lausebande-11-2022

46 › Titelthema In meiner praktischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern höre ich immer wieder den gleichen Satz: „Ich möchte einfach nur glücklich sein, wie schaffe ich das?“ Ein Teil der Antwort ist bereits in der Frage enthalten, denn es ist im Grunde ganz „einfach“. Während einer mehrwöchigen Hospitation in einer Kindertagesstätte erlebte ich die Herzlichkeit, die Offenheit und die unverblümte Ehrlichkeit kleiner Kinder und sie ließ mein Herz jeden Tag aus Neue zum Strahlen bringen und zeigte mir, wieviel wir von kleinen Kindern lernen können. Ich habe Kinder streiten sehen, aber das wirklich interessante war, dass der Streit nicht länger als wenige Minuten anhielt. Die Freude am Spielen ist Kindern wichtiger als jeder Streit. Kinder sind weniger nachtragend. Kleine Kinder kennen keinen Hass. Kinder sind nicht gern traurig, sie lachen lieber als dass sie weinen. Kindern ist es egal, ob ihr T-Shirt auf links gedreht ist beim Tragen. Sie haben auch kein Problem damit, beim Mittagsessen zu kleckern und dannden restlichenNachmittagmit einemFleckauf der Hose herumzurennen. Es war auch kein anderes Kind da, das permanent auf diesen Fleck geschaut hätte. Ich habe Jungs in Prinzessinenkleidern mit Puppen und Mädchen mit Autos spielen sehen. Ich habe Kinder gesehen, die körperliche Beeinträchtigungen hatten, und andere mit Entwicklungsstörungen, aber kein einziges Kind, was darüber gelästert hätte. Dieses Verhalten ist so wunderbar und wertschätzend, dennoch fällt es vielen Erwachsenen schwer, genau so zu fühlen und zu leben, denn ich kenne nur sehr wenige, die sich diese Toleranz und Freude amLeben erhalten haben. Liegt es vielleicht daran, dass fast jeder Erwachsene in seiner Kindheit emotionale Verletzungen erlebt hat, die sein späteres Erwachsenenleben nachhaltig beeinflusst haben? Ob dies nun z.B. Bindungsangst durch die fehlende emotionale Bindung zu einer wichtigen Bezugsperson, Verlustangst durch eine Trennung der Eltern oder das Gefühl von „nicht gut genug zu sein“ durch einen permanenten Erfolgs- oder Leistungsdruck ist, ist egal. Fakt ist, dass es Erwachsene sind, die diese kleinen Menschen aus ihrer heilen Welt reißen. Dieser unWas ist Glück und wie bleibt es bei uns? Ein Beitrag von Psychotherapeut Kai Vierbücher glaublichen Verantwortung sind sich die meisten Eltern gar nicht bewusst und sehr oft gestresst fokussieren sie sich auf unwichtigere Dinge. Dinge, die ihnen in dem Augenblick wichtig erscheinen mögen, die aber bei genauerer Betrachtung nur Füllstoff ihres Alltags sind. Wenn man einem Kind etwas verspricht, z.B. nach demMittagessen mit ihm ein Buch zu lesen, und es danach nicht tut, weil man etwas anderes als wichtiger empfindet, dann verliert dieses Kind irgendwann den Glauben daran. Die Folge ist, dass auch dieses Kind später einmal ein „Versprechen“ nicht so ernst nehmen wird. Eltern erwarten oft, dass Pädagogen, Erzieher und Therapeuten das korrigieren, was sie selbst unbewusst verursacht haben. Die Tätigkeit der Lehrer:innen und Erzieher:innen wird total unterschätzt, denn sie ist mehr als nur die pädagogisch/ spielerische Ganztagsbetreuung von Kindern. Sie versuchen Tag für Tag mit sozialer Wärme und gleichzeitig bestimmender FreundlichkeitWerte und Ideale zu vermitteln. Mir ist klar, dass die Betreuung von Kindern viel Empathie abverlangt und dass die Verantwortung im Umgang mit ihnen immens ist. Seelische Verletzungenwerden den Kindern nicht durchMonster oder Ungeheuer zugefügt, sondern von den Menschen, die sie am meisten lieben. Und die dadurch entstehenden Schutzmauern verhindern Jahre später, dass das Glück zu ihnen durchdringen kann. Den Eltern ist das natürlich nicht bewusst und sie tun dies, weil sie es nicht besser vermittelt bekamen. Wenn wir uns dessen bewusst werden und unseren Fokus verändern, verändern wir unser Leben und damit das Leben unserer Kinder. Ein glückliches Leben ist nicht der Hauptgewinn in der Universumslotterie. Es ist das Geburtsrecht jedes Menschen. Es ist der Fokus auf all das schöne und lebenswerte. Es ist die Dankbarkeit und Zuversicht, das Vertrauen auf den Fluss unseres Lebens. Wir werden täglich mit negativen Informationen beschallt: Pandemie, Krieg, Energiekrise, Unfälle, Katastrophen, Krankheiten, finanzielle Sorgen. Und mit jeder dieser Informationen wird unser Unterbewusstsein angstvoll klein gehalten. Wenn wir es schaffen, dieser Manipulation zu entfliehen und 46 › Corona Update

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