Seite 18 - lausebande-02-2012

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rechts wechseln, benötigen hingegen professionel-
le Hilfe und Orientierung. Sogenannte „Beidhän-
der“ gibt es mit Blick auf eine gesunde, kindliche
Entwicklung nicht. Ganz im Gegenteil neigen Kin-
der mit wechselndem Gebrauch der Hand später zu
vielen, teils schweren psychischen und Leistungs-
problemen. Hier sollten sich Eltern rechtzeitig von
Medizinern und Psychologen, vor allem aber Ergo-
und Physiotherapeuten beraten lassen.
Die Bedeutung einer solchen Beratung für das
eigene Kind wird vor allem beim Blick auf die Fol-
gen einer umerzogenen Händigkeit deutlich: Denn
eine Umschulung der Händigkeit stellt einen mas-
siven Eingriff in die Funktionen des menschlichen
Gehirns dar. Nach einer statistischen Erhebung
der Organisation für neutrale Wissenschaften in
München stellten in der Vergangenheit in früher
Kindheit umgeschulte Linkshänder (Pseudorechts-
händer) ca. 60 % aller psychotherapeutischen
Fälle. Ihr Gehirn hat die widernatürliche Umerzie-
hung nicht verkraftet. Am deutlichsten wird dieser
Vorgang beim Schreiben: Hier müssen Hand und
Finger beim Bilden der Buchstaben und Worte
äußerst komplexe feinmotorische Aufgaben aus-
führen, während gleichzeitig über Grammatik,
Rechtschreibung und Formulierung nachgedacht
und diese Gedanken dann zum Weiterschreiben
wieder in motorische Abläufe an Hand und Finger
übersetzt werden müssen. Ähnlich komplexe Vor-
gänge mit höchsten Ansprüchen an unterschiedli-
che Funktionskompetenzen im Gehirn und deren
Übersetzung in ein feinmotorisches Agieren gibt es
auch beim Musizieren, Sport oder vielen anderen
Tätigkeiten. Bei einer Umschulung der Händigkeit
kommt es bei diesen komplexen Vorgängen zu ei-
gestellt werden – was für Menschen nicht nur mit
mehr Anstrengung verbunden ist, sondern auch zu
vielfältigen Störungen führen kann.
Zum Glück wird heute kaum noch bewusst
auf die nicht dominante Hand umgeschult, eine
Gefahr lauert aber gerade hierzulande durch die
traditionell rechtshändige Umwelt. Manche Kinder
vollziehen die Umschulung auf die nicht dominan-
te Hand selbst als Modell- und Nachahmungsver-
halten, weil sie auch so sein wollen wie „die An-
deren“. Das geschieht oft recht früh, der Eintritt in
den Kindergarten ist hier eine besonders sensible
Phase. Besonders gefährdet sind Kinder mit unsi-
cherer Feinmotorik und Koordination im Vergleich
zu Gleichaltrigen – aber auch aufmerksame Kinder
mit einer guten Intelligenz, die eine sehr gute fein-
motorische Geschicklichkeit haben und den Un-
terschied zwischen Führungs- und Haltehand we-
niger spüren. Leider gibt es in den Bildungs- und
Erziehungsplänen für Kinder in Krippen und Kin-
dergärten noch immer keine klaren Hinweise zum
Umgang mit der Händigkeit und einer guten Inte-
gration links- und rechtshändiger Kinder. Auch bei
der medizinischen Vorsorge spielt Händigkeit kei-
ne Rolle – hier sind Eltern selbst gefordert, ihren
Kindern den richtigen Weg in ein unbeschwertes
Leben zu bereiten.
Hirn und Hand im Zwiespalt
Die meisten Kinder entwickeln vom zweiten
bis zum vierten Lebensjahr einen stabilen Hand-
gebrauch. Kinder, die in dieser Lebensphase beim
Handgebrauch noch beständig zwischen links und