Infektionsherd Klassenzimmer?

Datum: Dienstag, 12. Oktober 2021 13:54


Zentrale Lüftungsanlagen können in Schulen selten nachgerüstet werden. Hier kommen mobile Luftreiniger ins Spiel. 

Mobile Luftreiniger als mögliche Alternative

Mobile Luftreiniger sind in der Lage, neben Feinstaub auch Bakterien und Viren aus der Luft zu filtern bzw. zu inaktivieren. Durch einen Beschluss des Bundeskabinetts werden die Länder bei der Beschaffung von mobilen Luftreinigern mit insgesamt 200 Millionen Euro unterstützt, davon fließen rund 6 Millionen Euro nach Brandenburg. Den Vertrag hat mit Britta Ernst als amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz für die Bundesländer ausgerechnet Brandenburgs Bildungsministerin unterschrieben – wie sich gleich zeigt, wurde hier wohl einmal mehr der Bock zum Gärtner gemacht.

Die Millionenförderung ist nur für Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit in Grundschulen und Kitas gedacht – das bedeutet: Räume, in denen man ein Fenster weit öffnen kann, können über diesen Fördertopf nicht mit Luftfiltern ausgerüstet werden. Warum werden nicht alle Räume berücksichtigt? Aus Sicht des Umweltbundesamts ist eine flächendeckende Ausstattung aller Klassenräume mit mobilen Luftreinigern nicht sinnvoll, weil das Lüften grundsätzlich völlig ausreichend sei. Das Förderprogramm des Bundes folgt dieser Ansicht und schränkt den Verwendungszweck dementsprechend ein.

Die fachliche Einschätzung des Physikers Prof. Christian Kähler, Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München, geht jedoch in eine andere Richtung. Er hat in Studien gezeigt, wie wichtig die Geräte zum Schutz von Schülern und Kitakindern sein können. Sie eignen sich hervorragend als Ergänzung zum aktiven Lüften. Die Häufigkeit des Lüftens kann so reduziert und die Beeinträchtigung der Kinder durch Kälte, Zugluft etc. verringert werden. Wenn beispielsweise nur noch währen der Pausen gelüftet werden müsste und eine Unterrichtsstunde von 45 Minuten ohne Lüftungsunterbrechung ablaufen kann, wäre für Schulkinder schon viel getan! Von der Situation in Kitas ganz zu schweigen – hier wird wohl ohnehin kaum eine Erzieherin mit einem Dutzend Kleinkindern im Raum alle 20 Minuten die Fenster aufreißen. Die mobilen Luftfilter könnten nach seiner Empfehlung in Schulen noch durch Plexiglaswände ergänzt werden, die benachbarte Schüler vor der direkten Infektion schützen. So müsste während des Unterrichts grundsätzlich keine Maske mehr getragen werden.

Förderprogramm: bisher nur heiße Luft

Das erwähnte Förderprogramm ist leider bis dato nicht mehr als heiße Luft. Zum Redaktionsschluss lag noch keine Förderrichtlinie vor, mit welcher die Schulträger die Fördermittel des Bundes beantragen könnten. Die bildungspolitische Sprecherin der Brandenburger Linken, Kathrin Danneberg, forderte kurz nach der Ankündigung der Förderrichtlinie Mitte Juli noch: „Wir erwarten jetzt von Britta Ernst, dass sie schnellstens reagiert und alles in die Wege leitet, damit wir in drei Wochen mit Luftfiltern an Schulen und Kitas starten können“. Daraus wurde nichts.

Auch scheint die Fördersumme trotz der großen Einschränkungen im Verwendungszweck nicht ausreichend hoch zu sein. Modelle, die zum Unschädlich-Machen von Viren geeignet sind, beginnen laut Einschätzung öffentlicher Stellen preislich bei knapp 1.000 Euro. Geräuschärmere Geräte mit einer höheren Leistung für größere Räume können mit 3.000 bis über 6.000 Euro zu Buche schlagen. Die Preise wirken wie so oft, wenn der öffentliche Sektor im Spiel ist und die wirtschaftliche Dimension Steuergelder betrifft, überteuert. Das Spreewälder Unternehmen Spreewald Energy, Experte für Energie- und Klimalösungen, führt ausreichend leistungsfähige Geräte bereits im dreistelligen Preisbereich. Für übliche Größen von Klassen- und Kitaräumen um die 50 m2 braucht es kein überdimensioniertes Großgerät. Hier werden fast schon Erinnerungen an überteuerte Maskendeals wach.

Bei den überzogenen Preisvorstellungen für geförderte Geräte könnte man die Anzahl an finanzierten Luftfiltern pro Schule an einer Hand abzählen. Für Schulen kommt erschwerend hinzu, dass in diesem Bundesprogramm nur 50 Prozent der Anschaffungskosten gefördert werden – den Rest muss der Schulträger bezahlen. Leider haben sowohl Brandenburg als auch Sachsen – im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern – auch keine eigenen, zusätzlichen Förderprogramme für Luftfilter aufgelegt.


Im Überblick: So sehen die landeseigenen Förderprogramme für mobile Luftfilter aus – die Bundesländer Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein bieten leider keine an.

Fazit

Kitas, Schulen und vor allem Eltern müssen sich in Brandenburg weiterhin auf Quarantänemaßnahmen und ob des Dauerlüftens erkältete oder durch Zugluft beeinträchtigte Kids einstellen. Es scheint dem gesunden Verstand zu widersprechen, das über den gesamten Winter in Kitas und Schulen tatsächlich alle 20 Minuten die Fenster aufgerissen werden. Es wurde ein Versuch gestartet, über eine Bundesförderung zumindest einen kleinen Teil der Klassenräume mit mobilen Luftreinigern auszustatten. Das ist bis heute nicht gelungen. Die Leidtragenden für dieses Politikversagen, für das Brandenburgs Bildungsministerin in ihrer Position als Präsidentin der Kultusministerkonferenz mit die Verantwortung trägt, sind Kinder und Eltern zugleich. Ein weiteres Chaos aus Homeschooling, Lernrückständen und Fehlzeiten berufstätiger Eltern ist vorprogrammiert. Letztere müssen die Defizite unseres Bildungssystems am Ende ausbaden.

Wo die Politik versagt, gibt es immerhin pragmatische Lösungen durchs Handwerk – wie die Aktion von Spreewald Energy zeigt (siehe Folgeseite). Eigentlich ist es traurig, dass jetzt Handwerksbetriebe, die selbst von der Pandemie und Lieferengpässen betroffen sind. Bleibt zu hoffen, dass dieses gute Beispiel trotzdem Schule macht. Bis in der jungen Bevölkerungsschicht eine ausreichende Durchimpfung erreicht ist, dürfte noch viel Zeit vergehen – und bis dahin sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden.