Puppen-Dr. Pille – Auf die sanfte Art

Datum: Dienstag, 05. Mai 2015 09:04

Placebo oder mehr?
Für alle vorgestellten Verfahren gilt: Ihre Wirksamkeit ist nach naturwissenschaftlichen Kriterien nur teilweise oder gar nicht erwiesen. Beide Seiten – Skeptiker und Verteidiger alternativer Heilmethoden – haben „ihre“ Studien, auf die sie verweisen, um die Wirksamkeit zu belegen oder aber zu widerlegen. In einigen Fällen beziehen sich beide Gruppen sogar auf dieselben Studien, interpretieren die Ergebnisse aber völlig unterschiedlich. Für jede Therapieform finden sich Ärzte, Therapeuten und Patienten, die von der Wirksamkeit überzeugt sind. Fast jeder Arzt kann auf erfolgreiche Fälle von geheilten Patienten verweisen. Was die meisten Kritiker eingestehen: Viele Verfahren sind subjektiv wirksam, allerdings gehe diese subjektiv wahrgenommene Wirkung nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Ein Placebo ist ein Scheinmedikament, das keinen pharmakologischen Wirkstoff enthält. Es wird beispielsweise in Studien zur Wirksamkeit neuer Medikamente eingesetzt. Wenn nach der Einnahme der gleiche oder ähnliche Effekt eintritt, wie nach der Einnahme des Wirkstoff-Präparates, spricht man vom Placebo-Effekt. Diese Effekte gibt es tatsächlich, aber ihre Wirkung ist begrenzt. Sie können Symptome lindern, aber keine organischen Schäden heilen.

Während sich also Wissenschaftler, Schulmediziner und Heilpraktiker noch über die Wirksamkeit der jeweiligen Verfahren streiten, hat sich die Alternativmedizin in der täglichen Praxis an vielen Stellen bereits etabliert. Befragungen haben ergeben, dass etwa jeder zweite Patient bereits ein solches Verfahren angewandt hat. Besonders oft wurden Naturheilmittel und Homöopathie genutzt. Im Schnitt gaben 80 Prozent der Befragten an, dass ihnen die Verfahren gut oder zumindest etwas geholfen haben. Auch viele Schulmediziner, Hausärzte wie Kinderärzte, bieten ihren Patienten zusätzlich zu den klassischen Verfahren auch alternative Behandlungsmethoden an. Über die Bundesärztekammer können Ärzte nach entsprechender Weiterbildung Zusatzbezeichnungen erwerben, u.a. für Chirotherapie, Homöopathie und Naturheilverfahren. Von den 342.000 in Deutschland zugelassenen Ärzten haben 16.000 eine Zusatzbezeichnung für alternativmedizinische Verfahren, das sind fünf Prozent der Ärzte. Weitaus mehr Ärzte wenden alternative Heilmethoden bei Bedarf im Alltag an – das gilt sowohl für niedergelassene Ärzte als auch für Klinikärzte. Darüber hinaus wartet Deutschland mit einer Besonderheit auf: Der Beruf des Heilpraktikers ist in dieser Form international einmalig. Das heute noch gültige Heilpraktikergesetz von 1939 erlaubt neben Ärzten auch staatlich anerkannten Heilpraktikern die Behandlung von Patienten, allerdings mit Einschränkungen z.B. bei Infektionskrankheiten und verschreibungspflichtigen Medikamenten. Heilpraktiker müssen eine Prüfung beim zuständigen Amtsarzt ablegen. Für die vorhergehende Ausbildung gibt es mehrere Möglichkeiten. Verschiedene Bildungsträger bieten unterschiedlich lange Kurse an. Auch das deutsche Arzneimittelgesetz räumt Heilmitteln alternativer Verfahren (z.B. Globuli) einen Sonderstatus ein.

Dass der Wunsch vieler Patienten nach „sanfter Medizin“ vorhanden ist, haben auch die Krankenkassen erkannt. Viele Kassen erstatten alternative Heilmethoden mittlerweile ganz oder anteilig. Für die Krankenkassen, aber auch für viele Mediziner gilt mittlerweile offenbar: Wo die Alternativmedizin nicht schadet und wo ihr Nutzen die Kosten überwiegt, sollte sie auch Eingang in die Behandlung finden. Viele Patienten schätzen sie, weil sie als sanfte Medizin gilt: gut verträglich und weitgehend frei von Nebenwirkungen. Der Patient fühlt sich gut aufgehoben und als Mensch ernst genommen. Häufig wird auch das Argument der zusätzlichen Zeit angebracht. Während Patienten der klassischen Schulmedizin oft sehr viel mehr Zeit in Wartezimmern als in Sprechzimmern verbringen, können sich Alternativmediziner und Heilpraktiker ausreichend Zeit für jeden Patienten nehmen. Häufig finden auch Patienten mit chronischen oder schweren Erkrankungen den Weg zum Heilpraktiker. Sie haben jahrelange Odysseen durch Arztpraxen und Behandlungen mit schweren Nebenwirkungen hinter sich. Die Alternativmedizin kann ihre Krankheiten vielleicht nicht heilen, aber sie kann Nebenwirkungen verringern und Schmerzen lindern. Eltern suchen bei Heilpraktikern gern nach einer Alternative zur „chemischen Keule“ für ihre Kleinen. Im Idealfall kann die Gabe von Globuli und Co. sogar die zunehmende Verbreitung von Antibiotika etwas eindämmen.

