Backe backe Kuchen...

Datum: Dienstag, 17. Mai 2016 13:05

 

Tischsitten
Ist das Essen fertig und der Tisch eingedeckt, heißt es: zu Tisch! Kaum eine andere Alltagssituation eignet sich so gut, um Kindern Regeln und Normen zu vermitteln. Der französische Philosoph und Pädagoge Rousseau sprach von „Erziehung durch den Mund“. Kinder brauchen, um ein gesundes Essverhalten zu erlernen, Rhythmen, Regeln und Rituale. Die Mahlzeiten sollten regelmäßig, zu festen Zeiten stattfinden, von Ritualen begleitet und mit Tischregeln untersetzt werden.

Tischsitten sind dabei kein Selbstzweck, es geht vielmehr darum, Achtung vor dem Essen und den Mitessern zu vermitteln und dem Nachwuchs eine gewisse Routine während der Mahlzeiten zu vermitteln. Diese gibt Sicherheit, wenn die Kleinen größer sind und außer-Haus-Mahlzeiten ohne die Eltern erleben. Welche konkreten Regeln bei Tisch gelten, muss jede Familie für sich selbst festlegen. So kann eine Regel lauten: Die Mahlzeit wird gemeinsam begonnen und beendet, beim Essen bleiben alle am Tisch sitzen. Wer kleinere Kinder hat, die sich noch schwer damit tun, lange still sitzen zu bleiben, könnte die Regel abwandeln: Wer fertig ist mit essen, darf aufstehen und spielen gehen. Radio und Fernseher sollten ausgeschaltet sein, denn nur dann können sich alle aufs Essen konzentrieren und sich dabei unterhalten. Auch Zeitung, Handy und Spielzeug sollten tabu sein, damit das Essen nicht zur Nebensache wird. Streiten und Mäkeln sollte ebenfalls unterbunden werden. Mit vollem Mund wird nicht gesprochen. Gegessen wird nicht mit Händen, sondern mit Besteck. Ausnahme sind die ganz Kleinen. Sie können ab etwa 9-12 Monaten mit am Familientisch sitzen und essen. Körperliche Voraussetzungen sind, dass sie selbständig sitzen können, vorher gehören sie nicht in den Hochstuhl. Zudem brauchen sie eine gewisse Geschicklichkeit und Auge-Hand-Mund-Koordination, um das Essen allein in den Mund zu bugsieren, sei es mit dem Löffel oder den Händen. Alternativ oder ergänzend werden die Kleinen gefüttert. Um beim Essen selbständig zu werden, benötigen die kleinen Gourmets anfangs noch Unterstützung und Anleitung. Sobald die Motorik ausgereift und das Interesse da ist, sollten Eltern die Kinder allein essen lassen. Anfangs kommen vielleicht gelegentlich noch die Hände zum Einsatz. Je älter die Kinder, desto besser werden sie ihr Besteck handhaben, spezielles Kinderbesteck mag die Motivation noch erhöhen. Anfangs wird es der Löffel sein, dann die Gabel. Vier- bis Fünfjährige sollten den Umgang mit Messer und Gabel lernen und versuchen, sich ihr Brötchen selbst zu schmieren.

Solange es in die Kategorie Experimentieren fällt, dürfen die Kleinen noch mit dem Brei rummatschen. Ansonsten gilt: Mit dem Essen wird nicht gespielt. Wenn der Nachwuchs älter wird, werden die Regeln angepasst. Dabei kann man die Kinder durchaus mit einbeziehen. Sie werden sich eher an Regeln halten, die sie mitgestalten durften. Sie werden sich vor allem dann an die Regeln halten, wenn die Eltern als Vorbilder fungieren. Daher gilt für die Regeln, die eine Familie für sich aufstellt: Alle halten sich daran!

Sowie die Kinder Regeln und Grenzen am Tisch einhalten sollten, brauchen sie auch Freiheiten. Man kann sie beispielsweise selbst entscheiden lassen, wovon und wieviel sie essen. Gewisse Regeln, wie „Du stehst erst auf, wenn der Teller leer gegessen ist“, gelten als überholt. Die sollten Eltern höchstens noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen, aber nicht mehr an ihre Kinder weitergeben. Wird Essen als Druckmittel missbraucht, verdirbt das den Appetit und nimmt langfristig die Lust am Essen.


