Background Image
Previous Page  26 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 26 / 64 Next Page
Page Background

Titelthema :: Seite 26

Möglichkeiten der Musikerfahrung

Musik kann also ungemein viel leisten und bewir-

ken. Aber was ist Musik eigentlich? Nach enger

Definition bedeutet Musik die Fähigkeit, Töne nach

bestimmtem Rhythmus und Melodie zu einer Kom-

position anordnen zu können – sei es mit der eige-

nen Stimme oder auf einem Instrument. Wenn man

Musik weiter fassen will, gehört zur Musik nicht nur

das Singen, sondern auch das Spielen von Instru-

menten, das Tanzen, das Erleben von Musik, z.B.

im Konzert. Die meisten Kinder erleben Musik ganz

aktiv spätestens in der Schule, oft auch schon im

Kindergarten, manchmal auch zu Hause. Man geht

davon aus, dass musikalische Erfahrungen der frü-

hen Kindheit bis ins Jugend- und Erwachsenenalter

nachwirken. Will heißen: Wer seine Eltern schon

früh in klassische Konzerte begleitet hat, wird diese

vermutlich auch später noch lieben. Wenn Musik in

Familien nur nebenbei im Radio läuft, werden auch

die Kleinen kaum ein ausgeprägtes Interesse an

Musik entwickeln. Im Grunde ist es mit der Musik

ähnlich wie mit dem Lesen, dem Interesse an Kunst

oder dem Umgang mit Geld: Das Elternhaus prägt

entscheidend die spätere Entwicklung.

Manch ein Erwachsener wird erst durch seine Kin-

der (wieder) musikalisch, traut sich auch außer-

halb der Dusche zu singen, lernt Kinderlieder neu,

besucht Konzerte für Kleine und Große. Wer als

Kind schlechte oder wenig Erfahrung mit Musik ge-

sammelt hat, für den kann der eigene Nachwuchs

durchaus die Chance sein, wieder mehr Musik in

sein Leben zu lassen. Auch wenn Eltern glauben,

sie könnten nicht singen, Experten raten: Mit den

Kindern lieber schief singen als gar nicht singen.

Denn: Musikalisch sein heißt nicht, jeden Ton zu

treffen oder beim Hören von Musik gar zu erkennen.

Musikalisch sein heißt in erster Linie, sich auf Musik

einzulassen, von ihr berührt zu werden, sie zu mö-

gen. Und das ist üblicherweise bei fast allen Kindern

gegeben, zumindest bis zur Schule.

Eine gewisse Musikalität im Sinne von Begabung

steckt in jedem Neugeborenen. Was man daraus

macht, ein Bandmitglied oder einen weltbekannten

Tenor, das hängt ein Stück weit an der Musikerfah-

rung, die Kinder von Beginn an sammeln, sei es zu

Hause, in der Kita, in der Schule oder im Konzert.

Erste bewegende Musikerlebnisse haben die Klei-

nen oft außerhalb: Beim Stadtfest, beim Tag der

offenen Tür an der Musikschule, beim Schülerkon-

schon während der Schwangerschaft musikalische

Begabung fördert, ist umstritten. Tatsache ist: Am

Anfang ist das Hören, das Sehen kommt erst später.

Das Hören ist bei Ungeborenen einer der ersten Sin-

ne, die funktionieren. Etwa ab der 14. Woche bildet

sich das Gehör aus, obwohl der Winzling keine zwei

Zentimeter misst. Etwa zwischen dem 5. und dem

6. Monat kann das Ungeborene Geräusche wahr-

nehmen, zunächst den Herzschlag und das Ma-

gengrummeln der Mutter, später auch ihre Stimme

oder Geräusche von außen. Schwangere merken das

daran, dass das Baby auf Lärm mit Tritten reagiert.

Etwa ab der 27. Schwangerschaftswoche reagieren

Ungeborene auf bekannte Melodien, z.B. von einer

Spieluhr, einer CD oder vom Vorsingen. Diese er-

kennen sie auch nach der Geburt noch wieder.

Sobald das Kleine auf der Welt ist, bleibt das Gehör

einer der wichtigsten Sinne. Da das Neugeborene

anfangs nur verschwommen sieht, erkennt es die

Eltern zunächst vor allem an der Stimme und am

Geruch. Das Gehör ist mit der Geburt organisch voll

entwickelt, es muss aber noch das richtige Hören

lernen. In den ersten Lebensjahren verfeinern und

schärfen die Kleinen den Hörsinn. So müssen sie

erst noch lernen, Geräusche zu orten. Wie alle an-

deren Sinne auch braucht das Gehör Reize und An-

regungen von außen, um sich zu entwickeln. Eltern

machen das oft intuitiv richtig, indem sie den Klei-

nen Vorsingen oder ihnen mit Babysprache, häufi-

gem Wiederholen und einem bestimmten Singsang

„antworten“. In den ersten 12 bis 18 Lebensmonaten

reift das Gehör soweit, dass das Baby in der Lage ist,

selbst Laute zu produzieren. Es brabbelt und plap-

pert zunächst, bis zum ersten Wort dauert es dann

nicht mehr lange.

Musik kann dabei durchaus helfen. Dabei spielt es

anfangs kaum eine Rolle, was für Musik man den

Kleinen vorspielt. So wurde festgestellt, dass Drei-

bis Vierjährige noch nicht in der Lage sind, traurige

von fröhlicher Musik zu unterscheiden oder sie mit

Gefühlen wie Wut oder Freude in Verbindung zu

bringen. Das gelingt dem Nachwuchs erst ab etwa

fünf Jahren. Zunächst orientieren sie sich dabei am

Tempo (langsam/traurig, schnell/fröhlich), später

auch am Tongeschlecht (Moll/traurig, Dur/fröh-

lich). Wann Kinder Musik in ihrer ganzen Ästhetik

wie Erwachsene empfinden, ist nicht ganz geklärt.