Abgehobene Preise – abgehängte Kitakids?

Datum: Dienstag, 06. September 2022 13:45


Während die Preisrakete immer neue Höhen erreicht, fragen wir uns: Welche Folgen hat das für Eltern mit Kitakids? Foto: romrodinka, istock

„Luxusartikel Kind“ zu den Inflationsfolgen für Eltern mit Kitakindern

In Berlin warnt der Verband der Kleinen und Mittelgroßen Kitaträger vor Kita-Schließungen. Schon vor der Pandemie stiegen die Gewerbemietkosten für freie Kitas. Nun könnte die Inflation für das endgültige Aus mancher Kita sorgen. Ein Problem: Während die gesetzlich geregelte Kostenbeteiligung der Eltern am Mittagessen seit mehr als einem Jahrzehnt unverändert bei 23 Euro liegt, sind die Kosten für Lebensmittel deutlich gestiegen. Mindestens genauso schwer könnte die drohende Nachzahlung wegen der gestiegenen Energiepreise wiegen. Dazu kommt noch der finanzielle Kampf um die wenigen Fachkräfte.

Auch in anderen Städten zeichnen sich spürbare Auswirkungen der Inflation für Eltern mit Kita-Kids ab. So prognostizieren die zwei größten Kitaträger in Chemnitz ein Essengeld in Höhe von satten 150 Euro im Monat, wenn im Oktober zusätzlich zu den gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben wird. Parallel steigen auch die Chemnitzer Kita-Beiträge um durchschnittlich fast 7 Prozent. In Brandenburg sorgte wiederum die Gemeinde Groß Kreutz (Havel) für Aufsehen – hier sollen sich die Kitagebühren innerhalb von zwei Schritten teilweise nahezu verdoppeln.

Dass mit der Inflation vielerorts knappe Kalkulationen ins Wanken geraten, ist absehbar und schon heute für alle erlebbar. Doch welche Auswirkungen haben die Preissteigerungen auf die Kitas in der lausebande-Region? Werden sich die Elternbeiträge und das Essengeld in absehbarer Zeit erhöhen?


Es ist kaum möglich, im Brandenburger Kitagesetzesdschungel den Durchblick zu wahren. Foto: cyano66, istock

Im Gesetzesdschungel

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, durchforsteten wir zunächst das Brandenburger Kitagesetz (KitaG) – denn darin ist geregelt, welche Instanzen welche Kosten zu tragen zu haben. Ein Vorhaben, das einer Gesetzesdschungel-Expedition gleicht! Das System ist im Detail tatsächlich sehr kompliziert und an vielen Stellen via Durchschnittsverfahren, Mittelsätzen und Pauschalen vor allem darauf ausgerichtet, dem Gesetzgeber Geld einzusparen. In der Vergangenheit führte das Kitagesetz immer wieder zu Streitigkeiten, die vor Gericht ausgetragen wurden. Das ist dem geschuldet, dass zahlreiche Instanzen an der Finanzierung der Kitas mitwirken – und keine Partei möchte sich benachteiligt fühlen.

Nun aber zum Thema: An der Finanzierung sind gemäß §16 Abs. 1 KitaG, der Landkreis als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Gemeinden, die Betreiber bzw. Träger einer Kita und die Eltern beteiligt.

Der Landkreis übernimmt zwischen 80 und 90 Prozent der Personalkosten – den Rest davon zahlen die Eltern. Darüber hinaus bezuschusst der Kreis die Sprachstandsfeststellung. Der Landkreis bekommt für diese Aufgaben Geld vom Land. Das Land bringt sich darüber hinaus mit weiteren Programmen wie dem beitragsfreien Kitajahr in die Finanzierung ein.

Die Gemeinde trägt die Sachkostenzuschüsse. Diese umfassen alle notwendigen Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten für Gebäude und Grundstücke. Außerdem springt die Gemeinde unter bestimmten Bedingungen ein, wenn eine Kita Finanzlücken aufweist, die gestopft werden müssen. Diese Möglichkeit kommt in den jetzigen Inflationszeiten besonders zum Tragen.

