Zwei + Eins = Viele

Datum: Dienstag, 26. November 2013 08:44


(K)eine ganz normale Familie
Patchworkfamilien sind keine Normalfamilien. Über 70 verschiedene Möglichkeiten der Zusammensetzung unterscheiden Familienforscher. Die Konstellation einer solchen Patchworkfamilie kann dabei ganz unterschiedlich sein. Beide Partner können Kinder in die neue Beziehung einbringen oder die Kinder eines Partners leben im Haushalt. Wiederum können diese Kinder dauerhaft in einem Haushalt leben, oder leben aber beim ehemaligen Lebensgefährten und kommen nur am Wochenende zu Besuch. Gegebenenfalls kommen auch noch gemeinsame Kinder dazu. Gemeinsam ist ihnen allen, dass zu dem leiblichen Elternteil ein neues hinzutritt – und mit ihm oft zahlreiche Konflikte. Es dauert manchmal Jahre, bis sich die Familien zu einer neuen, gut funktionierenden Familie zusammengefügt haben. Zusätzlich müssen sie meist auch finanzielle Schwierigkeiten meistern. Häufig bestehen noch Unterhaltsforderungen aus ehemaligen Beziehungen, so dass im Alltag auch noch Geldsorgen hinzukommen können. Idealtypischer Weise lassen sich drei Arten von Patchworkfamilien voneinander abgrenzen. Diese Unterscheidung vereinfacht die Realität stark, lässt aber die Vielfältigkeit der verschiedenen Arten von Patchworkfamilien erahnen.

 


„Die härteste Nuss ist der tägliche Kleinkrieg der Stiefgeschwister auf dem Schlachtfeld einer kleinen Wohnung.“ 
Tino Korwitz


1. Als-ob-Normalfamilie
Diese Familien verstehen sich als ganz normale Familien. Das scheint sehr praktikabel zu sein. Das Familienklima wird in der Regel von allen als harmonisch erlebt. Es gibt aber einen großen Nachteil: Familien diesen Typs können nur funktionieren, wenn das Kind keinen Kontakt zum außerhalb lebenden Vater sucht und auch der leibliche Vater seinerseits keinen Kontakt möchte oder den Kontaktabbruch akzeptiert. Das kann zu großen Problemen für das Kind führen. Dies ist der Fall, wenn Mutter und Stiefvater die Familie quasi als Kernfamilie erleben, das Kind aber nicht in dieser Vorstellung lebt.

2. Gescheiterte Patchworkfamilie
Wenn auch nach längerer Zeit das Kind den Stiefvater weder als väterlichen Freund noch als Partner der Mutter akzeptiert, dann kann der Stiefvater nicht in die neue Familie integriert werden. Unter den dauernden Konflikten leidet das Familienleben und letztlich auch die Beziehung zwischen den Partnern, so dass eine Trennung der Eltern oder die Ausgrenzung des Kindes unausweichlich wird. Der leibliche Vater spielt im Familiennetzwerk in der Regel keine Rolle.

3. Erweiterte Patchworkfamilie
Viele Familien wünschen sich ein faires Nebeneinander zwischen den alten Partnern und ihren neuen Familien. Erweiterten Patchworkfamilien gelingt dieser Spagat. Jeder hat das Vertrauen, sich in schwierigen Situationen auf die Hilfe der anderen Familienmitglieder verlassen zu können. Die erweiterte Patchworkfamilie bietet den Kindern nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe besondere Entwicklungschancen und erlaubt es, die Kinderbetreuung auf mehrere Personen – leibliche Eltern, Stiefeltern, Großeltern – zu verteilen.

Modell mit Zukunft
Patchworkfamilien mögen heute noch etwas Besonderes sein. Aber es ist ein Familienmodell mit Zukunft und mit vielen positiven Eigenschaften, die für alle eine Bereicherung sein könnten. Familienforscher haben festgestellt, dass Kinder, die in alternativen Familienformen aufwachsen, oft eher in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen, sensibler auf gesellschaftliche Diskriminierungen reagieren und über flexiblere Rollenauffassungen von Mann und Frau verfügen als Kinder aus traditionellen Familien. Zudem ist die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, bei Mitgliedern von Patchworkfamilien ausgeprägter als bei anderen. Auch Teamfähigkeit und die Fähigkeit Fremdes oder Unbeliebtes zu integrieren wird trainiert. Nicht zu vernachlässigen ist ein ganz anderer Aspekt. Wenn die Kinder Zeit mit ihren leiblichen Elternteilen verbringen, so ergeben sich Freiräume, die sich positiv auf die neue Partnerschaft auswirken. Bei allen Vorteilen bleibt aber eines gleich: Die Anforderungen für alle Beteiligten sind größer als bei einer herkömmlichen Familie. Nicht zwei Meinungen, Weltanschauungen, Erziehungsmodelle, Stundenpläne müssen koordiniert werden, sondern drei, vier oder mehr.

Die 3 häufigsten Probleme
1. Das Kind akzeptiert den Partner nicht
Wenn sich das Kind mit allen Mitteln dagegen wehrt, den neuen Lebenspartner der Mutter zu akzeptieren, kommt eine schwierige Zeit auf die ganze Familie zu. Dass Kinder einem neuen Partner zunächst mit Zurückhaltung begegnen, ist ganz normal. Häufig reagieren sie anfangs auch mit Eifersucht und einer abwehrenden Haltung. Sie haben oft Angst, der leibliche Vater könnte verdrängt werden. Wenn ein Elternteil lange Zeit mit dem Kind alleine zusammengelebt hat, hat dieses häufig Angst, nicht mehr an erster Stelle zu stehen. Oft hoffen Kinder, dass die Eltern wieder zusammenkommen. Diese Hoffnung wird zerstört, wenn ein neuer Partner auftaucht. Der richtige Zeitpunkt, den neuen Partner vorzustellen, ist daher sehr wichtig. Eltern sollten sich daher zuerst einmal selbst sicher darüber sein, auch den richtigen neuen Partner gefunden zu haben.

„Der Stiefvater muss immer Kumpel bleiben und darf nicht den Chef raushängen lassen.“
Tino Korwitz


2. Der neue Partner reagiert negativ auf das Kind
Wenn der Partner negativ auf das Kind reagiert, dann muss dies noch lange nicht das Ende für die neue Liebe bedeuten. Es kann aber sinnvoll sein, nicht um jeden Preis in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Mit der Zeit wird sich der neue Partner an das Kind gewöhnen. Wenn nicht, so ist er vielleicht auch nicht der Richtige.

3. Der Ex-Partner zeigt Aggressionen
Auch Erwachsene haben ein Recht auf Wut oder Traurigkeit. Es werden die Wenigsten in Freudentränen ausbrechen, wenn sich der Expartner neu verliebt hat. Aggressionen helfen aber auch hier nicht weiter. Wenn der ehemalige Partner aggressiv auf die neue Liebe reagiert, dann muss sachlich darüber gesprochen werden – mit dem Ex-Partner aber auch mit dem Kind.