Ein Blick in die Röhre

Datum: Dienstag, 26. Januar 2021 14:41

Der Föderalismus und seine Probleme

Die verschiedenen Lernclouds mit all ihren Versäumnissen sind ein typisches Beispiel dafür, wie aufgrund des föderalen Bildungssystems Potenziale vergeudet werden. Angedacht ist ein solches Schulsystem dafür, dass orts- und bürgernah auf die Bedürfnisse der Schüler eingegangen werden kann. Beispiel Lerninhalte: Im Saarland an der Grenze Frankreichs steht Französisch sinnvollerweise als erste Fremdsprache auf dem Stundenplan, in allen anderen Bundesländern Englisch. Zwei wesentliche Probleme sorgen jedoch dafür, dass der Föderalismus für ein höheres Bildungsniveau in Deutschland eher eine Bremse und kein Zugpferd ist:

1. Mangelnder Wettbewerb

Alle drei Jahre werden PISA-Studien durchgeführt, die das Bildungsniveau von Schülern in einem internationalen Nationenranking vergleichen. Manch ein Elternteil mag sich noch an den großen Aufruhr erinnern, den die erste PISA-Studie aus dem Jahr 2000 mit sich brachte. Deutsche Schüler schnitten im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen ab (Position 21 von 32) – das lag deutlich unter den damaligen Erwartungen.

Der „PISA-Schock“ zeigte Wirkung: Vor allem im darauffolgenden Jahrzehnt verbesserten sich die Punktzahlen deutlich. Im Jahr 2018 erreichten die Schüler Deutschlands unter 77 teilnehmenden Nationen immerhin den 20. Platz. Das durch den PISA-Schock angeregte Wettbewerbsdenken und öffentliches Interesse trugen in der Bildungspolitik ihren Teil zu Reformen und Gesetzesänderungen bei, die sich global betrachtet positiv auf die Bildung der Kinder auswirkten.


Der PISA-Test prüft die Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften sowie die Lesekompetenz, die unter den teilnehmenden Nationen erreichten Durchschnittspunktzahlen rangieren i.d.R. in der Spanne zwischen 300 und 600 Punkten. Datenquellen: OECD

Nach 2012 ist jedoch wieder ein Rückgang der Punktzahlen zu beobachten. Die entsprechenden Studien sehen im Bildungssystem nach wie vor Mängel im starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg sowie in Personal- und Ausstattungsproblemen v.a. in ökonomisch schlechter gestellten Schulen. Diese Probleme wurden im Zuge der Coronavirus-Pandemie einmal mehr besonders deutlich sichtbar.

Ein Länderwettkampf wird vermieden

Zwischen den Bundesländern gibt es leider keine vergleichbaren Wettbewerbe, die das Bildungsniveau auf den Prüfstand stellen. Unter Eltern und Schülern bekannt sind VERA3 und VERA8, die deutschlandweit jeweils in den dritten und achten Klassenstufen durchgeführt werden. Hierzu erklärt die Kultusministerkonferenz ausdrücklich: „VERA eignet sich nicht für ein öffentliches Ranking der teilnehmenden Schulen“. Schulen sind nicht mal dazu verpflichtet, die VERA-Ergebnisse zu veröffentlichen.

So kann kein gesundes Konkurrenzdenken unter Schulen oder Ländern entstehen, von dem alle profitieren könnten. Stattdessen entsteht der Eindruck, dass die einzelnen Bundesländer den Vergleich scheuen. Zu sehr wird die „Gefahr“ schlechter Ergebnisse gefürchtet, statt die Chance zu begreifen, von den guten Ergebnissen anderer zu lernen. Einzig die von Arbeitgeberverbänden getragene Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) stellt jedes Jahr mit dem Bildungsmonitor ein Ranking zwischen den Bundesländern auf, welches von den entsprechenden Kultusministern jedoch kaum kommentiert wird.

2. Schlechte Abstimmung

Dass der Föderalismus in Deutschland seine Vorteile nicht ausspielen kann, liegt auch darin begründet, dass die Bundesländer in Sachen Bildungspolitik oft aneinander vorbei arbeiten. Einigungen gibt es nur bei Minimalstandards, die dann alle mittragen. Mit diesem Konsensprinzip bestimmt jedoch immer der Langsamste das Tempo. Das Digital-Dilemma ist eine aktuelle Ausprägung davon: Schon bevor der Digitalpakt beschlossene Sache war, wurde aufgrund der langanhaltenden Diskussionen der Länder wertvolle Zeit vergeudet. Die Zeitpunkte, ab denen die Beantragung möglich war, variierten von Land zu Land und auch die End-Zeitpunkte der Antragsfristen gehen weit auseinander. Ging es um unterstützende Angebote bei der Antragstellung wie (Online-) Veranstaltungen, Roll-out-Pläne oder FAQs, kochte ebenfalls jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Als Resultat sind die Rahmenbedingungen für digitale Bildung sehr verschieden – Bildungsqualität ist stark abhängig vom Wohnort.

Anregung: Föderalismus 4.0

Zwei spannende Thesenpapiere liefern Anregungen dazu, wie die föderale Bildungspolitik optimiert werden könnte: zum einen „Beste Bildung bis 2030“ von der Friedrich-Naumann-Stiftung und zum anderen das ifo-Bildungsbarometer 2020. Die zentralen Wünsche beider Papiere decken sich mit unseren Erkenntnissen: Beide Papiere fordern eine bessere Vergleichbarkeit der Leistungsergebnisse bis hin zur Schulebene und mehr Kooperationen sowohl unterhalb der Bundesländer als auch zwischen Land und Bund. Laut diesen Untersuchungen sollten zudem einzelnen Schulleitungen weitreichende Freiräume bei der Gestaltung der Bildungsinhalte eingeräumt werden.