Heilung to go

Datum: Montag, 02. März 2020 14:45


In der großen Kochschule lernen die Kinder gesunde Mahlzeiten zuzubereiten (Foto: © Christiane Schleifenbaum).

Ein Antrag, drei Formulare

Die Kinder- und Jugendrehabilitation müssen die Eltern direkt bei der zuständigen Rentenversicherung beantragen. Welche das ist, steht auf der Renteninformation, die Arbeitnehmer jährlich zugeschickt bekommen. Für den Antrag brauchen sie drei Formulare:

G0200 – Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation für Kinder und Jugendliche (Kinderrehabilitation)
G0600 – Honorarabrechnung zum ärztlichen Befundbericht
G0612 – Ärztlicher Befundbericht zum Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Kinderrehabilitation)

Den Antrag füllen Sie als Eltern aus, den Befundbericht und die Honorarabrechnung der behandelnde Kinder- oder Facharzt. Bei Fragen bieten die Beratungsstellen der Rentenversicherung oder auch die Rehakliniken selbst eine kostenfreie Beratung an. Die Formulare finden Sie unter diesem Link.
Die Klinik wählt in der Regel die Rentenversicherung aus. Wenn Ihnen eine bestimmte Wunschklinik wichtig ist, sollte das im Befundberichtet begründet werden. Sollte Ihr Antrag abgelehnt werden, gehen Sie fristgerecht in Widerspruch. Allerdings war die Ablehnungsquote mit knapp zehn Prozent im vergangenen Jahr relativ niedrig.



Kinder-Reha in Zahlen

Die Kinder- und Jugendrehabilitation macht etwa drei Prozent aller Reha-Leistungen der Deutschen Rentenversicherung DRV aus. 2018 wurden in Deutschland etwa 44.000 Rehamaßnahmen für Kinder und Jugendliche durchgeführt, davon 10.000 über die Krankenkasse als Träger und 33.000 über die Deutsche Rentenversicherung. Bei ihr kamen 1.500 Anträge aus Brandenburg und 3.400 aus Sachsen. Etwa jedes zweite Kind fuhr mit einer erwachsenen Begleitperson zur Reha. Die Ausgaben der DRV für die Kinder- und Jugendrehabilitation lagen 2018 bei 205 Mio. Euro. 

Ambulant oder stationär?

Bis vor gut zwei Jahren stellte sich die Frage für Eltern überhaupt nicht. Denn bis Ende 2016 war nur eine stationäre Kinder-Reha möglich. Zugleich sanken die Zahlen der durchgeführten Reha-Aufenthalte bei Kindern, obwohl der Bedarf weiterhin hoch war. Von 2008 bis 2016 ging die Zahl der Anträge bei der DRV von gut 84.000 auf knapp 54.000 zurück, was einem Rückgang um 36 Prozent entspricht.

Heißt das, unseren Kindern geht es immer besser, sie sind gesünder und brauchen seltener eine Reha? Mitnichten. Die häufigsten Gründe, warum Kinder und Jugendliche eine Reha in Anspruch nehmen, sind Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten wie AD(H)S. Nach Schätzungen des deutschen ADHS-Infoportals sind hierzulande etwa 500.000 Kinder betroffen. Die Zahl übergewichtiger Kinder stagniert seit Jahren auf einem relativ hohen Niveau, etwa 15 Prozent der Kinder in Deutschland gelten als übergewichtig, mit steigendem Alter nimmt ihr Anteil zu.

„In Deutschland gibt es eine halbe Million Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer chronischen Erkrankung von einer Reha profitieren würden. Aber nur 44.000 nehmen sie Anspruch“, rechnet Experte Alwin Baumann vor. Mit seinem bundesweiten Netzwerk für Kinder- und Jugendrehabilitation will er vor allem Familien und Ärzte für das Thema sensibilisieren: „Denn der Hauptgrund für die relativ niedrigen Zahlen ist Unkenntnis. Viele wissen nicht, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt“, sagt Baumann.

