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nicht richtig verarbeitet werden – zum anderen
können innere Impulse nicht richtig bewertet und
kontrolliert werden. Daher fällt es den von ADHS
betroffenen Kindern schwer, ihren Bewegungs-
drang sowie ihre Gefühle und ihre Aufmerksamkeit
zu kontrollieren. Durch die Funktionsstörung im
Stirnhirn reagiert das Gehirn auf viele Reize – ei-
gene Gedanken wie auch Störungen von außen –
ohne diese ausreichend zu filtern und nach ihrer
Wichtigkeit zu sortieren. Betroffene denken und
handeln dann teilweise, ohne die Folgen abzuwä-
gen. Auch den Bewegungsimpulsen, die Teile des
Gehirns beständig an die über den Körper verteilte
Muskulatur aussenden, setzt das Stirnhirn ADHS-
Betroffener nur unzureichende Grenzen.
Auch wenn die medizinische und psychologi-
sche Forschung bis heute nicht weiß, wie genau
das Stirnhirn mit anderen Hirnbereichen zusam-
men arbeitet, hat sie viele Erkenntnisse für die
Folgen einer Beeinträchtigung des Stirnhirns ge-
liefert. ADHS ist dabei nur eine besondere Funkti-
onsstörung unter anderen, sie teilt auch einzelne
Aspekte mit unterschiedlichen Störungen wie
Zwangsstörungen oder Autismus – ist mit diesen
aber nicht verwandt. Erst die Summe der funktio-
nellen Auffälligkeiten, die in ihrer Stärke sehr un-
terschiedlich ausgeprägt sein können, ergibt das
Gesamtbild der ADHS. Das macht es aus medizini-
scher Sicht auch so schwierig, die Besonderheiten
einzelner Handlungen ADHS-Betroffener diesem
Gesamt-Störungsbild zu zuordnen.
Allerdings ist es durchaus möglich, dass auch
Kinder trotz der komplexen Störung den Umgang
mit diesem Leiden lernen, die wichtigen aus den
überflüssigen Reizen herausfiltern und entspre-
chende Auffälligkeiten abbauen können. Auch
wenn eine Normalisierung für alle Bereiche des Ge-
hirns in Struktur und Funktion nicht möglich ist,
besteht für verschiedene Bereiche jedoch eine gute
Entwicklungsdynamik. So können ADHS-Kinder
bei entsprechender Behandlung zwischen dem 8.
und 14. Lebensjahr deutlich aufholen.
Bei der Entstehung von ADHS kommt neben
genetischen auch umweltbedingten Faktoren eine
zentrale Bedeutung zu. Lange wurde angenom-
men, dass Nikotin- und Alkoholkonsum der Mutter
während der Schwangerschaft sowie chronischer
Stress oder auch Schwierigkeiten bei der nachge-
burtlichen Versorgung des Säuglings eine große
Rolle spielen. Die aktuelle Forschung zeigt hier
keinen Zusammenhang mehr. Die Ausprägung der
ADHS-Symptome wird wahrscheinlich durch eine
reizüberflutende Umgebung in den ersten Lebens-
jahren verstärkt – die Reizflut kann dabei sowohl
durch Medienkonsum als auch durch einen un-
günstigen Erziehungsstil verursacht werden. Auch
typische Erziehungsfehler (z.B. fehlende Zuwen-
dung, fehlendes Verständnis, Mangel an Struktu-
ren und Regeln) können einen negativen Einfluss
auf ADHS-betroffene Kinder ausüben. Einflüsse
falscher Ernährung auf ADHS hingegen konnten
in Studien nicht belegt werden. Im Ergebnis ist ei-
nem oft diskutierten Vorurteil gerade unter nicht
betroffenen Eltern klar zu begegnen: ADHS ist eine
Fehlsteuerung des Gehirns und nicht die Folge fal-
scher Erziehung. Nicht immer geht eine starke Aus-
prägung von ADHS bei Kindern mit zusätzlichen
Fehlern in der Erziehung durch die Eltern einher.
Zudem müssen Eltern von ADHS-Kindern, die sich
wirklich mit der Krankheit auseinander setzen und
die ihren Kindern helfen, extrem viel Liebe, Kraft
und Durchhaltevermögen aufbringen. Für ihre
Kinder ist ein verständnisvolles Umfeld wichtig,
daher sollten sich auch nicht betroffene Eltern ein
Mindestmaß an Kenntnis über ADHS aneignen.
Das kann den gemeinsamen Schulalltag erleich-
tern und die allgemein übliche und größtenteils
ungerechtfertigte soziale Ausgrenzung betroffener
Kinder (und Familien) vermeiden.
Bedeutung von ADHS
Auch wenn die Ursachen von ADHS noch
nicht schlussendlich geklärt sind, beschäftigen
sich immer mehr Studien mit der Erforschung der
Krankheit. Dabei wird ADHS-betroffenen Kindern
je nach Studie ein Anteil zwischen 3 bis 10 Prozent
zugeschrieben, einige Experten gehen unter Be-
rücksichtigung der oft nicht erkannten, weil nur
schwach ausgeprägten Krankheitsfälle, von bis zu
25 Prozent aus. Allerdings findet sich in den meis-
ten, von einer breiten Expertise getragenen Veröf-
fentlichungen, eine recht identische Quote um die
6 Prozent. Dabei wird das Verhältnis von Jungen
zu Mädchen bei ADHS mit 5:1 beschrieben. Es wird
vermutet, dass bei Mädchen deutlich häufiger die
als ADS bezeichnete Form ohne ausgeprägte Hy-