So verbreitet sind Tischregeln am Familientisch
75%: Mit dem Essen wird nicht gespielt
72%: Die Mahlzeit wird gemeinsam begonnen und beendet
21%: Mahlzeit wird mit Gebet oder Tischspruch begonnen
16%: Der Teller wird leer gegessen

In jedem Fall wird es Zeit und Geduld brauchen, bis aus einem Essanfänger ein manierlicher Tischgeselle wird. Der große Vorteil, wenn Kinder von früh an ein paar Grundregeln bei Tisch verinnerlichen: Blamagen in Restaurants oder bei Familienfeiern bleiben aus.


Tischgespräche
Sind die Regeln einmal verinnerlicht und etabliert, kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Mahlzeit selbst und das Tischgespräch. Familien sollten die sonst vielleicht rare gemeinsame Zeit nutzen, um sich auszutauschen. Wie war dein Tag? Was war heute besonders schön? Was wollen wir am Wochenende machen? So lässt man alle Familienmitglieder am Alltag der anderen teilhaben, kann sich gegenseitig Rat und Unterstützung geben. Negative Themen, Probleme, Streit, Konflikte (Zimmer aufräumen, Hausaufgaben…) gehören nicht an den Tisch, Essen sollte mit positiven Gefühlen verbunden werden. Der Essenstisch sollte auch nicht zur Kampfarena verkommen. Kommt es zum Disput, weil der Sohnemann nicht essen will, dann sollten die Eltern ihn auch nicht zwingen und die Grundsatzdiskussion darüber, was gegessen wird, auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Ebenfalls tabu: mäkeln. Über das Essen wird geredet, aber nicht gemeckert. Was nicht schmeckt, muss nicht gegessen werden, aber auch nicht abgewertet werden. Schließlich sollte dem Koch eine gewissen Achtung für seine Arbeit gezollt werden, Begriffe wie „eklig“ und „igitt“ gehören nicht an den Tisch. Laut Statistik steht in jeder zweiten Küche ein Fernseher. Wer aber die Gesprächskultur bei Tisch fördern will, sollte den Fernseher auslassen. Die gemeinsamen Tischgespräche fördern die Sprachentwicklung der Kleinen. Die eingangs erwähnte US-amerikanische Studie belegt u.a., dass Kinder, die regelmäßig mit der Familie zu Tisch sitzen, ein größeres Vokabular haben.


Geschmacksbildung
Kinder sollten von Beginn an möglichst viele verschiedene Geschmäcker kennenlernen. Denn: „Wir essen nicht, was wir mögen, sondern wir mögen, was wir essen.“ Diese Aussage des Ernährungsexperten Volker Pudel macht klar: Von wenigen angeborenen Geschmacksvorlieben abgesehen, ist Essen auch eine Frage der Herkunft, Kultur und Erziehung. Dass die Franzosen lieber Weißbrot und die Deutschen lieber Schwarzbrot, dass die Italiener lieber Pasta und die Chinesen lieber Reis essen, verweist auf unterschiedliche Esskulturen. Jede Familie hat ihre eigene durch die Herkunft und das Elternhaus geprägte Esskultur, die sie an ihre Kinder weitergibt. Es liegt an den Eltern, den Kindern eine möglichst breitgefächerte Esskultur mitzugeben.

Je früher Kinder mit verschiedenen Aromen, Gewürzen, Lebensmitteln in Berührung kommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese Vielfalt an Aromen mögen. Das beginnt schon in der Schwangerschaft. Wenn die Frau in der Schwangerschaft häufig Knoblauch isst, dann wird auch das Kind Knoblauch vermutlich mögen. Das setzt sich in der Stillzeit fort. Was Mama isst, gibt der Muttermilch eine entsprechende Geschmacksnote. Wenn das Kind schon in dieser Zeit viele unterschiedliche Aromen kennengelernt hat, so wird es auch mit dem Breistart offen sein für viele Geschmäcker. Kleine Kinder lernen mit einer Mischung auf Neugier und Ablehnung essen. Sie werden viel probieren, manches wieder ausspucken. Je früher sie an unterschiedliche Lebensmittel und Geschmäcker gewöhnt werden, desto vielfältiger wird ihr Speiseplan auch im Jugend- und Erwachsenenalter aussehen. Manche Kinder werden ihr Geschmacksspektrum von sich aus zu erweitern versuchen, andere benötigen Impulse. Eltern sollten Kinder ganz bewusst beim Kennenlernen unterschiedlicher Geschmacksrichtungen anleiten. Bieten Sie die Möhre oder den Kohlrabi roh und gekocht an. Lassen Sie die Putenbrust gewürzt und ungewürzt kosten. Lassen Sie den Unterschied zwischen roter und gelber Paprika erschmecken. Wer das beherzigt, wird es leichter haben, wenn sie irgendwann kommt: die erste Mäkel-Phase.