Die große Le(e)hre 2: Maßnahmen gegen Lehrermangel

Datum: Montag, 27. März 2023 15:45


Die endlosen Weiten, mit denen sich Brandenburg vermarktet, drohen bald auch in märkischen Klassenzimmern. Doch auch die meisten anderen Bundesländer haben mit dem Lehrermangel zunehmend zu kämpfen. Was kann dagegen helfen?  Foto: PepRhelan, istock

Teil 2: Ideen gegen den Lehrermangel

Kein Bock auf Schule: In Deutschland fehlen so viele Lehrer wie seit Jahrzehnten nicht. Wachsende Schülerzahlen und diversere Klassen treffen auf zu wenig Personal. Das Problem entwickelt sich bereits seit Jahren und bekam im Januar 2023 besondere Aufmerksamkeit, als die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz dazu Stellung nahm. Die Bildungswissenschaftler sagten 20 Jahre Lehrermangel voraus und empfahlen unter anderen Mehrarbeit für Lehrkräfte, Hybridunterricht, noch größere Klassenstärken und Einschränkungen bei der Teilzeit. Die Vorschläge lösten einen Sturm der Entrüstung bei zahlreichen Verbänden und Gewerkschaften aus.

Seitdem zogen einige Wochen ins Land und wir verschaffen uns einen Überblick. Wie reagieren Brandenburg, Sachsen und Berlin auf den Lehrermangel und welche Schritte unternehmen andere Bundesländer?

Lehrermangel kurz und knapp

  • Mehr als jede zweite Schule in Deutschland startete mit Personallücken ins Schuljahr 2022/23.
  • Der Lehrermangel wirkt sich auf die Leistungen der Schüler aus, die in den vergangenen Jahren nachweislich schlechter wurden – vor allem in Brandenburg.
  • Untersuchungen zufolge zählen Lehrberufe nicht zuletzt aufgrund der Aufgaben außerhalb des Klassenzimmers zu den zeitaufwändigsten Jobs.
  • Über ganz Deutschland hinweg reduzieren daher rund 40 Prozent der Lehrkräfte ihre Stunden und gehen in Teilzeit.
  • Einem geringen Nachwuchsaufkommen stehen viele ältere Lehrkräfte gegenüber, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen.
  • Parallel steigen in vielen Teilen Deutschlands die Schülerzahlen an, insbesondere im Westen und in Berlin. In Brandenburg und Sachsen ist das aufgrund der Strukturentwicklung ebenfalls erwartbar.


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Schönrechnen hilft nicht mehr: Ganz Deutschland sucht nach Lösungen gegen den Lehrermangel. Ein Überblick. Foto: AtnoYdur, istock

Der SOS-Atlas: Das wird deutschlandweit gegen den Lehrermangel getan


Brandenburg
Mehr Assistenten und Nachwuchs – das ist in Brandenburg zur Bekämpfung des Lehrermangels geplant

Brandenburgs Klassenzimmer erwischen die Folgen der starken Abwanderung junger Menschen in der Nachwendezeit hart. Jede siebte Lehrkraft blickt mindestens auf ihren 60. Geburtstag zurück. Nimmt man die über 50-Jährigen dazu, dann geht die Hälfte aller Lehrerinnen und Lehrer in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Schon beim heutigen Anlaufen der absehbaren Massenverrentnung stehen viel zu wenige Nachwuchskräfte bereit, um die Lücken zu schließen – so wird der Bedarf von mindestens 1.800 Stellen zum nächsten Schuljahresbeginn nicht gedeckt werden können, das gestand sich sogar Bildungsministerin Britta Ernst ein.

Kurzfristig: Assistenten statt Lehrer

Die Kanzlergattin geht davon aus, dass es zum neuen Schuljahr nur für 1.600 Neueinstellungen reichen wird. Für die restlichen 200 Stellen plant sie eine Umwidmung – sie sollen für Schulassistenten, Sozialpädagogen und IT-Fachkräfte genutzt werden. Im selben Zuge sollen Lehrerwochenstunden gekürzt werden, die aktuell für Förder- oder Teilungsunterricht eingesetzt werden – schließlich würden ja nicht genügend Kräfte zur Verfügung stehen, um zusätzliche Angebote umzusetzen, die über den Regel-Stundenplan hinausgehen.

