„Luxusartikel Kind“

Datum: Donnerstag, 01. September 2016 08:42

Die Landesinitiative für Gebührenfreiheit
Rheinland Pfalz ist bereits jetzt der Beweis, dass eine Gebührenfreiheit für die Kinderbetreuung auch auf Landesebene umgesetzt werden kann. Sie garantiert Kindern ein gleiches Recht auf Bildung von Anfang an – denn Kinder können nichts für das Einkommen ihrer Eltern. Der Brandenburger Danilo Fischbach engagiert sich mit einer Bürgerinitiative für beitragsfreie Krippen und Kitaplätze – siehe www.buergerinitiative-kitaplaetze.de. Vielschichtiger sind die Ziele in der Verbesserung der Kinderbetreuung, die von den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege im Land Brandenburg mit der Kampagne „Gemeinsam für gute Bildung. Von Anfang an!“ verfolgt werden. In der LIGA Brandenburg setzen sich diese derzeit für bessere Betreuungsbedingungen für die Kinder, insbesondere mehr Personal zur Betreuung und eine verlässliche Finanzierung, ein. Auch das ist Gegenstand der Demo am 14. September in Potsdam.


Kampf ums familienfreundliche Cottbus
Zurück zu Cottbus und zur Region unserer lausebande: Hier könnte es jetzt um ein wichtiges Signal für Eltern nicht nur in Cottbus gehen. Denn – machen wir uns nichts vor – eine erfolgreiche Erhöhung der Elternbeiträge und Entlastung der Kommunen wie in Senftenberg und Cottbus kann mit Blick auf die klammen Kommunalhaushalte in der Lausitz Schule machen. Schließlich werden die Gebühren auch andernorts beständig überdacht.
Wie eingangs beschrieben, haben Elternproteste in Cottbus bereits 2012 zu einem Einlenken der Stadt geführt. 4.000 Unterschriften und eine groß angelegte Demonstration mit 2.000 Teilnehmern führten damals zur Rücknahme der Gebührensatzung. Der aktuelle Kampf Cottbuser Eltern um die Mütter Arlett Anderssen und Juliane Züge hat bereits erste Erfolge erzielt. Zum Abschluss einer erfolgreichen Online-Petition konnten im Juli 2016 über 2.100 Unterschriften gegen die neue Kitasatzung an Oberbürgermeister Kelch übergeben werden.


Wie reagiert die Stadt auf den Protest?
Der Fachbereichsleiter im Cottbuser Jugendamt, André Schneider, ist der Meinung, dass der Protest überwiegend nur aus mangelnder Information entstand. Vor allem einkommensstarke Familien nähmen bei den Protesten das Heft in die Hand. Dafür, dass die Kosten bei ihnen so stark steigen, seien sie in den letzten Jahren bevorzugt behandelt worden. Generell sei die neue Gebührensatzung ausführlich mit der AG78 – einem Zusammenschluss aller Cottbuser Kita-Träger – diskutiert worden. Ein Einlenken von Seiten der Stadt scheint nach dieser Meinung des zuständigen Amtsleiters also nicht in Sicht zu sein. Die Eltern müssen also, wie eingangs beschrieben, „Druck auf den Kessel“ geben.


Wie können sich Eltern am Kampf beteiligen?
Arlett Anderssen erfuhr von einem mit dem Thema vertrauten Anwalt, dass entgegen der Aussagen des Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung die neue Satzung nach einer Geltungsdauer von drei Monaten bereits überarbeitet werden darf. Drei Monate, in denen anhaltende Proteste zu einem wiederholten Einlenken der Kommune führen könnten. Zudem plant die Initiativgruppe ein Normen-Kontroll-Klageverfahren, damit Land und Kreis die vollen Zuschüsse an die Stadt zahlen. Wenn die Stadt nichts unternimmt, müssen es eben die Eltern tun. Eine solche Klage verursacht Arbeit und Kosten – bei Erfolg profitieren alle betroffenen Familien. Insoweit hilft jede Unterstützung mit Tat und Geld. Ebenso sind Demonstrationen zahlreicher Eltern ganz sicher ein probates Mittel.
Wer die Initiativgruppe unterstützen möchte, kann auf folgenden Wegen Kontakt aufnehmen:
Facebook-Seite: Petition 2016 
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 
Zur ausführlichen Petition: Website 