Auch der Betreiber bzw. Träger der Kita hat einen Beitrag zu den Kosten einer Kita beizusteuern. Die Höhe dieser Beteiligung wird im KitaG nicht näher spezifiziert. Sie soll lediglich „angemessen“ sein.

Die Eltern zahlen schließlich alles, was durch die Personalkostenzuschüsse von Land bzw. Landkreis und die Sachkostenzuschüsse der Gemeinde nicht abgedeckt ist. Hinzu kommt ein Zuschuss zum Mittagessen.

Welche Folgen können Eltern erwarten?

Welche Folgen könnten die allgemeinen Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel also für die Elternbeiträge haben? Zur Beantwortung dieser Frage stießen die Jurakenntnisse unserer Redaktion an ihre Grenzen. Wir holten uns Hilfe von mehreren Brandenburger Kitaträgern und können mit deren Einschätzungen Entwarnung für die Eltern geben – allerdings nur fürs Erste.

Gemeinden tragen höhere Kosten

Der erste Preiskoloss – die erhöhten Energiekosten – werden nämlich vollständig an die Gemeinden weitergegeben, auch wenn das nicht eindeutig aus dem Kitagesetz hervorgeht. Das bestätigten uns Michael Kuhl, Pressesprecher von der Fröbel-Gruppe sowie Olaf Stöbe, Vorstand des Naturkindergarten Lübben e.V..

Dennoch ist es möglich, dass dieses Kostenplus langfristig auf die Eltern zurückfällt. Gerade Kommunen mit klammen Haushalten müssen diese Mehrausgaben an anderer Stelle einsparen. Dieser Zugzwang trifft vielerorts auf ohnehin schon knappe Budgets für Bildung, Ordnung und Kultur. In der Folge könnten sich Kommunen schließlich doch dazu gedrängt sehen, einen Teil der Mehrkosten auf die Eltern umzulegen.

Dafür gibt es tatsächlich Spielraum. Die Elterngebühren sind auf zwei Ebenen limitiert: Zum einen dürfen sie die durchschnittlichen Platzkosten abzüglich der Personalkostenzuschüsse des Landes nicht übersteigen. Zum anderen müssen sie sozialverträglich gestaltet sein. Daraus lässt sich ableiten: Wenn mit steigenden Energiepreisen die durchschnittlichen Platzkosten in die Höhe klettern, können die Elternbeiträge solange erhöht werden, wie es zumutbar ist. Wo diese Zumutbarkeit endet, war schon Gegenstand vieler Auseinandersetzungen rund ums Brandenburger Kitagesetz.


Jede Kilowattstunde zählt – von einer Sparmentalität sind auch Kitas und Kommunen nicht befreit. Foto: vchal, istock

Wenn einem der Hunger vergeht

Ähnlich verflochten ist die Situation beim Essengeld. Auch hier werden die Mehrkosten zunächst von der Gemeinde übernommen – so zum Beispiel beim Naturkindergarten Lübben. Dennoch erhöhen erste Träger bereits den elterlichen Zuschuss. Und das ist durchaus nachvollziehbar, denn: Das Essengeld orientiert sich an den Eigenaufwendungen, die Familien sparen, wenn sie ihr Kind nicht zuhause, sondern in der Kita ernähren. Mit steigenden Lebensmittelpreisen erhöht sich auch diese elterliche Ersparnis.