Ein weiterer Grund liegt offenbar in der schlechten Vereinbarkeit eines mehrwöchigen stationären Reha-Aufenthaltes mit dem Alltag von Familien. Eine mindestens vierwöchige Fehlzeit auf Arbeit, in der Schule und eben auch zu Hause, wo vielleicht noch gesunde Geschwister betreut werden müssen, stellt die meisten Familien vor eine logistische und organisatorische Herausforderung.
Daher wurde 2017 die ambulante Kinder-Reha etabliert. Eltern können nun gemeinsam mit ihrem Nachwuchs und dem Kinderarzt zwischen einer stationären oder einer ambulanten Reha-Behandlung wählen. Die Vorteile einer ambulanten Reha sind die wohnortnahe Behandlung und der Erhalt des sozialen Umfelds. Die DRV empfiehlt ein Modell mit einer einwöchigen Intensivphase, in der das Kind und ein Elternteil ganztägig in der Klinik sind. Dem schließt sich eine dreimonatige Behandlung mit wöchentlich zwei Nachmittagsterminen zu je drei Stunden an. Die Eltern fehlen also maximal eine Woche auf Arbeit und können für diese Zeit bei der DRV einen Lohnausgleich beantragen. Die Kinder können außerdem während der Intensivwoche weiter zur Schule, sich mit Freunden treffen und evt. auch ihren Hobbys nachgehen. Durch die enge Einbindung der Familie und des sozialen Umfelds sind die Nachhaltigkeit und damit der langfristige Erfolg der Behandlung wahrscheinlicher.

In bestimmten Fällen und bei einigen Erkrankungen kann dennoch eine stationäre Reha sinnvoller sein. Das gilt beispielsweise für Asthma oder Neurodermitis, weil das Kind dann von anderen klimatischen Bedingungen in einem Luftkurort oder am Meer profitieren kann. Auch bei starken seelischen Belastungen wie Mobbing können eine mehrwöchige Auszeit vom gewohnten Umfeld und ein Tapetenwechsel hilfreich sein.

Für die meisten Diagnosen aber kann man sich als Familie guten Gewissens für das ambulante Konzept entscheiden. Hier gibt es derzeit in Deutschland zwei Möglichkeiten: Die ganztägig ambulante Reha in einer stationären Kinderrehaklinik, die im Grunde genauso abläuft wie eine stationäre, einzig die Übernachtung erfolgt zu Hause. Dies geht natürlich nur für Familien, die in direkter Nähe einer solchen Klinik, z.B. an der Ostsee, wohnen.
Besser geeignet scheint in Zukunft die klassische ambulante Reha, welche vor allem in Ballungsgebieten aufgebaut werden soll. Die DRV hat dafür ein Eckpunkte-Papier entworfen, in dem aufgeführt ist, wie diese ablaufen sollte und welche räumlich-personellen Voraussetzungen es braucht. In Cottbus wurden sie quasi eins zu eins umgesetzt. Die Reha Vita hat in der Lausitz-Metropole eines der ersten ambulanten Reha-Zentren in Deutschland geschaffen. „Wir waren bereits bei den Planungen für unser neues Gesundheitszentrum Ostrow und haben diese dann noch mal den Vorgaben angepasst“, berichtet Reha Vita-Geschäftsführer Christian Seifert: „So haben wir u.a. einen Aufenthaltsraum, aber auch Räume für Psychologen, Sozialarbeiter und eine Kinderkrankenschwester geschaffen, die ursprünglich nicht vorgesehen waren.“

Das sagen die Kinderärzte

„Im Alltag sehen wir, dass betroffene Kinder und Jugendliche komplexe Probleme zu bewältigen haben. Wenn aus ärztlicher Sicht erkennbar ist, dass der Therapieerfolg durch die aktive Teilnahme der Eltern maximiert werden kann bzw. eine Trennung vom Elternhaus, von den Geschwistern oder von Freunden entgegen dem Kindeswohl steht, dann ist die ambulante Rehabilitation, so wie sie in der Reha Vita umgesetzt wird, der stationären Reha vorzuziehen.“

Dr. med. Birgit Weidner, Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin

„Unsere Erfahrung hat zeigt, dass eine Ernährungsberatung selten den gewünschten langfristigen Erfolg bringt. Erforderlich sind nicht nur ergänzende Maßnahmen, wie Bewegungseinheiten, sondern auch die Einbeziehung der Familie. Nicht nur beim Kind muss ein Umdenken stattfinden, sondern auch bei den Eltern und Geschwistern. Die ambulante Rehabilitation setzt genau da an. Sie kann gut in den Lebensalltag junger Heranwachsender integriert werden.“

Dipl. med. Cornelia Traue, Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin