Seite 22 - lausebande-07-2014

Basic HTML-Version

Interview :: Seite 22
Lacht. Das ist eine sehr schöne Frage. Ich finde
schon, dass er ein attraktiver Mann ist.
Nach Ihrer Rolle in „Das Parfüm“ haben Sie als el-
fengleiche Schöne für einen Frauenduft geworben,
können Sie sich vorstellen, nach dem aktuellen
Film für einen Werbeclip in Hausfrauenmanier für
„Fischstäbchen mit Blutmatsche“ herzuhalten?
Das ist ja lustig. Kommt darauf an, wie die produ-
ziert werden. Für mich ist immer wichtig, unter
welchen Umständen ein Produkt hergestellt wird.
Und es kommt auch auf das Konzept an, dass es
eben nicht die typische Hausfrau ist. Ich bin kein
Fan von konservativen Familienmodellen. Das
würde ich in einer Werbung dann natürlich auch
nicht reproduzieren wollen.
In ersten Kritiken wird Ihre Rolle der beherzten,
alleinerziehenden Mutter ähnlich wie die des Mi-
rabellenmädchens in „Das Parfüm“ als herausra-
gend gelobt, was hat Sie bei diesem Film am meis-
ten berührt?
Ich liebe die Buchvorlagen von Andreas Steinhöfel
sehr. Ich bin selbst in einer sehr unkonventionellen
Familie groß geworden. Deshalb mag ich es, wenn
auf eine ganz selbstverständliche Art und Weise die
Normen, die unsere Gesellschaft an Familie anlegt,
auch wiederlegt werden. Auch eine völlig „unnor-
male“ Familie kann ganz toll sein. Ich finde auch
die Geschichte wahnsinnig stark, wie der unterbe-
gabte Rico sich mit dem überbegabten Oskar be-
freundet. Sie sind beide auf ihre eigene Art einsam
und Außenseiter, finden sich und werden zu einem
tollen Team. Das fängt der Film sehr fein ein, ohne
großes Tamtam und ohne Belehrbarkeit.
Der Film wurde von der Filmbewertungsstelle als
„besonders wertvoll“ eingestuft, was können Kin-
der und Familien noch daraus mitnehmen?
Heutzutage Familie zu stemmen, ist eine unglaub-
lich große Aufgabe. Sie ist gesellschaftlich nicht
ideal gestützt, um es vorsichtig auszudrücken. Ich
finde Vorbilder für einen alternativen Entwurf des
Familienlebens sehr wertvoll, in dem sich Men-
schen die Freiheit nehmen, ihre Familie so einzu-
richten, wie sie es in ihrer Lebensrealität gut schaf-
fen. Solche Vorbilder erweitern die Regeln. Man
sieht, dass auch das funktioniert und kann den
Erwartungsdruck von außen infrage stellen. So wie
bei den Dorettis. Die Mutter stellt nicht ihr Kind in-
frage, weil es nicht so begabt ist, sondern die Welt,
weil sie so bescheuerte Maßstäbe einrichtet. Dieses
alternative Vorbild durch einen Film oder ein Buch
zu schaffen, finde ich sehr wichtig.
Sie sind selbst in einer Patchworkfamilie mit sie-
ben Geschwistern aufgewachsen, ist Ihnen da To-
leranz in die Wiege gelegt worden?
Toleranz ist einer der wichtigsten und schwersten
Werte, die es überhaupt gibt. Mir fällt selbst immer
wieder auf, in welchen Punkten ich nicht tolerant
bin, obwohl ich mich für unheimlich tolerant hal-
te. In meiner Erziehung hat Toleranz, der Umgang
mit anderen Menschen und mit Andersartigkeit
eine wichtige Rolle gespielt. Für mich gab es die-
ses klare „falsch“ und „richtig“ nicht. Ich wurde
in der Selbstverständlichkeit groß gezogen, dass
jeder Mensch in einer anderen Lebenswirklichkeit
steckt, die man nicht beurteilen kann, wenn man
sie nicht erlebt hat. Deshalb hatte ich auch nicht
den Maßstab „... der ist aber komisch“, das gab es
bei uns nicht. Auch an der Waldorfschule habe ich
die Auflösung dieser Werte erlebt. Ich war später
dann sehr überrascht, wie stark Intoleranz in unse-
rer Gesellschaft verankert ist.
Eine Großfamilie und Waldorfschule – das ist für
viele schon ein bisschen „anders“, wie begegnen
Sie solchen Vorurteilen?
Wir sind in Berlin groß geworden und Berlin ist
Filmszenen mit Karoline Herfurth (v.l.n.r.): mit Rico, dem Neumieter (Zehrfeld) und beim Bingo-Spiel.