lausebande-09-2022

Titelthema ‹ 89 die Ansprüche und Bedürfnisse, die Rechten und Pflichten, eben weil Kinder verschieden sind. Das Alter spielt dabei eine Rolle, ebenso Neigungen, Interessen und Temperamente. Insofern ist es sinnvoll und gerecht, wenn das große Geschwisterkind länger aufbleiben darf, mehr Taschengeld bekommt oder eben die größere Portion beim Essen. Entscheidender ist, diese scheinbare Ungleichheit den Kindern zu erklären. Erklären Sie dem kleinen Bruder, dass die große Schwester mehr Taschengeld bekommt, weil sie schon älter ist und sich dafür auch mehr Dinge allein kaufen muss. Erklären Sie, dass große Geschwister nicht nur mehr Rechte haben, sondern auch mehr Pflichten wie zum Beispiel beim Helfen im Haushalt. Und versprechen Sie dem jüngeren Kind, dass es später auch länger aufbleiben darf und größere Essensportionen bekommt. Ansonsten können Kompromisse helfen: Der eine teilt den Kuchen, die andere sucht aus. Heute sitzt die eine neben Mama, morgen der andere. Heute kuschelt Papa zuerst mit dem einen und morgen zuerst mit der anderen. Heute sucht der eine die Vorlesegeschichte aus, morgen die andere. Seien Sie Vorbild: Kinder lernen bereitwilliger teilen, wenn sie sehen, dass auch andere Menschen in ihrer Umgebung gern Dinge abgeben. Wenn die Situation trotzdem mal wieder eskaliert, kann Humor helfen: Die Kinder zoffen sich lautstark um den letzten Keks? Schnappen Sie sich Ihren Mann und streiten Sie noch lauter um die Fernbedienung oder den Kaugummi. Haben Sie ein Lieblingskind? Warum fühlen sich Geschwisterkinder überhaupt ungerecht behandelt oder glauben, zu kurz zu kommen? Vielleicht weil sie um die Zuneigung der Eltern rivalisieren und das Gefühl haben, Mama oder Papa bevorzugen ein Kind, haben den Bruder oder die Schwester lieber. Auch wenn sich das wohl nur die wenigsten Eltern eingestehen, so bestätigen Fachleute dieses Gefühl: Zumindest phasenweise bevorzugen wir Eltern ein Kind. Das kann daran liegen, dass ein Kind etwas anstrengender ist, dass nur ein Kind ein wirkliches Wunschkind war, dass ein Kind gerade besonders tolle Erfolge mit nach Hause bringt. Vielleicht beruhigt es Eltern zu wissen, dass es normal ist, wenn man phasenweise einem Kind nähersteht. Das Problem: Kinder haben für so etwas sehr feine Antennen. „Sie spüren sehr genau, wenn sie benachteiligt werden. Wenn das beständig der Fall ist, wirkt sich das nicht nur negativ aus auf ihre Beziehung zum Geschwisterkind, sondern träufelt wie Gift in ihre Seele, beeinträchtigt ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre Fähigkeit, ein glückliches Leben zu führen“, warnt Hartmut Kasten. Dauerhaft benachteiligte Kinder entwickeln kein Selbstwertgefühl, ihnen fehlt ein positives Selbstbild und das Vertrauen in ihre eigenenMöglichkeiten. Auch den Lieblingskindern tut die dauerhafte Bevorzugung nicht gut, so Kasten: „Sie erwarten oftmals eine bevorzugte Behandlung auch von anderen Menschen, mit denen sie es zu tun bekommen. Wenn diese ihnen nicht zuteil wird, ziehen sie sich zurück und sind unglücklich. Ihre unrealistische Erwartungshaltung steht ihnen oft imWeg und erschwert ihnen, glücklich zu leben.“ Daher ist es wichtig, dass Sie als Eltern sich bewusst machen, ob und warum Sie ein Kind gerade etwas lieber haben und dann aktiv dagegen steuern. Das kann eine extra Kuscheleinheit für das „benachteiligte“ Kind sein oder exklusive Mama-Zeit. Schwierig wird es, wenn der Nachwuchs fragt: „Wen von uns hast du lieber?“ oder „Hast du uns alle gleich lieb?“ Zum einen sollten Eltern herausfinden, ob die Frage einen ernsten Hintergrund hat oder nur aus Neugier kommt. Hier kann die Gegenfrage helfen: „Wieso möchtest du das wissen?“ oder „Was ist denn dein Gefühl? Findest du, dass ich ein Kind lieber habe?“ Ansonsten kann eine differenzierte Antwort dem Kind zeigen, dass Sie es mit seinen Gefühlen ernst nehmen. Sie können klar machen, dass sie jedes Kind ganz doll lieb haben, aber dass sie an dem Kind besonders seine Malkünste schätzen und an dem anderen die lustigen Einfälle. So machen Sie klar, dass jedes Kind etwas Besonderes ist, seine Stärken hat und nicht mit seinen Geschwistern konkurrierenmuss. Bitte keine Vergleiche! Das ist ohnehin eine der wichtigsten Regeln für Eltern von mehreren Kindern: Bitte vergleichen Sie Ihre Kinder nicht miteinander. Gift für jede Geschwisterbeziehung sind solche Sätze: „Schau mal, wie gut dein Bruder schon Schnürsenkel binden kann.“ „Deine Schwester ist schon angezogen, warum dauert das bei dir so lange?“ „Dein Bruder konnte schon viel eher Fahrrad fahren.“ „Schau mal, deine Schwester hat in Mathe eine 1 bekommen.“ „Nimm dir doch mal ein Beispiel an deinemBruder!“ Dass Geschwister unterschiedliche Talente und Interessen haben, ist richtig und gut so. Das gilt

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