Seite 19 - lausebande-02-2012

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Titelthema :: Seite 19
ner Überlastung der nun zuständigen, motorisch
aber nicht dominanten Gehirnhälfte und zu einer
Unterbelastung der natürlich dominanten – da die
Strukturen im Gehirn fest verankert sind und durch
die Umschulung nicht geändert werden können.
Die Folge sind innere Konflikte und Kompetenz-
schwierigkeiten zwischen beiden Gehirnhälften.
So reagieren bei einem umgeschulten Linkshän-
der zwangsläufig beide Gehirnhälften, es kommt
zu einer doppelten Aktion im Gehirn. Abläufe
werden verlängert, vermutlich auch überlagert.
Es wird mehr Energie verbraucht, Ermüdung und
Unkonzentriertheit sind logische Folgen. Weitere
unmittelbare Folgen können in Gedächtnisschwie-
rigkeiten und Blackouts bestehen – viele umge-
schulte Linkshänder umschreiben das als eine Art
„Wackelkontakt“ im Gehirn. Viel tiefer greifen aber
daraus resultierende nachhaltige Störungen des
Verhaltens und der Psyche. Folgende Übersicht
stellt mögliche Primär- und Sekundärfolgen einer
Umschulung der Händigkeit dar:
Primärfolgen
• Gedächtnisstörungen
• Konzentrationsschwierigkeiten
• Lese-Rechtschreibstörungen
• Links-Rechts-Unsicherheit
• Feinmotorische Störungen
• Sprachauffälligkeiten (Stammeln bis Stottern)
Sekundärfolgen
• Unsicherheit
• Zurückgezogenheit
• Minderwertigkeitskomplexe
• unterschiedlich ausgeprägte
Verhaltensstörungen
• Bettnässen und Nägelkauen
• Trotzhaltung, Imponier- und
Provokationsgehabe
• überhöhter Leistungseinsatz
zur Problemkompensation
• emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter
mit neurotischen und/oder psychosomatischen
Symptomen
Insbesonders hoch intelligente, umgeschulte
Linkshänder befinden sich dabei in einem Dilem-
ma. Sie werden bei Fehlleistungen infolge von
Sprach- und Gedächtnisschwierigkeiten durch Pä-
dagogen (und Eltern) als faul eingestuft, können
oft aber nur bei einem „Leistungskick“ entspre-
chend ihrer Intelligenz funktionieren. Dieser Leis-
tungskick erfordert aber eine dauerhafte Überan-
strengung, die bis zur absoluten Erschöpfung, zum
Burn-Out oder zu psychosomatischen Störungen
führen kann.
Die Folgen einer Umerziehung der Händigkeit
machen klar, warum vor Eintritt in die Schule die
natürliche Händigkeit unbedingt geklärt werden
muss. Mit der Schule wird der Handgebrauch ver-
festigt – und Fehler bei der Festlegung sind nach
einigen Schuljahren evtl. nicht mehr umkehrbar,
das Kind wird unter Umständen ein Leben lang an
den Folgen leiden.
Umerziehen der Umerziehung
Wenn ein Kind oder Erwachsener mit umer-
zogener Händigkeit wieder auf seine dominante
Hand umgeschult wird, spricht man von Rück-
schulung. Wer bei seinem Kind erst während oder
nach dem Erlernen des Schreibens den falschen
Handgebrauch fest stellt, sollte schnellstmög-
lich eine professionelle Beratung aufsuchen. Eine
Rückschulung auf die dominante Hand ist näm-
lich durchaus mit zusätzlichen Gefahren verbun-
den, kann bei Kindern jedoch mit Einfühlung und
psychotherapeutischer Erfahrung vorgenommen
werden. Je früher, desto besser! Eltern sollten sich
vergegenwärtigen, dass hierbei ein erneuter Ein-
griff in die Strukturen des Gehirns vorgenommen
wird – ein Eingriff, der unbedingt durch speziell
ausgebildete Ergotherapeuten und je nach Folgen
der Umschulung evtl. auch durch Physiotherapeu-
ten und Psychotherapeuten begleitet werden
»
Dosenöffner: Gibts auch für Linkshänder!
Foto: Sattler