Kann man auf Versprechen noch vertrauen?

Datum: Montag, 09. Mai 2022 15:14

Der Elternbeirat Cottbus weist auf drei aktuelle Kita-Probleme hin


 
Ein Teil des Cottbuser Elternbeirats vor dem Familienhaus am Puschkinpark

Dass andere Themen Vorrang vor den Bedürfnissen der Kinder bekommen, zeigt sich derzeit in Brandenburg besonders stark. Zusammen mit dem Elternbeirat Cottbus weisen wir auf drei Versprechungen rund um die Kita- und Schullandschaft hin, die aus verschiedenen Gründen ins Stocken geraten sind.

Versprechen 1: die Kitarechtsreform
Der Elternbeirat erklärt hierzu: Am 30. März 2022 informierte Frau Ministerin Britta Ernst darüber, dass die geplante Brandenburger Kitarechtsreform gestrichen wird – bzw. im Wortlaut des MBJS „ausgesetzt“. Hintergrund dieser Entscheidung sei ein Schreiben des Landkreistags an das MBJS, in welchem dieser den Ausstieg aus diesem wichtigen Reformvorhaben erklärt.
Groß und großartig wurde die Reform noch im Koalitionsvertrag angekündigt. Die Kitarechtsreform ist lange überfällig und soll Ordnung in den aktuellen Gesetzeswirrwarr rund um die Kostenverteilung für die Kinderbetreuung bringen. Viele Stunden, Tage und Monate haben die Vertreter des Landes, der Städte und Kommunen, der Träger und auch die ehrenamtlich arbeitenden Elternvertreter um jede noch so kleine Formulierung gerungen. „Seitens der Eltern wurden Stunden damit zugebracht, Stellungnahmen zu erarbeiten und Kompromisse zu formulieren. Immer mit dem Ziel, Verbesserung zu erreichen“, so Ralf Schneider über das Mitwirken vom Elternbeirat Cottbus an der Kitarechtsreform. Am Ende blieb von groß und großartig leider nur noch Minimalismus. Es soll ja nichts kosten! Kostenneutralität ist und war hierbei das Zauberwort des MBJS. Kinder bringen in den Finanzreports der Landesregierung leider erstmal gar keinen Gewinn, zumindest keinen zählbaren. Alles was sie lediglich einbringen, ist ihre Liebe, Vertrauen, Gutmütigkeit und die Hoffnung, dass sie es in der Zukunft besser machen als wir.
Die Kitarechtsreform sollte durch ein Beteiligungsverfahren auf den Weg gebracht werden. Ein Beteiligter, der Landkreistag, ist aus dem Verfahren ausgestiegen, das heißt: Die Landkreise möchten sich nicht mehr an dem Verfahren beteiligen und auch nicht beteiligt werden. Aus Sicht des Elternbeirats sei das aber noch lange kein Grund dafür, das Verfahren aufzuschieben oder die Reform gar einzustellen. Auch freie Kitaträger und Verbände äußerten seitdem öffentlich ihr Unverständnis für das Aussetzen der Novellierung.

Versprechen 2: die Stichtagsregelung zur Einschulung
Ein weiteres wichtiges Vorhaben der Koalition, die Stichtagsregelung zur Einschulung, wurde leider auch noch nicht umgesetzt. Im Kern geht es darum, die Früheinschulung 5-jähriger Kinder zu vermeiden. Daher sollen Kinder künftig am Stichtag 30. Juni sechs Jahre alt sein für die Einschulung, statt wie zuvor am 30. September.  
Ein Blick auf die Homepage des MBJS säht jedoch auch bei diesem Versprechen erste Zweifel bezüglich der tatsächlichen Umsetzung. Dort ist zu lesen, dass die Verlegung des Einschulungsstichtags von September auf Juni mit hohen finanziellen Kosten für das Land einhergehe. Statt einem klaren Plan für die Umsetzung gibt es als Zielsetzung nur die Aussage, dass die Verlegung bis zum Ende der Legislaturperiode erledigt sein soll. Formulierungen wie: „zum Ende der Legislatur“ oder gar: „nächste Legislatur“ bergen jedoch immer das Risiko des Vergessenwerdens und sind kein Zeichen von „Wir packen das jetzt an!“ 
In einem Schreiben wandte sich der Elternbeirat Cottbus direkt an den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, in der Hoffnung, dass es auf dem direkten Weg schneller vorangeht. Der Beirat schlug vor, dass Brandenburg sich an der bereits laufenden Regelung des Landes Baden-Württemberg orientiert. Dort wurde beginnend mit dem 31. August im Schuljahr 2020/21 jedes Jahr der Stichtag um einen Monat nach vorn verlegt, sodass ab dem Schuljahr 2022/23 der Einschulungsstichtag der 30. Juni sein wird. Dies verteile die finanziellen Kosten für das Land auf mehr Jahre und reduziere die Belastung für die Kita-Einrichtungen. Der Ausgang im Land Brandenburg ist hier: ungewiss.