Preisanstieg von Lebensmitteln von Juli 2021 bis Juli 2022

  • Butter: + 48 %
  • Mehl: + 34 %
  • Geflügelfleisch: + 32 %
  • Vollmilch: + 27 %
  • Frisches Brötchen: + 20 %
  • Schnittkäse: + 20 %

Quelle: Verbraucherpreisindex vom Statistischen Bundesamt

Fazit und Vorschläge

Wie stark sich die Inflation letztlich auf die Elternbeiträge und das Essengeld auswirken, scheint aktuell von der Bereitschaft der Gemeinden und Kommunen abzuhängen, diese selbst zu tragen. Leider sind die Finanzhaushalte vielerorts klamm, weshalb höhere Ausgaben für die Bildung der Jüngsten durch die Eltern nicht auszuschließen sind. Konkret können die Elternbeiträge und das Essengeld mindestens so stark steigen wie die Verbraucherpreise für Eltern.

Umso wichtiger erscheint vor diesem Hintergrund eine Unterstützung vom Land. Eine große Entlastung für Eltern – das beitragsfreie zweite Kitajahr – hätte eigentlich ab August 2022 eintreten sollen, wurde jedoch um ein Jahr in die Zukunft verschoben. Hier wurde eine Chance verpasst, Eltern finanziell zu entlasten – ob nun mit oder ohne Inflation.

Immerhin: In vielen Kommunen müssen Familien mit einem besonders geringen Einkommen gar keine oder sehr geringe Kitagebühren zahlen (sog. Mindestbetrag). Eine Erhöhung dieser Schwelle, beispielsweise von einem Jahresbruttoeinkommen von unter 21.000 Euro, wie aktuell in Cottbus, auf zum Beispiel 30.000 Euro, würde ebenfalls eine große Entlastung bringen – insbesondere für diejenigen, die die Auswirkungen der Inflation am meisten zu spüren bekommen.

Eine große Hilfe – sowohl für Eltern, als auch für Kitabetreiber – wäre zudem eine Überarbeitung und Entschlackung des Brandenburger Kitagesetzes. Die aktuelle Landesregierung hatte eine solche Kita-Rechtsform sogar im Koalitionsvertrag vereinbart, ließ sie jedoch fallen und nimmt damit in Kauf, dass sich Gerichte auch künftig um Unklarheiten und Auslegungssachen des KitaG streiten.

Steht bei Ihnen eine Erhöhung der
Kitagebühren oder des Essensgeldes an?
Informieren Sie uns – gern anonym – und wir werden das Thema weiter verfolgen.

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Mitmachen: Zwei Petitionen für gerechte Bildung

Zusätzlich zur Klärung der Rechtsfragen und der Sortierung der Finanzströme gibt es noch zahlreiche weitere Baustellen, für die es im Kitaland Brandenburg seit Jahren Lösungen braucht. Zwei aktuelle Petitionen machen auf die Missstände in der Kindergarten- und Bildungslandschaft aufmerksam, die vor allem zu Lasten der Eltern und der Jüngsten gehen. 

Für den Erhalt der Sprachkitas

„Sprache ist die Grundlage von allem. Auf ihr baut die Bildung auf. Wenn nicht frühzeitig Defizite in der Sprachentwicklung erkannt und behoben werden, kann das den kompletten Bildungsweg junger Menschen negativ beeinflussen“, so Felix Sicker, Stadtverordneter in Cottbus. Das Bundesprogramm zur Finanzierung sogenannter Sprach-Kitas ist jedoch nicht mehr Teil des Haushaltsentwurfs für 2023. Dagegen wurde eine Petition beim Bundestag eingereicht und eine Initiative ins Leben gerufen. Hier können Familien unterzeichnen:

www.sprachkitas-retten.de

Für ein Neudenken des Kitasystems

Der Landeskitaelternbeirat Brandenburg nahm den verordneten Stopp der Kita-Reform zum Anlass, in einer Petition die Anerkennung der frühkindlichen Bildung in Brandenburg zu fordern. Denn von ihr hänge all das ab: Die Aufwertung der Kita als Bildungsort und die entsprechende Ausstattung in Raum und Personal, die Anerkennung der Leistung von Erzieherinnen und Erziehern und nicht zuletzt der kostenfreie Zugang zu bester Bildung. Eltern können sich hier weiter informieren und unterzeichnen:

www.kita-ist-viel-mehr.de