Bildung daheim – das Corona-Experiment

Datum: Donnerstag, 30. April 2020 15:10

Die Kompetenzfelder für Bildung daheim

Die bisherigen Erfahrungen der Eltern im Bereich Homeschooling differenzieren sehr stark, das bestätigen aktuelle bundesweite Umfragen. Der Landeselternbeirat Brandenburg rief auf seiner Webseite dazu auf, dass Eltern von ihren Erfahrungen mit dem Homeschooling berichten. Er verfolgt das Ziel, Handlungsbedarf für Verbesserungen besser einzuordnen, um für die kommende Zeit eine sinnvolle Unterstützung der Eltern beim Homeschooling zu ermöglichen. Die Ergebnisse sollen an die Landesregierung herangetragen werden. Eltern können sich hier nach wie vor beteiligen – senden Sie dafür einfach Ihre Erfahrungen per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Zum Redaktionsschluss gab es hier leider nur überschaubare Rückmeldungen seitens der Eltern. Aus diesem Grund möchten wir ausdrücklich dazu ermutigen, Erfahrungen mit dem Homeschooling und insbesondere mit schulischen Konzepten dort mitzuteilen, sowohl positiver als auch negativer Natur. Nur so können für die künftige Zeit die richtigen Erkenntnisse gezogen werden und einzelne Schulen auch voneinander lernen.
Auch auf unserer Facebook-Seite unter www.fb.com/lausebande haben wir eine kleine Umfrage gestartet. Die Resonanz ist wie bei den ersten Rückmeldungen an den Landeselternrat sehr durchwachsen. Sie lassen aber bereits verschiedene Hürden für die Bildung daheim erkennen, die wir hier einmal in unterschiedliche Kompetenzfelder gliedern, um dann für diese einzelnen Bereiche auch Lösungen skizzieren zu können.

1. Technische / Räumliche Kompetenzen
Sowohl für schulische als auch frühkindliche Bildung benötigt es sowohl räumliche Voraussetzungen als auch die entsprechende „Hardware“. Das beginnt beim Arbeits- oder Spielplatz mit entsprechender Materialausstattung, endet aber mit zunehmenden Klassenstufen in der Schule vor allem bei der technischen Ausrüstung. Oft wird vorausgesetzt, dass in den Familienhaushalten Internet, Drucker und ein jederzeit verfügbarer Computer oder ein Tablet Normalzustand sind. Einige Haushalte scheitern schon an den Grundlagen, andere Eltern haben mehrere schulpflichtige Kinder und müssen die zur Verfügung stehende Technik selbst im Homeoffice nutzen – hier scheint es viele Hürden schon bei technischen und räumlichen Kompetenzen zu geben. Selbst wenn die notwendigen Dinge vorhanden sind, heißt das noch lange nicht, dass auch jeder mit ihnen klarkommt. Damit sind übrigens nicht nur die Schüler gemeint, auch Lehrern fehlt es oft an ausreichenden technischen Kenntnissen, um Technologien richtig zu nutzen. Bereits in diesem Kompetenzfeld wird schnell deutlich, ob Schulen über ein Konzept verfügen, dass alle Schüler und Lehrer erreicht und bei dem klar ist, wie technische und räumliche Gegebenheiten auf beiden Seiten zur Verfügung stehen und wie im täglichen oder wöchentlichen Lernprozess Schule daheim so ausgerichtet wird, dass Lehrende, Lernende und Eltern gleichermaßen mitgenommen werden und niemand aufgrund fehlender Kompetenzen in diesem Bereich auf der Strecke bleibt. Hier ist also ganz klar die Schule gefragt – oder bei manch frühkindlichen Bildungskonzepten die Kita.

2. Pädagogische Kompetenzen
Heute haben Eltern nicht nur das Lernen, sondern oft auch einen Großteil der Erziehung an Kita und Schule delegiert. Das klassische Bild vom strengen Vater und der fürsorglichen Hausfrau aus „Großvaters Zeiten“ passt heute nicht mehr zum oft freundschaftlichen, manchmal auch genervten Umgang der Generationen in modernen Familien. Eltern sind meist weniger in der Rolle des einstigen Schulmeisters. Hier helfen auch analoge Lernmittel wie Arbeitsblätter oder Arbeitsaufträge oder digitale Lernmittel kaum weiter. Selbst Technik und vorhandenes Wissen helfen nicht, wenn man Techniken der Bildung und Erziehung nicht beherrscht, also einfach gesagt, Wissen und Werte nicht kindgerecht vermitteln kann. In diesem Kompetenzfeld stellt sich also die Frage, wie Kinder und Schüler trotz Ferne zu den pädagogischen Bezugspersonen mit diesen in Austausch bleiben oder Eltern mit entsprechenden Kompetenzen versehen werden können.