Die Pläne ernteten heftige Kritik. Ulrike Mauersberger, Sprecherin des Landeselternrats, sieht die Inklusion in Gefahr und ist davon überzeugt, dass der Wegfall von Unterstützungsangeboten für schwächere Schüler die Leistungsunterschiede innerhalb der Klassen vergrößern würde. Der Brandenburger Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, machte gegenüber dem rbb darauf aufmerksam, dass bei 200 Assistenzstellen für 800 Schulen nicht jede etwas abbekommen könne. Eine Kürzung von voll ausgebildeten Lehrerstunden treffe hingegen viele Schulen hart. Beide Interessenvertreter fordern, für neue Assistenten stattdessen zusätzliche Stellen zu schaffen. Unklar ist bei alledem auch, ob und wie die umgewidmeten Stellen überhaupt besetzt werden sollen – denn auch bei anderen Pädagogen oder IT-Fachleuten herrscht ein Fachkräftemangel.

Über die Stellenumwidmung hinaus möchte das Land mit den Lehrergewerkschaften auch über längere Arbeitszeiten, Anreize für weniger Teilzeit sowie über Arbeitszeitkonten verhandeln – was bei der Lehrerschaft nicht gut ankommt, wie eine Personalversammlung des Schulamtes Cottbus am 22. März zeigte.

Mittelfristig: Bildungsamtsfrauen und -männer

Dass das Schulsystem weiterhin läuft, verdanken wir derweil den Seiteneinsteigern. Sie machten beim Schuljahresstart 2022/23 ganze 30 Prozent der Neueinstellungen aus. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Lehrkräfte wuchs in den vergangenen Jahren soweit, dass ihnen mittlerweile jeder siebte Platz am Lehrpult gehört. Für sie soll der Lehrerberuf nun attraktiver werden. Im Januar sorgte die Landesregierung deshalb dafür, dass unter ihnen künftig nicht nur Masterabsolventen, sondern auch solche mit einem Bachelorabschluss verbeamtet werden können. Bewerber für diese Beamtenlaufbahn müssen mindestens 18 Monate lang verschiedene Qualifizierungen durchlaufen. Der Haken an der Sache: Die Kultusministerkonferenz wird solche Laufbahnen wahrscheinlich nicht bundesweit anerkennen. Ein Wechsel in andere Bundesländer ist damit ausgeschlossen. Die Bezeichnung für die Bachelor-Beamten soll „Bildungsamtfrau bzw. -mann“ lauten.

Langfristig: Lehrernachwuchs von der BTU

Eine Möglichkeit, mehr Lehrernachwuchs zu generieren, schlugen wir in der lausebande-Ausgabe 2022-11 vor: ein Lehramtsstudium in der Lausitz. Schon ab dem Wintersemester 2023 wird das am BTU-Standort Senftenberg Realität. Zunächst mit der Fächerkombination Deutsch und Mathematik können die ersten 50 Studis im Herbst starten. Die Kapazitäten für das Grundschullehramtsstudium sollen anschließend schrittweise auf mehrere Hundert erhöht werden. Außerdem wird das Angebot künftig um Englisch, Kunst, Musik, Sachunterricht, Sport und Sorbisch/Wendisch erweitert. Von Anfang an soll das Lernen im Hörsaal um praktische Erfahrungen ergänzt werden – zum Beispiel in Form von Schulhospitationen, individuell durchgeführten Unterrichtseinheiten oder Praktika in pädagogischen Einrichtungen.

www.kurzelinks.de/lehrer-werden-brandenburg


Berlin
Mehr Jobsicherheit, weniger Klausuren

Rund 900 Lehrer fehlten zu Beginn dieses Schuljahres in Berlin – damit blieb etwa eine von 40 Stellen unbesetzt. Überdurchschnittlich viele Lehrkräfte sind 50 Jahre oder älter (40,4 Prozent im Vergleich zu 34,5 Prozent in Deutschland), gleichzeitig steigen die Schülerzahlen an. Die Fachkräftelücken werden daher auch in der Bundeshauptstadt künftig zunehmen.

Um attraktiver für Lehrkräfte zu werden, verbeamtet das Land sie wieder. Für neu eingestellte Lehrer ist das bereits seit dem vergangenen Sommer möglich. Seit Februar 2023 gilt das auch für bisher angestellte Lehrkräfte, die im Schuljahr 2022/23 höchstens 52 Jahre alt werden.

Der Stadtstaat stellte darüber hinaus weitere Maßnahmen in Aussicht. Lehrkräfte sollen zum Beispiel dadurch entlastet werden, dass im vierten Semester der gymnasialen Oberstufe weniger Klausuren geschrieben werden. Auch in der Fach- und Berufsoberschule werden Klassenarbeiten gestrichen, zudem sollen Vor-Abiturklausuren kürzer ausfallen.

