lazsuebande-09-2023

Titelthema ‹ 67 hinausgehen. Das ist in der Notsituation einzelner Schulen manchmal nicht anders machbar, sollte aber nicht zur Regel werden. Es gibt verschiedene Modellprojekte gegen den Lehrermangel. Wissen Sie von Best-PracticeBeispielen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland, die gut funktionieren und die andere Schulen adaptieren könnten? Ich glaube nicht, dass uns der Blick auf Modellprojekte an einzelnen Schulen oder ein Wettstreit zwischen den Bundesländern weiterhilft. Wir brauchen stattdessen eine Strategie, die wirklich alle Schulen berücksichtigt, unabhängig von der Schulform und der Region. Wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, die eine gesamtgesellschaftliche Lösung braucht. Was uns ebenfalls nicht weiterbringt, sind derzeit utopische Forderungen. Wir können es in der jetzigen Situation beispielsweise nicht ermöglichen, dass vor jeder Grundschulklasse zwei Lehrkräfte stehen. Welche Lösungen halten Sie stattdessen für machbar? Vielleicht sollte man stattdessen schauen, ob die Lehrpläne an manchen Stellen zu voll sind. Wäre es nicht sinnvoll, dass wir uns auf wirklich wichtige Inhalte fokussieren? Die aktuellen Bildungsstudien zeigen ja, wo der Fokus in Grundschulen liegen sollte: auf der Vermittlung von basalen Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Und dort, wo es möglich ist, sollten wir die maximalen Klassengrößen stärker ausreizen. Das mag das Unterrichten nicht eben leichter machen, aber aktuell muss es darum gehen, jedem Kind Unterricht zu ermöglichen. Sie erwähnten die jüngsten Bildungsstudien. Diese zeigen deutliche Rückgänge bei den Kompetenzen und Leistungen von Schulkindern. Sind das bereits die Auswirkungen des Lehrermangels oder spielt da eher Corona rein? Möglicherweise weder noch. Dieser Abwärtstrend hat schon viel eher eingesetzt, wurde aber womöglich durch Corona verstärkt. Wir müssen jetzt schauen: Wie gehen wir mit demNichterreichen von Bildungsstandards um? Welche Konsequenz hat es, wenn Kinder bestimmte Standards nicht erreichen? Machen wir trotzdem mit dem Unterricht weiter oder beginnen wir dann mit integrativen Ansätzen und Fördermaßnahmen? Ich will das beispielhaft verdeutlichen: Wenn in der Grundschule im Matheunterricht die Addition abgeschlossen wird und 5 von 25 Kindern das nicht verstanden haben, dann haben sie auch kaum eine Chance, darauf aufbauende Rechenkonzepte wie Subtraktion und Multiplikation zu verstehen. An dieser Stelle muss eine spezifische Förderung einsetzen, die genau diese Kinder abholt und sie dabei unterstützt. Wir müssen viel konsequenter Leistungsschwächen diagnostizieren und die betroffenen Kinder in der Folge zielgenau fördern. Und wie sollen die Lehrkräfte auch das noch leisten? Dafür gibt es Expertise außerhalb der Schule, zum Beispiel Lerntherapeuten. Bisher stehen diese Systeme noch zu sehr nebeneinander. Wenn es uns gelingt Schule und externe Förderangebote stärker zu verzahnen, wäre schon viel gewonnen. Das klingt zunächst nach Mehrarbeit für die Lehrkräfte, aber meines Erachtens würde es sie langfristig entlasten. Wenn diese Förderangebote verpflichtend in Anspruch genommen werden müssen, würden die Kinder stark davon profitieren. Kann an dieser Stelle vielleicht die Digitalisierung helfen? Natürlich können digitale Tools den Lernprozess vereinfachen und unterstützen, indem sie darauf aufbauend individuelle Aufgaben generieren. Hybridunterricht kann eine Lösung sein, wenn der Lehrkräftemangel in bestimmten Schulen besonders akut ist. In Skandinavien werden solche Modelle schon seit vielen Jahren umgesetzt. Aber ich sage auch: Künstliche Intelligenz wird keine Lehrperson ersetzen. Wir brauchen die persönliche Interaktion für nachhaltiges Lernen. Digitalität sollte kein Selbstzweck sein. Was wir in der Debatte um digitale Medien ebenfalls nicht vergessen sollten: Es gibt tolle analoge Medien, die beim Lernen helfen können. Ich hoffe und glaube, dass Kinder auch in Zukunft mit Büchern Lesen lernen. [...] Das vollständige Interview finden Familien auf www.lausebande.de oder per QR-Code-Scan:

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