lausebande-03-2024

Titelthema ‹ 71 rium. Sachsens Kultusminister Christian Piwarz wirft der Stiftung Realitätsferne vor: „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird durch den Vorschlag von verkürzten Kita-Zeiten torpediert. Unter diesen Bedingungen wäre kein Vollzeitjob für Eltern denkbar.“ Er verweist zugleich darauf, dass in Sachsen ausreichend Kitaplätze vorhanden sind. Diesen Unkenrufen zum Trotz machen einige Kommunen und Landkreise bereits den Praxistest. So hat die Stadt Osnabrück in Niedersachsen im Sommer 2023 die Öffnungszeiten in neun von elf städtischen Kitas radikal reduziert: Krippengruppen bis 14.30 Uhr, Kitagruppen bis 14 Uhr. Allerdings wurden zuvor alle Eltern gefragt, ob sie Bedarf für längere Betreuungszeiten bis maximal 16 Uhr haben. Alle Eltern, die einen solchen Bedarf geäußert haben, weil sie beispielsweise länger arbeiten, können nach der Kernöffnungszeit die gruppenübergreifenden Randöffnungszeiten nutzen. Stadtvertreter Wolfgang Beckermann: „Aufgrund des hohen Fachkräftemangels haben wir mit dieser Umstrukturierung nun ein Modell geschaffen, das Kindern mit Bedarf eine Betreuung bis in den Nachmittag gewährleistet und gleichzeitig das Personal effizienter eingesetzt werden kann. Wir schaffen damit Verlässlichkeit.“ Einige freie Träger haben nachgezogen und setzen dieses Modell ebenfalls um. Andere niedersächsische Kommunen haben in Osnabrück bereits nachgefragt, wie sich die reduzierten Öffnungszeiten in der Praxis bewähren. Zusätzlich hat die Stadt Osnabrück ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und die Kinderbetreuung zu verbessern. In den Neubau, Ausbau und die Renovierung von Kitas investiert die Stadt bis 2027 ca. 53 Millionen Euro. Zudem wurde eine Job-Offensive gestartet, um neue Fachkräfte und Auszubildende für die städtischen Kitas zu gewinnen. Dazu wurden 50 Einzelmaßnahmen umgesetzt, wie die Schaffung zusätzlicher Studienplätze, die Erleichterung des Quereinstiegs, die Vereinfachung von Bewerbungsverfahren und die Umsetzung von ImageKampagnen. Die aktuelle Situation in Sachsen und Brandenburg Sachsen und Brandenburg könnten die Kinderbetreuung in den kommenden Jahren ebenfalls verbessern – und das ganz ohne eine Kürzung von Öffnungszeiten: „Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Personalschlüssel an das Westniveau anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen. Brandenburg und Sachsen können bis 2030 sogar kindgerechte Personalschlüssel erreichen. Für alle Ost-Bundesländer gilt, dass das aktuell beschäftigte KitaPersonal nicht entlassen werden darf und sogar zusätzlich neue Fachkräfte gewonnen werden müssen“, heißt es im jüngsten Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule der Bertelsmann-Stiftung. Dazu müssten zunächst auf Länderebene die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Das zuständige Ministerium in Brandenburg verweist auf den bereits verbesserten Personalschlüssel. 2015 lag dieser in der Krippe noch bei 1 zu 6. Im Sommer 2025 soll er bei 1 zu 4 liegen. Im Kindergartenbereich gab es in den vergangenen Jahren ebenfalls leichte Verbesserungen. Zudem kommt ab diesem Sommer die lange versprochene Beitragsfreiheit. Sachsen will den Vorschlag ebenfalls aufgreifen und trotz sinkender Kinderzahlen am Personal festhalten. Allerdings hält das zuständige Kultusministerium die wissenschaftlichen Empfehlungen für nicht umsetzbar: „Die Forderungen zum Personalschlüssel in den Kindertageseinrichtungen sind völlig überzogen. Sicherlich wünschen wir uns alle eine optimale Betreuung für unsere Kinder. Aber es muss in der Realität umsetzbar sein“, so Minister Piwarz. Mit Blick auf die hohen Kosten und das nötige Personal sei das nicht zu stemmen. Stattdessen wolle man sich weiter schrittweise um eine Verbesserung des Personalschlüssels bemühen. Aktuell liegt er für die Krippe bei 1 zu 5, die letzte Verbesserung liegt bereits sechs Jahre zurück. Im Kindergartenbereich liegt der Schlüssel bei 1 zu 11,2. „Die Entscheidung über neue Maßnahmen zur Verbesserung der Personalausstattung bleibt dem Sächsischen Landtag vorbehalten und wird – so denn dieser Weg weiterverfolgt wird – mit dem Beschluss über den Landeshaushalt 2025/2026 getroffen“, heißt es vom Ministerium. Aufgrund der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen wird dies voraussichtlich erst im Frühjahr 2025 der Fall sein. Ein Blick auf die Fachkräftesituation Zugleich braucht es – in allen Bundesländern – Strategien, um mehr Personal für Kitas zu gewinnen und das Bestandspersonal zu entlasten und zu halten. Denn auch in diesem Bereich gibt es aufgrund der schwierigen Arbeitsbedingungen

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