Als weiteres Mittel sollen andere Berufsgruppen stärker in den Unterricht eingebunden werden – beispielsweise Lerntherapeuten, Logopäden, Musik- oder Ergotherapeuten. Zu guter Letzt sollen Schulleitungen mehr Möglichkeiten erhalten, Lehrkräfte von weniger Teilzeit zu überzeugen – indem Lehrer, die häufiger mehr arbeiten, auch besser dafür bezahlt werden.

www.kurzelinks.de/lehrer-werden-berlin 


Sachsen
Leipzig und Dresden bringen die ländlichen Regionen um Nachwuchs

Zum zweiten Schulhalbjahr konnte der Freistaat statt der anvisierten 1.100 Lehrkräfte nur 817 neue Köpfe einstellen, darunter ein Viertel Seiteneinsteiger. Damit künftig kein Unterricht mehr ausfallen muss, wären laut Kultusminister Christian Piwarz mindestens 1.200 zusätzliche Vollzeit-Lehrkräfte notwendig.

Der Anteil von Lehrern Ü50 ist im Freistaat noch höher als in Brandenburg. Vor allem in ländlichen Regionen wie der Oberlausitz gestaltet sich die Nachwuchsgewinnung schwierig. Fast zwei Drittel der jüngsten Bewerbungen gingen in die Ballungsräume Leipzig und Dresden. Um dem wachsenden Mangel entgegenzuwirken, weitet Sachsen zum kommenden Schuljahr den Einsatz von Seitensteigern von ursprünglich nur MINT-Fächern auf alle Fächer aus und erlaubt zudem den Einsatz von Absolventen von Fachhochschulen oder Berufsakademien. Zusätzlich soll das Anerkennungsverfahren für Lehrkräfte aus dem Ausland beschleunigt werden.

www.lehrer-werden-in-sachsen.de 


Baden-Württemberg

Das Bundesland im Südwesten Deutschlands erwartet für den nächsten Schulstart ein Delta von 1.400 unbesetzten Lehrerstellen. Um dem zu begegnen, setzt Baden-Württemberg neben Seiteneinsteigern auf bis zu 500 Pensionäre, die aus dem Ruhestand geholt und zum Aushelfen wieder angestellt werden sollen. Außerdem sieht der Landeshaushalt ein erhöhtes Personalbudget für 500 weitere Lehrkräfte vor.

Bayern

Zum Schuljahresbeginn machte der Bayrische Lehrer- und Lehrerinnenverband auf 4.000 fehlende Lehrkräfte aufmerksam. Ministerpräsident Söder erklärte die Schulpolitik Anfang 2023 dann zum Wahlkampfthema – und begann im Februar, das Lehrerpersonal aus anderen Ländern abzuwerben. Der Freistaat bietet eine Umzugskostenpauschale und weist in der Kampagne auf die hohe bayrische Besoldung hin. Darüber hinaus soll der NC für Lehramtsstudiengänge abgeschafft werden.

Bremen

Das 570.000-Einwohner-Land beklagte zum Schuljahresbeginn 100 offene Stellen. Um diese Lücke künftig zu füllen, vereinfachte der Stadtstaat die Voraussetzungen für den Seiteneinstieg – so müssen Kandidaten statt zweien nur noch ein Studienfach absolviert haben, beispielsweise Biologie für das Bio-Unterrichten. Zudem sollen Teilzeitkräfte ihre Stunden unbürokratischer aufstocken können. Als dritte Maßnahme möchte Bremen künftig ausländische Lehramtsabschlüsse anerkennen und Lehrkräfte mit C1-Sprachniveau unterrichten lassen.

Hamburg

Die Bildungspolitiker der Hansestadt geben sich noch recht entspannt, auch wenn die Bewerberlage insgesamt dünner wird. Während die Teilzeitquote genauso wie in Bremen mit 52 Prozent bundesweit am höchsten ist, strahlt Hamburg grundsätzlich eine hohe Attraktivität auf potenzielle Zuzügler aus – darunter derzeit auch genügend Lehrkräfte. Dennoch erhöht die Stadt kontinuierlich ihre Studien- und Referendariatsplätze.

Hessen

Einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge hätte Hessen ein Überangebot an Lehrkräften. Das sei dem Kulturministerium zufolge jedoch nur eine statistische Überversorgung – tatsächlich werde jede freie Stelle von genau einer Kraft besetzt, hiervon seien 10 Prozent keine vollständig ausgebildeten Lehrkräfte. Der Zukunft begegnet das Land mit einer hohen Zahl an Planstellen, größeren Studienplatzkapazitäten, Seiteneinsteigern und Personal aus dem Ausland.