Versprechen 3: die beitragsfreien Kitajahre
Im Gegensatz zu Berlin, wo Kitas seit 2018 beitragsfrei sind, müssen Eltern in Brandenburg nach wie vor für die Betreuung ihrer Kinder in Kindertagesstätten bezahlen. Lediglich das letzte Kitajahr ist aktuell kostenlos. 2022 sollte ein zweites beitragsfreies Jahr folgen – doch dieses Versprechen wurde gebrochen. Stattdessen kommt es erst 2023, ehe ab 2024 für alle drei Kitajahre (3- bis 6-Jährige) keine Elternbeiträge mehr fällig werden. Die zusätzlichen Kosten für den Wunschzustand vieler Eltern ab 2024 belaufen sich einem Gutachten zufolge auf gerade einmal 176 Millionen Euro. Die Beitragsfreiheit würde nur gut ein Prozent der Gesamtausgaben des Landes im Kitabereich kosten. Doch dieses eine Prozent ist offensichtlich zu viel – womit sich der Kreis zum Grundproblem schließt: Die Bildung der Kinder hat in der Landespolitik und dort im Haus von Britta Ernst eine zu geringe Priorität. Auch, dass vorschulische Bildung genauso Bildung ist und für alle Kinder kostenfrei sein muss, scheint noch nicht überall klar zu sein! Der Elternbeirat Cottbus fragt sich mittlerweile, wie viele Vorhaben aus dem gemeinsamen Koalitionsvertrag Brandenburgs eigentlich noch verschoben werden sollen. Die Koalition feierte gerade ihre Halbzeitbilanz. Dem Elternbeirat Cottbus ist nicht nach Feiern zumute, wie Ralf Schneider mitteilt: „Wir schauen mit Sorge auf die zweite Halbzeit und fragen uns, wie die Landesregierung alle ihre verschobenen Projekte noch umsetzen will“. Möglicherweise muss die aufkommende Bildungskrise erst mit voller Wucht zuschlagen, ehe Bund und Land die erforderlichen Milliardensummen für die Bildung unserer Kinder aufbringen.


Ralf Schneider (Elternbeirat Cottbus) an die Landesregierung:
„Liebe Landesregierung, wir sind uns der Schwierigkeiten, welche durch Corona und den furchtbaren Krieg gegen die Ukraine entstanden sind, bewusst, aber man kann und darf diese Gründe nicht für alles einsetzen, was man nicht umsetzten möchte oder meint nicht zu können. Vorschläge, Ideen und Mitwirkung gibt es genügend. Bitte öffnen Sie Ihre Augen und Ohren und packen Sie die Dinge jetzt an! Bitte keine weiteren Verschiebungen, schieben Sie die Interessen unsere Kinder und von uns Eltern nicht weiter auf die „lange Bank“! Was die Politik hierzulande leider noch immer nicht verstanden hat: Unsere Kinder sind unsere Zukunft, an ihnen darf nicht gespart werden!“

Elternbeirat Cottbus: Machen Sie mit!
Fordern auch Sie Ihre Rechte und die Ihrer Kinder vor den politischen Ebenen auf Stadt und Land ein! Je größer der Elternbeirat ist, desto größer und hörbarer ist dieses Gremium. Interessierte Eltern können sich gern per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! darüber informieren, ob ihre Einrichtung bereits im Elternbeirat vertreten ist. Der Beirat unterstützt auch gern, wenn es um die Wahl von Elternvertretern für den Cottbuser Elternbeirat geht. Weitere Informationen finden Sie auch auf der Homepage des Elternbeirats Cottbus.
www.elternbeirat-cottbus.de