lazsuebande-09-2023

64 › Titelthema den Ländern die demografische Entwicklung entgegenkommen. Wenn der Bedarf an Kitaplätzen aufgrund geringerer Geburtenzahlen sinkt, sollte das Personal dennoch gehalten werden. Dann verbessert sich der Personalschlüssel ganz automatisch. Denn nur mit ausreichend Personal können Kitas das leisten, was ihre eigentliche Aufgabe ist neben der reinen Aufsicht und Betreuung: frühkindliche Bildung. Fachleute gehen davon aus, dass sich ein sehr schlechter Betreuungsschlüssel negativ auf die Entwicklungschancen von Kindern auswirken kann. Ist die Personaldecke zu dünn, können Kinder nur noch verwahrt werden, nicht jedoch gefördert und begleitet. Kurzfristig führt der Personalmangel in den betroffenen Einrichtungen zu verkürzten Öffnungszeiten oder geschlossenen bzw. aufgeteilten Gruppen. Es gibt Vorschläge, den Betreuungsanspruch auf eine bestimmte Stundenzahl zu begrenzen, um möglichst vielen Kindern überhaupt einen Kitaplatz anbieten zu können. Zudem könnte man das Personal von bestimmten Aufgaben wie der Dokumentation entlasten. Langfristig wird empfohlen, den Beruf attraktiver zu machen über mehr Wertschätzung und bessere Bezahlung und auch die Ausbildung zu verbessern, hier brauche es eine attraktivere Vergütung. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass mehr pädagogisches Personal in Vollzeit arbeitet. Derzeit liegt die Teilzeitquote bei 60 Prozent der Erzieherinnen. Ein Grund für die hohe Quote ist die Tatsache, dass in diesem Beruf überwiegend Frauen arbeiten, die zu Hause zusätzlich unbezahlter care-Arbeit nachgehen. Allerdings klagen schon jetzt Viele über eine hohe Arbeitsbelastung und schlechte Arbeitsbedingungen, so dass eine weitere Aufstockung der Stundenzahl unwahrscheinlich scheint. Kitas als Bildungsort Früh übt sich: Studien belegen, dass die Grundsteine für den späteren Bildungsweg schon in den ersten drei Lebensjahren gelegt werden. Warum es so wichtig ist, dass auch die Kitas jetzt sowie in Zukunft über ausreichend Personal verfügen, zeigt ein Blick in den Nationalen Bildungsbericht. Er verdeutlicht, dass die frühe Bildung in den ersten Lebensjahren entscheidend ist für den weiteren Bildungs- und Lebensweg. Zuallererst ist Familie DER entscheidende Ort für Bildung. Kinder lernen beim Vorlesen und bei Gesprächen, beim Singen und Malen, beim Basteln und Werkeln, bei Zahlenspielen und Reimen, bei Ausflügen und beim Sport. Dort, wo Familien das nicht ausreichend leisten können, sollte die Krippe und Kita ihren Beitrag leisten – aber eben nur, wenn dafür ausreichend Personal vorhanden ist. So zeigen Untersuchungen, dass ein früher Kitastart positiv auf die Sprachkompetenz von Kindern wirkt. Kinder, die bereits mit einem Jahr oder jünger in eine Kindertagesbetreuung gegangen sind, haben als 7-Jährige einen signifikant höheren Wortschatz als Kinder, die erst mit zwei Jahren oder später in die Kita kamen. Das gilt insbesondere für Kinder, deren Eltern nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Diese Kinder profitieren besonders stark vom Kitabesuch, sie sind aber in Kitas unterrepräsentiert. Dabei würde ihnen der Kitabesuch den späteren Schulbesuch erleichtern. Denn für einen erfolgreichen Schulstart müssen Kinder gut deutsch sprechen – das gilt übrigens nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund. Und die schlechten Ergebnisse in der Lesekompetenz, auf die wir weiter oben eingegangen sind, zeigen den dringenden Handlungsbedarf in diesem Bereich an. Es scheint ganz so, als müssten wir bei der Diskussion um den Lehrkräftemangel schon viel früher ansetzen: nämlich in den Kitas. Das sagt auch der Sozial- und Erziehungswissenschaftler Prof. Kai Maaz: „Die Bildungsschere geht schon in den ersten drei Lebensjahren auseinander, das setzt sich in der Schule fort.“ Lesen Sie das ganze Interview mit ihm auf den kommenden Seiten. Exkurs Mit einer finanziellen Maßnahme sammelt die Stadt Cottbus zurzeit Pluspunkte bei Erzieherinnen und Erziehern. Vorangegangen waren die Tarifverhandlungen für Kita-Kräfte im öffentlichen Dienst. Sie erwirkten ein deutliches Gehaltsplus von über zehn Prozent ab März 2024 und eine Inflationsprämie in Höhe von 3.000 Euro, aufgeteilt auf den Zeitraum von Juni 2023 bis Februar 2024. In der selbsternannten Boomtown Cottbus wurde im August bekannt, dass sich auch Angestellte von freien Trägern über den 3.000-EuroBonus freuen dürfen. Die Stadt übernimmt die Finanzierung. Auch der Landkreis Oberspreewald-Lausitz hat sich dazu bereiterklärt. Weniger Freunde macht sich derweil die brandenburgische Landesregierung. Sie will mehr Erzieher „per Gesetz“ realisieren. In insgesamt drei Schritten soll der rechnerische Betreuungsschlüssel in den Krippen bis 2025 von 1 zu 5 auf

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