Seite 47 - lausebande-10-2013

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Interview :: Seite 47
www.wladimirkaminer.de
www.gladhouse.de
Im vergangenen Jahr kam Ihr Buch Russendisko als
Film in die Kinos, können Sie sich Matthias Schweig-
höfer auch in einem Brandenburg-Abenteuer als
Gärtner und Angler auf der Leinwand vorstellen?
Als Schauspieler ist der sicher durchaus fähig. Aber
die Filmbranche ist nicht meine Welt und ich hatte
mit dem Film Russendisko auch wenig zu tun. Ich
weiß, wie man von Mensch zu Mensch Geschichten
erzählt. Aber im Film muss immer etwas Besonderes
stattfinden, was im Leben so gut wie nie passiert.
Menschen können im Film nicht einfach über die
Straße gehen, sie müssen von Killern verfolgt wer-
den oder auf einer Schatzsuche sein.
Im Dezember kommen Sie mit dem Programm zum
neuen Buch nach Cottbus, war erwartet die Besu-
cher?
Ich werde aus meinem Buch über meinen
neuen Garten in Brandenburg vorlesen, aber auch
aus ganz neuen Geschichten, die noch nicht veröf-
fentlicht sind. Unbedingt müssen sie in Cottbus das
Thema Pubertät ganz groß ansprechen.
Sie kommen ausgerechnet am Freitag, dem 13. –
sind Sie nach dem überlebten Maya-Weltuntergang
noch abergläubisch?
Ja, aber ich bin positiv aber-
gläubisch. Ich erwarte immer etwas Gutes. Auch
vom Freitag dem 13 und erst recht von Cottbus.
Besuchen Sie die Elefanten im Cottbuser Tierpark,
die in Ihrem Buch ja eine kurze Gastrolle haben?
Das werde ich unbedingt machen ...
Sie haben inzwischen über 3 Millionen Bücher ver-
kauft, warum sind die Deutschen an Ihrer Sicht-
weise so interessiert?
Wir haben eine gemeinsame
Geschichte. In dem was ich erzähle, können sich die
Menschen wieder finden. Aber Geschichten interes-
sieren die Menschen fast überall auf der Welt. Ich
war gerade auf einer Buchmesse in Brasilien, da war
Deutschland Gastland und ich habe Deutschland re-
präsentiert. Die Brasilianer waren an den Geschich-
ten genauso interessiert.
Sie gelten heute als deutscher Schriftsteller, interes-
siert man sich eigentlich auch in Russland für Ihre
Bücher?
Vor allem interessieren die Russen sich für
Landsleute im Ausland, ob und wie sie Erfolg haben.
Sie fühlen sich immer noch etwas abgeschottet von
der Welt und haben Minderwertigkeitskomplexe,
wie sie in der Welt wahrgenommen werden. Von
daher ist jeder erfolgreiche Landsmann von gro-
ßem Interesse. Sie schauen aber auch genau, wie
er erfolgreich geworden ist: hat er Gutes getan oder
Schlechtes über uns erzählt. Da ich versuche, nichts
Schlechtes zu erzählen, bin ich hoffentlich auf der
sicheren Seite.
Eine letzte Frage in der Mission als Familienmaga-
zin: Was amüsiert Sie gerade am Familienleben der
Deutschen am meisten?
Die windelfreie Erziehung.
Das war ein Erziehungsratgeber, der in Deutschland
sehr populär war. Man sollte die Kinder nicht einwi-
ckeln, weil Kinder dann später Minderwertigkeits-
komplexe bekommen. Nur Kinder, die von Anfang
an überall hinkackern dürfen, werden später zu frei-
en Menschen. Deswegen kommen die in Deutsch-
land auch bis ins hohe Alter in diese Pubertät.
Danke für das Interview.
Wladimir Kaminer:
Neues aus dem Garten
Fr, 13.12.2013 / 20 Uhr
Jugendkulturzentrum Glad-House Cottbus