Wann der Gang zum Schulmediziner erforderlich ist
Was immer Patienten zu einem Alternativmediziner treibt, immer gilt – und da sind sich Schulmediziner und Alternativmediziner einig: Alternative Behandlungsmethoden sollten stets mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Gerade bei ernsten Krankheiten können sie begleitend, aber nie alternativ zur klassischen Schulmedizin angewandt werden. Eltern, denen ergänzend zur Schulmedizin, auch alternative Behandlungsmethoden wichtig sind, sollten einen Haus- oder Kinderarzt suchen, der eine Zusatzausbildung zu Homöopathie oder Naturheilverfahren absolviert hat: Eine entsprechende Arztsuche nach Postleitzahl finden Eltern auf diesen Seiten:

Kassenärztliche Bundesvereinigung
www.kbv.de

Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte
www.dzvhae.de

Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte
www.kinderaerzte-im-netz.de

AOK Ärzteverzeichnis
www.aok-arztnavi.de

Überblick über Alternativmediziner in CB & SPN
www.heilpraktikerverzeichnis-cottbus.de

Wer bisher keine Erfahrung mit alternativen Heilmethoden hat, sollte sich immer zunächst vom Experten beraten lassen: Das kann über einen Therapeuten, Heilpraktiker, Arzt oder Apotheker passieren. Wer einen geeigneten Heilpraktiker sucht, kann sich zunächst im Bekanntenkreis umhören. Professionelle Heilpraktiker haben eine entsprechende Ausbildung und kommunizieren diese nach außen. Auch die Höhe der Gebühren für die Behandlungsmethoden sollte transparent sein. Vorsicht ist geboten, wenn der Heilpraktiker die Heilung aller Beschwerden verspricht. Das ist unrealistisch und das kann oft genug nicht einmal die Schulmedizin leisten. Auch sollte man sich zunächst über einige Punkte im Klaren sein: Welches Verfahren ist für mich bzw. meine Kinder das richtige? Welche Beschwerden sollen behandelt werden? Leichte oder schwere? Akute oder chronische? Je nach Beschwerde, sind unterschiedliche Verfahren zu empfehlen. Einige versprechen eine Heilung der Beschwerden, andere können Symptome lindern oder den Heilungsprozess beschleunigen.

Während bei leichten und chronischen Beschwerden Hausmittel oder alternative Behandlungsmethoden eine gute Wahl sein können, sollten Sie in folgenden Fällen mit Ihrem Kind zum Kinderarzt oder ggf. zum Notarzt. Generell gilt: Je jünger das Kind, desto schneller sollte es einem Arzt vorgestellt werden.

  • Fieber über 38,5 Grad, das länger als zwei Tage anhält (mit Säuglingen schon eher zum Arzt)
  • Unerklärlicher Ausschlag
  • Länger anhaltendes, wiederholtes Erbrechen
  • Länger anhaltende Bauchschmerzen
  • Durchfall, der länger als einen Tag anhält
  • Verdacht auf ernste Erkrankungen (z.B. bei Gefahr einer Scharlach-Ansteckung in der Kita)
  • Atemnot (schnelles oder flaches Atmen, blaue Lippen)
  • Ohnmacht oder Bewusstlosigkeit
  • Krampfanfälle, v.a. wenn sie erstmalig auftreten
  • Blut im Stuhl oder Urin
  • Verbrennungen, die größer als eine Euromünze sind
  • Verschlucken von Gegenständen oder Giftigem
  • Fremdkörper in Nase oder Ohr
  • Schnittwunden, deren Blutung sich nicht von allein stoppen lässt
  • Schwere Stürze oder Schlag gegen den Kopf
  • Knochenbruch
  • Untypisches Verhalten, wie Appetitlosigkeit, Lethargie
  • Akuter Schub einer chronischen Erkrankung