Völkerverständigung

Datum: Freitag, 23. August 2013 13:06

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht, muss ich gleich sagen, dass ich sehr für Völkerverständigung bin. Ich habe mein Studium sogar an einer Uni hinter mich gebracht, an der jeder dritte Student aus Polen kam und bin daher auch für deutsch-polnische Verständigung. Aber nicht auf meiner Freibadfamilienliegedecke. In den heißen Juli- und Augustwochen waren wir Stammgäste im Freibad Forst, mit seinen Rutschen und der Sprungturmanlage ein Paradies für unsere Kids. Bereits in den ersten Tagen waren das Ausflüge in eine fremde Kultur, offensichtlich ist das Freibad der Ballermann der benachbarten Polen. Jetzt weiß ich auch, dass Polen keinen Sicherheitsabstand kennen und keine Angst vor Nähe haben. Wir sind sicher eine eher alternative und unkomplizierte deutsche Familie, aber auch wir würden einen Zaun um unser Grundstück bauen. Im Wartezimmer einer Arztpraxis lassen wir zwischen uns und den anderen Wartenden einen leeren Stuhl Abstand, wenn es möglich ist. Genauso legen wir im Freibad auf ausreichend Freifläche bis zur nachbarlichen Liegedecke Wert. Mindestens eine Dirk-Nowitzki-Länge. Der polnische Dirk Nowitzki misst leider unter 20 Zentimeter. Und so werden im Forster Freibad aus Nachbarn wirklich Nachbarn. Unsere Kleinen haben sich daran auch überhaupt nicht gestoßen, aber ich wurde zum fremdelnden Deutschen. Ich weiß jetzt, dass die Proxemik das Nähe-Distanz-Verhältnis erforscht und untersucht, wie weit man sich anderen Menschen nähern kann, ohne dass diese Nähe für sie unangenehm wird. So versuchen wir in der Öffentlichkeit zu anderen Menschen einen Abstand von mehr als dreieinhalb Metern einzuhalten. Wird die sogenannte soziale Distanz von 1,20 Metern unterschritten, können wir uns bedroht fühlen. Ich fühlte mich von den unmittelbar angrenzenden polnischen Liegedecken im Freibad bedroht, wahrscheinlich greifen hier auch väterliche Urinstinkte: Ich musste meine Kinder vor der fremden Gefahr beschützen. So entwickelte ich in den Folgetagen verschiedenste Taktiken zur Sicherung unseres Territoriums. Drei zusätzliche Distanz-Decken, die wir gar nicht benutzten, sicherten den nötigen Abstand, reichten aber für die 360°-Perspektive nicht aus. So ließ ich mir von unseren Nachbarn nach deren morgendlichem Gassi die Tüte mit den Hinterlassenschaften ihres Stubenterriers geben. Strategisch gut platziert, reichten die daraus generierten drei Häufchen, die ich in den Folgetagen auf der schwachen Seite unserer deutschen Familien-Liegefestung verteilte, endlich zur Rundumsicherung aus. Bis meine Kleine auf der Wiese auf eine Biene trat, gestochen wurde und sofort nach Papa schrie: Papaaaaa!
Wie David Hasselhoff in seinen besten Baywatch-Zeiten sprang ich von der Decke auf und sprintete los. Den Blick fest auf meine Kleine gerichtet, konnte Superdaddy auf seiner Hilfemission nichts bremsen. Nichts, außer einem der Sicherheitsabstand-Hundehäufchen, auf dem ich barfuß ausrutschte und mitten in eine polnische Familie hineinfiel. Meine Intim-Distanz war futsch, meine Kleine flennte und ich hatte halbfeste Hundekacke zwischen den Zehen.
Als ich meine Kleine dann später getröstet und meine Zehen generalgereinigt hatte, fluchte ich auf unserer Familienliegewiese leise über die polnischen Grenzverletzer an der Ostflanke unseres Freibadterritoriums, die einfach eine unserer Platzhalterdecken zur Seite gepackt hatten. Plötzlich entrüstete sich der dortige Vater: „Isch bin doa gejn Bouhle“. Auch das noch, Sachsen. Die deutsche Ausnahme in Sachen Distanzgefühl. Nur meine Kleine hatte mit der Nähe der umliegenden Internationale deutlich weniger Probleme. Mit schlauem Blick schaute sie mich an und sagte: „Papa, die tun doch nichts. Und wenn doch, bin ich ja hier, um dich zu beschützen“. So verlor ich auch noch die väterliche Schutzfunktion. Was für ein Hundeleben!              

Euer lausitzDADDY