Drei Fragen an Juliane Züge und Arlett Anderssen


Sehen Sie noch Chancen für eine Rücknahme der Gebührenerhöhung? Ja, denn zu allererst liegt die Entscheidung, das Einvernehmen mit der Stadt Cottbus herzustellen, bei den jeweiligen Trägern. Die Mehrzahl der freien Träger hat bereits das Einvernehmen hergestellt und die ersten Gebührenbescheide sind mittlerweile bei den Familien angekommen. Nach und nach melden sich immer mehr Mamas und Papas bei uns und teilen uns mit, dass sie auch gern an der Petition teilgenommen hätten, wenn sie DAS vorher gewusst hätten. Die Unterschriftenabgabe unserer Petition ist zwar bereits geschlossen, dennoch können die Familien etwas gegen die neue Gebührenerhebung tun.


Was schlagen Sie denn vor? Nachdem der Gebührenbescheid eingegangen ist, hat jede Familie das Recht, Widerspruch einzulegen. Dazu raten wir auch und stellen auch geeignete Vorlagen mit entsprechenden Begründungen zur Verfügung. Sollte dem Widerspruch nicht stattgegeben werden, ist die nächste Instanz, den Träger zu verklagen. Die Chancen eines Prozessgewinns stehen auch gar nicht so schlecht. Wir haben herausgefunden, dass die neue Gebührensatzung gegen das Kitagesetz verstößt. Laut § 16 (2) des Kitagesetzes des Landes Brandenburgs, sind 88,6 % (Krippe) bzw. 85,2 % (Kita) bzw. 84 % (Hort) der Personalkosten durch das Land Brandenburg und die Kommune zu tragen. Der höchste Elternbeitrag darf die anteilig auf einen Betreuungsplatz entfallenden rechnerischen Kosten des Trägers nicht überschreiben. In der Kalkulation des Höchstbetrages müssen die institutionellen Förderungen von den Kosten abgezogen werden. Schaut man sich hier alleine die Platzkostenrechnung der Stadt Cottbus (für die 4 kommunalen Horte) an, so erkennt man selbst bei einer kurzen Berechnungskorrektur, dass die Eltern mehr zahlen müssen, als sie dürften! Wer also eine Rechtschutzversicherung hat oder ein paar Euro investieren möchte, für den lohnt es sich, einen Anwalt aufzusuchen oder sich mit uns in Kontakt zu setzen. Je mehr Eltern klagen, desto mehr Druck kann aufgebaut werden.


Was muss Ihres Erachtens passieren, um die Stadt nachhaltig und auch für die Zukunft zum Umdenken zu bewegen? Für eine wirkungsvolle Standortpolitik sollte die Stadt Cottbus alles dafür geben, den Status „Familienfreundlichkeit“ zu behalten. Ebenso ist es wichtig, den steuerzahlenden Mittelstand nicht weiter unnötig zu belasten, sondern zu entlasten, damit er Spaß am Leben in Cottbus hat und sein Geld weiterhin in die Stadt investiert. Gerade der bildungsstarke Teil der Cottbuser Bevölkerung hat es leicht, einen Job in einer dann vielleicht attraktiveren Stadt zu finden – und dieser nimmt dann seine (Fachkräfte) Kinder mit. Und wir sind uns sicher, dass er in einer anderen Stadt für die gleiche Arbeit mehr Geld bekommen würde als in Cottbus. Das wiederum würde Investitionen und die Nachfrage vieler Angebote für Familien in der Stadt schwächen. Eine Abwärtsspirale, die ganz sicher ein Katalysator für den sich verschlechternden Ruf der Stadt wäre.

 Autor: Jonas Köhler