Seite 30 - lausebande-09-2014

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Titelthema :: Seite 30
zählt, sollten Eltern hellhörig werden. Das Mob-
bing Anderer beeinflusst immer auch die Entwick-
lung des eigenen Kindes!
Die Entwicklung
Ist Mobbing nun ein Modethema oder hat es tat-
sächlich zugenommen? Die Antwort ist eindeutig,
aber nicht einfach. Sie hat viel mit dem veränder-
ten Sozialverhalten in unserer Gesellschaft zu tun.
Noch vor 20, 30 Jahren hatten Kinder ein starkes
soziales Netz in ihrem Wohnumfeld oder im Ver-
ein. Zumindest Studien an Schulen bestätigen,
dass Kids heute außerhalb der Klasse kaum noch
über soziale Bindungen verfügen. Wird ein Kind
in der Klasse gemobbt, verliert es damit auf einen
Schlag das gesamte soziale Netz. Das macht Mob-
bing heute viel fataler. Zudem hat gerade in den
Neuen Bundesländern eine soziale Divergenz die
Unterschiede zwischen Kindern verstärkt. „Verlie-
rer“ aus einem schwierigen sozialen Umfeld stehen
„Gewinnern“ aus einkommensstarken Familien in
einem stärker werdenden Kontrast gegenüber.
Andererseits ist das Erziehungs- und Bildungs-
system mit Problemen behaftet: überbelastete,
überforderte oder nicht gut vorbereitete Lehrer,
schlecht ausgebildete Erzieher oder einfach zu we-
nig Personal. Aus diesen Gründen nimmt Mobbing
zu und ist in seinen Auswirkungen extremer als vor
Jahrzehnten.
Woran erkenne ich Mobbing?
Bei Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkei-
ten zwischen Kindern muss nicht gleich immer die
„Mobbing-Keule“ geschwungen werden. Oft ist es
für Eltern auch schwer, Anzeichen eines Mobbings
bei ihren Kindern zu erkennen. Auch hier müssen
wir nach Tätern und Opfern unterscheiden:
Kitas und Schulen auf Vorwürfe oder Nachfragen
zu einem evtl. Mobbing meist sehr abwehrend. Das
gipfelt in Äußerungen wie „bei uns gibt es kein
Mobbing“. Betroffene Eltern sollten sich deshalb
immer vorab kundig machen und z.B. einen Sozi-
alpädagogen oder eine Beratungsstelle aufsuchen.
Wertvolle Tipps, wie man eine kompetente Bera-
tung findet, enthält das Interview mit Wolfgang
Kindler.
Die Unbeteiligten
Mobbing wird von vielen Eltern als ein Problem
Einzelner, Anderer abgetan. Meist denken Eltern,
dass sich beim Mobbing verhaltensauffällige Kin-
der einen Außenseiter suchen – das eigene Kind ist
nicht betroffen, also fühlt man sich nicht angespro-
chen. Genau hier liegt ein großer Irrtum. Mobbing
beeinflusst nämlich immer das gesamte soziale
Umfeld – z.B. die Kitagruppe oder die Schulklasse.
Denn alle Kinder verfolgen den Prozess, der ja dau-
erhaft ist. Sie sehen, dass der Mobber Erfolg hat
und nicht selten auch bei anderen Kindern Bestä-
tigung findet. Wird nichts dagegen unternommen,
wird dieser Prozess auch für alle Unbeteiligten zur
Normalität. Auch die Angst, selbst zum nächsten
Opfer zu werden, kann eine große Rolle spielen.
Hier liegt die Gefahr: Kinder, die als Unbeteiligte
einen Mobbingprozess „begleiten“, werden eben-
so durch diesen sozialisiert und stumpfen ab oder
erleben selbst Angst. Sie lernen, das Leitungsper-
sonen (und evtl. auch Eltern) sowieso nichts gegen
die erfolgreichen Mobber ausrichten können – und
sie wollen sich selbst nicht in Gefahr bringen.
Eltern sollten sich deshalb immer wieder ganz of-
fen mit Kindern über den Tag oder die Woche in
der Kita oder Schule unterhalten. Wenn ein Kind
dann immer wieder von Auseinandersetzungen
zwischen denselben Kindern bzw. Gruppen er-
Mögliche Täterkennzeichen
• zu wenig Konfliktlösungsstrategien
• Impulsiv, geringe Selbstkontrolle
• Körperliche Stärke
• Fehleinschätzung von Fremdverhalten
• geringes Selbstwertgefühl
• Machtausübung
• Wenig Empathie
Mögliche Opferkennzeichen
• kaum Konfliktlösungsstrategien
• ängstlich und aggressiv, hitzköpfig
• körperliche Schwäche
• kommen oft aus überbehüteten Familien
• wenig Selbstwertgefühl
• tyrannisieren
• geringe Sympathie - Ablehnung
Täter-Opfer-Vergleich