Mecklenburg-Vorpommern

Im Februar 2023 waren in Mecklenburg-Vorpommern genau 136 Lehrerstellen unbesetzt. Das nordische Land möchte seine Lehrkräfte im Alter weniger arbeiten lassen, um den Beruf attraktiver zu gestalten. So können ältere Lehrer ihre Altersanrechnungsstunden durchschnittlich ein halbes Jahr früher in Anspruch nehmen. Zum Ausgleich finanziert Mecklenburg-Vorpommern 100 zusätzliche Lehrerstellen. Attraktiver wird der Beruf auch in bestimmten ländlichen Regionen, dort erhalten Referandare mehr Geld. 

Niedersachsen

Eine Grundschule in Niedersachsen kam im Februar in die deutschlandweite Presse, weil sie aufgrund ihres Personalmangels eine 4-Tage-Woche einführen wollte. Dafür gab‘s eine Rüge vom Kultusministerium. Tatsächlich befindet sich die Unterrichtsversorgung auf einem Rekordtief. Konkrete Lösungsansätze waren Stand Mitte März noch nicht auffindbar – bisher fand lediglich ein erster Bildungsgipfel zwischen dem Ministerium und verschiedenen Interessenvertretern statt.

Nordrhein-Westfalen

Im einwohnerstärksten Bundesland sind rund 5 Prozent der Lehrerstellen unbesetzt. Ein Maßnahmenpaket des Schulministeriums sieht rigorose Abordnungen zu besonders stark betroffenen Dienstorten und striktere Voraussetzungen für Teilzeit vor – außerdem mehr Seiteneinsteiger, Alltagshelfer und weniger Klassenarbeiten. Zu guter Letzt sollen Lehramtsanwärter die Möglichkeit bekommen, auf freiwilliger Basis frühzeitig selbstständig zu unterrichten. 

Rheinland-Pfalz

Der Lehrermangel schlägt in Rheinland-Pfalz weniger stark zu als in anderen Ländern. Zum Schuljahresbeginn stellte das Land mehr als doppelt so viele Lehrer ein, wie Ruheständler das Klassenzimmer verlassen haben. Einen immer größeren Anteil machen dabei Vertretungslehrkräfte aus, die sich über ein landesweites Portal registrieren können und keine Lehramtsbefähigung nachweisen müssen. Von Kurzzeitaushilfen bis hin zur Klassenleitung übernehmen diese vielfältige Aufgaben.

Saarland

Im Saarland wurde in den vergangenen zehn Jahren ein Viertel der Lehramtsstudienplätze abgebaut, was gegenwärtig für Kritik sorgt. Dem vorhandenen Mangel möchte das Land damit begegnen, dass der Einstellungstermin auf einen Monat vor dem Schuljahresbeginn festgelegt wird. Warum? Um die im Saarland ausgebildeten Kräfte mithilfe einer längeren Eingewöhnungszeit an das Bundesland zu binden. Darüber hinaus hat sich das Land bisher zu keinen weiteren Maßnahmen bekannt. 

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt zahlt ab dem Sommer allen Grundschullehrkräften genauso viel Geld wie ihren Kollegen an weiterführenden Schulen. Schon ab den Osterferien hebt das Land wiederum das Arbeitspensum für alle an: Lehrkräfte sollen dann eine Stunde pro Woche mehr vor der Klasse stehen. Diese können sie sich entweder auszahlen lassen oder sie auf einem Arbeitszeitkonto sammeln. Als dritte Maßnahme sollen Seiteneinsteiger künftig die Möglichkeit zur Verbeamtung bekommen. 

Schleswig-Holstein

Von 22.600 Planstellen waren im Februar mit 200 offenen Stellen verhältlnismäßig wenige frei. Das Land richtet seinen Blick daher vor allem auf die längerfristige Zukunft, möchte bereits Schülerinnen und Schüler für den späteren Lehrerberuf anwerben, mehr Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr in Schuleinrichtungen schaffen, eine landesweite Praktikumsdatenbank einrichten und die Übernachtungskosten während eines Praxissemesters von Lehramtsstudierenden bezahlen. 

