen Methodenwech-
sel sollte man den Schülern nicht
zumuten. Es gibt aber nicht
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