Schweinchen such !

Datum: Donnerstag, 04. Juni 2015 10:47

Haben Sie sich schon einmal so richtig verfahren, stumpf aufs Navigationsgerät vertrauend? Eine Erfahrung, die immer mehr Menschen teilen. Die Medien nehmen uns das Denken ab und das Kartenlesen scheint eine längst vergessene Kunst der Römer oder der ersten Seefahrer zu sein. Das merkte ich schon bei meinem Junior, der beim Streik der öffentlichen Verkehrsmittel zu Fuß von der Schule am Ende der Stadt in mein Büro finden musste. Stolz stand er eine halbe Stunde später in meinem Büro, reckte mir sein Handy samt Navi entgegen, konnte mir aber überhaupt nicht erzählen, wo er nun langgelaufen ist. Studien besagen, dass junge Menschen keine Karten mehr lesen und sich kaum noch in Städten oder dem Umland orientieren können, wenn Handy oder Navi nicht an Bord sind. Ein Schicksal, dem ich meine Kinder als pädagogisch vorbildlicher Vater nicht überlassen wollte. Also plante ich nach diesem Schlüsselerlebnis einen gemeinsamen Fahrradausflug samt Fahrradkarte. Meine bessere Hälfte konnte wegen eines verstauchten Knöchels nicht mitradeln und fuhr schon mal zum Ziel voraus, einem gemütlichen Ausflugslokal. Für die knapp 10 Kilometer plante ich samt Orientierung und Kartenlesen eine Stunde ein. „Papa zeigt euch mal, wie das funktioniert, ganz ohne den technischen Firlefanz“. Großspurig gab ich meiner besseren Hälfte mein Handy, auch der Junior musste seins abliefern.
Ich hatte extra einen recht komplizierten Weg ausgesucht, bei dem man des öfteren links und rechts abbiegen musste. Offensichtlich zu kompliziert, denn schon nach einer Viertelstunde setzten bei mir erste Unsicherheiten ein. Gemeinsam mit den Kids über die Karte gebeugt rätselte ich innerlich, ob wirklich alle Wege in der Karte verzeichnet waren. Nach außen simulierte ich Sicherheit, Papa weiß natürlich, wo es langgeht! Nach anderthalb Stunden hatte sich das Blatt dann aber gewendet. Ich fluchte auf die Karte. Mein Junior hatte schon vor einer halben Stunde recht skeptisch aufs Impressum der Karte hingewiesen, die doch tatsächlich aus dem Jahr 2006 war. „Mensch Papa, was haste dir da nur wieder andrehen lassen“.  Ich sagte Quatsch da, wir können uns auch an der Natur orientieren. Schließlich sind auch Teiche und kleine Fließgewässer in der Karte eingezeichnet. Leider gibt es gerade von den Letzteren im Spreewald viel zu viele. So irrten wir zwischen Fließen und unergründeten Wegen umher. Meine Kleine jammerte, der Junior moserte, ich schwitzte. Ich versuchte, mit lehrreichen Hinweisen zur Tier- und Pflanzenwelt ringsum abzulenken. „Kaum drei Meter geradeaus fahren können, aber den Naturforscher heraushängen lassen“, war der trockene Kommentar meines Juniors.
Schließlich gab i ch auf: Wir fragten einfach den nächsten  Menschen, der uns über den Weg radelte, nach dem Weg. Es war ein freundlicher Sachse: „Mänsch, hasde gähn Händie?“ war dessen Antwort. Stolz zeigte er mir sein neues Smartphone und erklärte meinen Kids, dass die Sachsen eben immer „rischtisch modärn unn imma midde neueschte Täschnig“ unterwegs sind. Er klimperte in sein Smartphone mit einem Display in Rucksackgröße die Adresse unseres Ausflugslokals und somit Ziels der Odyssee ein. Es lag keine 5 Minuten entfernt! Wir hatten es wohl seit einer Stunde geschickt umkreist. Mein Junior spurtete voran, damit Papa sich nicht wieder verfährt, wie er meinte. Meine bessere Hälfte wartete schon ganz aufgelöst und sah mich vorwurfsvoll an: „Kein Wunder, ich finde ja oft nicht mal von der Arbeit nach Hause.“
Im Restaurant wussten schon alle Bescheid. Schließlich musste meine bessere Hälfte den reservierten Tisch über eine Stunde gegen sächsische Touristen verteidigen, die das Ausflugslokal dank Navi und Orientierungssinn zu Hauf fanden. Die Kellnerin gab prompt allen aus unserer Familie eine Speisekarte, außer mir. „Der Herr hat es ja nicht so mit dem Kartenlesen, richtig?“. Alles lachte. Mein Junior hingegen erzählte der Mama hocherfreut, wie pädagogisch wertvoll ihm Papa die Bedeutung moderner Medien bewiesen hat. „Auch da hat Papa sein Ziel wohl etwas verfehlt.“ Wie wahr!            Euer lausitzDADDY