lausebande-03-2024

Aktuelles ‹ 31 Wie geht es weiter? Mit dem Erscheinen dieser lausebande-Ausgabe steht die nächste Rede zur Lage der Nation von Wladimir Putin bevor. Erwartet wird sie Ende Februar oder Anfang März 2024. Vor einem Jahr nutzte er diesen Anlass, um gegen den sogenannten Westen zu wettern und längst widerlegte Narrative zu bedienen. So sprach er über ein angebliches Neonaziregime in der Ukraine – in einem Land, das mehr als acht Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg bei Kämpfen gegen den Nationalsozialismus verloren hat. Auch die falsche Behauptung über einen Völkermord an russischen Menschen in der Ostukraine 2014 wiederholte Putin. Seinen Angriffskrieg auf die Ukraine stellte er als Verteidigungsmaßnahme dar, um sich vor dem Westen zu schützen. Die Ukraine selbst bezeichnete er als seine historischen Gebiete, obwohl sie 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion Unabhängigkeit erlangte – und ihre lange sowie wechselhafte Historie bis hin zur Kiewer Rus (als vermeintliche Wiege Russlands) Putins Narrativ aus historischer und wissenschaftlicher Sicht klar widerlegt (Tipp für Interessierte: Das Buch „Ungleiche Brüder – Russen und Ukrainer“ von Andreas Kappeler). Darüber hinaus hielt er dem Westen wörtlich vor, die eigenen Völker zu missbrauchen – durch „die Zerstörung der Familien, der kulturellen und nationalen Identitäten, die Perversion und Misshandlung von Kindern bis hin zur Pädophilie“. Letztere werde im Westen zu einer Norm erklärt, während Geistliche genötigt seien, gleichgeschlechtliche Ehen zu segnen. Viele Russen glauben solchen Darstellungen über den Westen. Wenige Wochen zuvor verschärfte er selbst das Verbot „nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“ in Russland. Wer hierzulande Putin das Wort redet, hat sich ganz offensichtlich von der Realität und Grundwerten unserer Gesellschaft entfernt. Bei Interesse lässt sich die Propaganda Putins in seiner Rede zur Nation aus dem Jahr 2023 etwa ab Minute 17 nachhören – aber auch der Rest hat es in sich (YouTube: „LIVE: Rede von Wladimir Putin zur Lage der Nation 2923“, ntv). Er stellte sein Volk mit dieser Rede auf einen langen Krieg ein. Das Thema Russland-Ukraine trifft in der Lausitz auf unterschiedliche Ansichten – und diese unterscheiden sich auch strukturell von Meinungsbildern in den alten Bundesländern. Menschen mit DDR-Vergangenheit kennen das „Feindbild Westen“ aus selbst erfahrener Propaganda, waren einst den Russen als Brudervolk zugetan und gegen den amerikanischen Imperialismus geschult. Nach der Wende waren für viele Ostdeutsche die gefühlte Übernahme durch den Westen und sein oft überheblich wirkender „Sieg“ über die Ost-Identität sowie ein extremer Strukturbruch die ersten Demokratie-Erfahrungen. In der Folge haben viele Ostdeutsche ein ambivalentes Verhältnis zur Demokratie, zum nun wieder viel beschworenen „Westen“ der Welt und eher als Westdeutsche Sympathien für Russland und Putin als vermeintlichen Underdog, der sich gegen diesen Westen behauptet. Energiepreise, Inflation und Migration sowie die Folgen der Dauerkrisen verstärken die Abschottung gegen westliche Eliten. So geht der Mehrzahl der im Januar 2024 beim ARD-DeutschlandTREND befragten Ostdeutschen die finanzielle Unterstützung der Ukraine zu weit (52 Prozent, Vergleich Westdeutschland: 38 Prozent). Ebenso meinte jeder zweite Ostdeutsche, dass Deutschland die Ukraine weniger stark mit Waffen unterstützen sollte. Im Westen sagte das nur jeder Dritte. „Wladolf Putler“? Russland betrachtete sich in der durch sie besetzten DDR als Befreier der Bürger aus dem Faschismus. Heute will Wladimir Putin die Ukraine „entnazifizieren“. Dabei hat sich Russland unter Putin selbst zu einem faschistischen Staat entwickelt. Per Definition nach Robert Paxton ist Faschismus „eine Form des politischen Verhaltens, die den Niedergang der eigenen Gemeinschaft und ihrer Opferrolle Einheit, Stärke und Reinheit gegenüberstellt. In der eine Partei nationalistischer Kämpfer demokratische Freiheiten aufgibt und mit messianischer Gewalt und ohne ethische oder rechtliche Beschränkungen Ziele der internen Säuberung und externen Expansion verfolgt“. Es ist die exakte Beschreibung des heutigen Russlands. Dabei orientiert sich Putin weniger an Faschist Adolf Hitler, sondern vielmehr an Benito Mussolini. Aus Putins Sicht wird die russische Nation nicht als „Rasse“, sondern durch einen „gemeinsamen kulturellen Code“ zusammengehalten. Er glorifiziert die russische Vergangenheit – und nutzte sie in den vergangen 20 Jahren als Vorwand zur Militarisierung. Er brachte die russische Wirtschaft unter seine Kontrolle und machte Russland zum Land der Vollstreckungsbehörden. Politische Gegner werden in letzter Konsequenz eliminiert. Nawalny ist nur ein aktuelles Opfer, die Liste ermordeter „Putingegner“ ist lang – ob nun im In- oder Ausland. Putins Weg begann

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