Hinten mit Hybrid

Datum: Mittwoch, 08. Juni 2016 11:46

Christoph Füllbier 009

 

"Kinder können und wollen nicht stundenlang nur fahren."
Interview mit dem Cottbuser Christoph Füllbier, Radfahrer aus Überzeugung und Leidenschaft. Er ist seit mehr als 20 Jahren Tourenleiter beim ADFC und legt pro Jahr ca. 8.000 Kilometer zurück – mit dem Fahrrad. Im Gespräch gibt er Tipps für kleine Radfahrer und schöne Strecken für die nächste Familienradtour.

Worauf sollten Eltern achten, wenn sie ihren Kindern Radfahren beibringen wollen?
Mit etwa vier Jahren können Kinder mit dem Fahrradfahren beginnen. Sie sind dann motorisch so weit, haben Spaß daran und es gibt geeignete Räder in der passenden Größe. Diese sollte man nicht im Baumarkt kaufen, sondern immer beim Fachhändler. Dort gibt es auch gute Beratung und Service. Wichtig ist, dass man zunächst auf einer Strecke ohne Verkehr, z.B. sonntags auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes, gemeinsam mit den Kindern übt. Das Radfahren fällt den Kindern leichter, wenn sie vorher schon mit dem Laufrad unterwegs waren. Außerdem sollte man ihnen die wichtigsten Verkehrsregeln erklären. Hilfreich ist es, wenn sie wissen, wo rechts und links ist. Haben sie damit noch Schwierigkeiten, kann man an einer Lenkerseite ein buntes Band anbringen. Sehr wichtig ist die Radfahrprüfung am Ende der Grundschulzeit. Dort lernen die Kinder Theorie und Praxis rund um Fahrradfahren und Straßenverkehr. Haben sie die bestanden, sind sie fit, um auch allein mit dem Rad unterwegs zu sein.

Mit oder ohne Helm?
Eltern sollten ihre Kinder unbedingt von Beginn an mit Helm fahren lassen. Eltern sind am besten Vorbild und tragen einen Helm, wenn sie mit ihren Kindern auf dem Rad unterwegs sind. Gerade in der Stadt ist der Helm wichtig, weil das Unfallrisiko dort höher ist als auf langen Touren übers Land. Dennoch lehne ich eine Helmpflicht ab, wie auch der ADFC. Dann würden vermutlich viele Menschen komplett aufs Radfahren verzichten. Ich selbst trage nicht immer, aber doch häufig einen Helm. Gute Fahrradhelme gibt es heute schon für wenig Geld. Sie können schwere Kopfverletzungen verhindern, mitunter sogar Leben retten.

Wie fahrradfreundlich ist Cottbus, ist die Lausitz?
Im Grunde ist Cottbus sehr fahrradfreundlich – von einigen Problemstellen wie am Brandenburger Platz abgesehen. An manchen Stellen – so auch dort – wäre eine eindeutigere Beschilderung wünschenswert. Davon abgesehen, ist die Stadt mit ausreichend Radwegen ausgestattet. Auch in anderen Städten der Region, gibt es gute Bedingungen für Radfahrer. So kann man in Hoyerswerda beispielsweise wunderbar an der Schwarzen Elster entlang radeln. Ebenso ist das entstehende Seenland ausgesprochen fahrradfreundlich. Die Wege sind gut ausgebaut und die Strecken gut ausgeschildert. Ich habe kürzlich Gäste aus Österreich durch die Region geführt – die waren begeistert von den Pisten hier. Dazu kommt, dass man fast täglich neues entdecken kann.

Ihr persönlicher Tourentipp für die nächste Tagestour durch die Lausitz?
Meine persönliche Lieblingsstrecke ist der Oder-Neiße-Radweg, den man von Cottbus aus über Branitz und Forst erreicht. Man ist die ganze Zeit am Fluss im Grünen unterwegs und die Strecke fährt sich sehr schön. Mit kleineren Kindern ist das vielleicht etwas weit. Da eignet sich eher eine Tour zum Erlebnispark Teichland, an den Peitzer Teichen vorbei, die Strecke ist angenehm schattig. Gut geeignet für Familien ist auch eine Tour entlang der Spree ab Cottbus stadtauswärts. In beiden Richtungen gibt es viele Spielplätze und andere Rastmöglichkeiten wie einen Pferdehof. Eine Runde um den Bärwalder See – das sind etwa 25 km – bietet sich ebenso an für Familien.

Welche Tipps haben Sie für den nächsten Familienausflug per Rad, was sollten Eltern bedenken?
Unbedingt Pausen einplanen, Ablenkung bieten. Kinder können und wollen nicht stundenlang nur fahren. Gerade im Sommer ist es wichtig, ausreichend zu trinken dabei zu haben, ebenso einen kleinen Imbiss als Stärkung für zwischendurch. Es ist hilfreich, ein Ziel vor Augen zu haben, das kann die Kinder motivieren, wenn sie wissen, wo es hingeht und wie weit es noch ist. Die Länge der Strecke sollte man entsprechend der Ausdauer und Konstitution der Kinder festlegen – mehr als 50 Kilometer würde ich nicht empfehlen. Wer mit ganz kleinen Kindern unterwegs ist, für den sind Fahrradanhänger sinnvoll. In jedem Fall gilt: Wenn die Eltern gern Radfahren, dann werden sich auch die Kinder leicht fürs Radfahren begeistern lassen.

Wie sind Sie selbst zum Radfahren gekommen?
Das haben mir nicht unbedingt meine Eltern mitgegeben. Ich habe mir das Radfahren selbst beigebracht – auf dem Herrenrad meines Großvaters. Das gab viele Schrammen, hat aber funktioniert. Das regelmäßige Radfahren als Erwachsener kam bei mir im Grunde mit meinen eigenen Kindern. In den Jahren davor war ich viel mit dem Motorrad unterwegs. Als unsere beiden Töchter zur Welt kamen, war das kein geeignetes Fahrzeug mehr, etwas Familientaugliches musste her. So kam ich zum Fahrradfahren und bin dem bis heute treu geblieben. Ich habe zwar ein Auto, aber das benutze ich fast gar nicht mehr.

Und Ihre Töchter – sind sie dem Rad auch treu geblieben?
In der Tat konnte ich die Liebe zum Rad weitergeben, sogar bis in die dritte Generation. Heute fahren auch meine Enkel gern und häufig Fahrrad. Sie sind mit dem Laufrad groß geworden, so dass ihnen das Fahrrad-Fahren lernen sehr leicht fiel. Als unsere Kinder klein waren, gab es Laufräder noch nicht. Ich bin dann also anfangs immer nebenher gelaufen. Stützräder haben wir nicht genutzt und davon rate ich auch dringend ab. Sie schaden mehr als dass sie nutzen. Die Kinder müssen stattdessen von Beginn an ihren Gleichgewichtssinn trainieren. Das geht am besten, wenn sie zunächst mit dem Laufrad unterwegs sind. Dafür lassen sich die Kleinen meist leicht begeistern – und im Idealfall werden aus ihnen später leidenschaftliche Radfahrer.