3. Fachliche Kompetenzen
Manche Eltern sind schon mit den Bedürfnissen eines Kleinkinds überfordert. Was soll man wann und wie spielen, lernen, erwarten oder fördern? Mit zunehmenden Klassenstufen gesellt sich zu Problemen bei diesem grundsätzlichen Wissen das oft nicht vorhandene Fachwissen. Spätestens wenn es in höheren Klassen an die Infinitesimalrechnung geht, verstehen fast alle Eltern nur noch Bahnhof. Aber auch in Kunst oder Musik wird es für unbegabte Eltern schon früher schwierig. Fehlende fachliche Kompetenzen können durch didaktische Materialien und immer mehr hilfreiche Tools ausgeglichen werden. Man muss heute nicht mehr alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht. Insofern können für Eltern gerade bei den fachlichen Kompetenzen Lösungen vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

4. Organisatorische Kompetenzen
Das zeitliche Management zu Hause ist für viele Familien eine große Herausforderung. Neben Homeoffice oder beruflicher Tätigkeit außerhalb sind Eltern nun oftmals der zentrale Ansprechpartner beim Homeschooling. Nebenbei müssen dann auch noch häusliche Pflichten erledigt werden. Sowohl Eltern als auch Kinder konnten sich nicht auf die Situation einstellen und viele Familien sind mit der Organisation des Tagesprogramms für alle „Beteiligten“ schlichtweg überfordert. Erhält die Organisation der Kinder seitens der Schule keine Unterstützung bzw. keinen Rahmen, kann das Gefühl der Überforderung auf allen Seiten schnell zum Konflikt führen. Für organisatorische Kompetenzen gibt es Techniken, eine ganz einfache umschreibt der Begriff „Wochenplan“. Hier gehen wir bei möglichen Lösungen genauer auf Praktiken ein, die in vielen Schulen bereits zum Lernalltag gehören und die in der besonderen Situation des Homeschoolings oder der Betreuung von Kita-Kindern helfen können.


Aus Sicht der Archimedes Grundschule Forst ist der persönliche Kontakt via Videokonferenz vor allem für jüngere Schüler sehr wichtig. Hier zu sehen: Der „Notfall-Stundenplan“ für die Homeschooling-Zeit. Rot markierte Fächer werden online absolviert, zu den grünen Zeiten sind Nachfragen möglich.

Grundsätzlich sei schon hier ein Fakt benannt, der sämtliche Kompetenzfelder verknüpft. Wenn Eltern erwarten, dass Lehrer mit den heutigen digitalen Möglichkeiten per Videokonferenz ganz normal jeden Unterrichtstag in der gewohnten Struktur abhalten sollten, geht das an der Realität vorbei. Das ist sowohl technologisch als auch pädagogisch kaum umsetzbar – schon für Erwachsene sind Videokonferenzen deutlich anstrengender als der persönliche Austausch. Ein gutes Konzept muss deshalb nicht am maximal Machbaren der digitalen Technik ausgerichtet sein.
So gibt es auch bei den Umfragen des Landeselternrats sowie per Facebook Lichtblicke: Engagierte Lehrer pflegen in einem Mix aus analogen und technischen Mitteln engen Kontakt zu den Schülern, sorgen für gezielte und individuelle Betreuung und beantworten Nachfragen. Einige sind durch die Nachvollziehbarkeit der Schülerarbeit – in digitalen Kanälen wird vieles messbar, was im normalen Unterrichtsgeschehen im Graubereich bleibt – viel besser in der Lage zu erkennen, wer problemlos lernt und wer Hilfe benötigt. Zudem werden viele Eltern stärker einbezogen und sind erstmals tatsächlich in die Schule der Kinder eingbezogen – das kann gerade in sozial schwächeren Familien sehr positive Effekte verursachen. Vielerorts sind Aufgaben und Lernmaterial inzwischen gut strukturiert. Und mit zunehmendem Alter können sich Kinder auch selbst helfen, finden passende Tutorials oder lernen mit Mitschülern in einer Videokonferenz zusammen.