Thüringen

Thüringen setzte bereits einen bunten Strauß an Maßnahmen gegen den Lehrermangel um: Verwaltungsassistenten zur Entlastung von Schulleitungen, die Einführung der Verbeamtung von Lehrkräften, Gehaltserhöhungen für Grund- und Realschullehrer, einen Zuschlag für Lehrer in strukturschwachen Regionen und eine Werbekampagne. Angehende Lehrer sollen zudem nicht mehr nur in Erfurt und Gera, sondern auch an Regionalstellen in kleineren Städten ausgebildet werden. 


Zusammenfassung und Fazit

In unserem Familienmagazin richten wir unseren Fokus meist auf Brandenburg – und haben regelmäßig diverse Gründe zu Kritik an der Bildungspolitik des Landes. Erweitert man den Blick auf ganz Deutschland, wird jedoch klar: der Lehrermangel ist überall und ein Patentrezept zur Bekämpfung dieses Fachkräftedefizits, das auch in vielen anderen Branchen herrscht, gibt es derzeit nicht.

Über viele Länder hinweg etablierte sich bereits die Erkenntnis, dass es ohne Seiteneinsteiger nicht mehr geht. Die Diskussionen um die Unterrichtsqualität, die mit Beginn dieses Phänomens geführt wurden, sind daher nicht mehr zielführend. Lieber holpriger Unterricht als gar keiner, oder? Die Schritte vieler Länder, den Beruf für Seiteneinsteiger schmackhafter zu machen und auf ihre nachträgliche Qualifikation zu setzen, gehen daher in die korrekte Richtung, wenn man keinen vollständigen Kollaps des Bildungssystems erleben möchte.

Der Aufschrei, der den Empfehlungen der SMK – weniger Teilzeit, größere Klassen und Mehrarbeit für Lehrkräfte – entgegenhallte, scheint zu fruchten, denn bisher wagen nur wenige Länder den Vorstoß, das Arbeitspensum von Lehrkräften weiter zu erhöhen. Falls das dennoch eines Tages unvermeidbar wird, sollten die zusätzlichen Stunden zumindest angesammelt und ausgezahlt oder später eingelöst werden können. Als ersten Schritt könnten alle Länder Arbeitszeitkonten für Lehrkräfte einführen – zum einen, um sich endlich im Klaren sein zu können, wie hoch die Arbeitsbelastung stundengenau ist und zum anderen, um besonders motivierten Lehrkräften freiwillige und bezahlte Mehrarbeit zu ermöglichen. Die Idee vom Freistaat Bayern, Lehrkräfte aus anderen Ländern abzuwerben und mit einer überdurchschnittlichen Besoldung punkten zu wollen, wurde von der „Konkurrenz“ gar nicht gut aufgefasst. Es passt zur „Mia san mia“-Mentalität der egozentrischen Bayern – und nährt umso mehr den Wunsch nach weniger Föderalismus in der Bildung. Das würde sowohl in der Qualität der Schulabschlüsse als auch beim Lehrermangel gemeinsame Lösungen erleichtern. Geld ist nun einmal nicht alles – um Lehrer langfristig im Klassenzimmer zu halten, müssen auch die Arbeitsbedingungen passen. Mehr Mitarbeiter für Verwaltungsaufgaben einzustellen, zählt zu den Schritten, die einige Länder dazu unternehmen. Mecklenburg-Vorpommern möchte sogar die Arbeitsbelastung für ältere Lehrkräfte schneller absenken.

Zu guter Letzt spielt aus lausebande-Sicht auch das Kita-Thema in der aktuellen Debatte mit. Was wäre, wenn Kids schon in der Kita flächendeckend, hochwertig und konsequent auf die Schule vorbereitet würden? Das könnte die Bildungslaufbahn von Kindern insgesamt fördern und die Arbeit von Grundschullehrern dank geringerer Leistungsunterschiede erleichtern.

Weitere Anregungen gegen den Lehrermangel – eine kleine Sammlung

  • Kooperativ arbeiten: Einzelkämpfer-Mentalität ablegen und zum Austausch anregen, der über das Lehrerzimmer hinausgeht – um zusammenzuarbeiten und gemeinsam Konzepte für den Unterricht zu entwickeln
  • Duales Lehramtsstudium: junge Lehrkräfte während ihrer universitären Ausbildung schneller in die Praxis bringen – um zu lernen und gestandene Lehrkräfte zu entlasten
  • Mehr Lehrkräfte in die Fläche bekommen: Nachwuchsprobleme gibt es auf dem Land eher als in Metropolen – daher könnten (finanzielle) Anreize geschaffen werden, um das „Lehren in der Provinz“ attraktiver zu gestalten