„Immer eine Prise Gefahr“

Datum: Donnerstag, 29. September 2016 15:50

Foto: Jan Siepmann

Interview mit Schauspieler Henning Baum


Henning Baum zählt zu den bekanntesten Schauspielern Deutschlands. Im Oktober kommt „der letzte Bulle“ zum ersten Mal als tragende Figur eines Familienfilms in die Kinos. In „Burg Schreckenstein“ spielt er in der Rolle des Internatsdirektors Rex den verlässlichen Anker für ein Quintett wilder Jungs. Dieser Film war Aufhänger für ein Interview, das uns nachhaltig beeindruckt hat. Es vereint eine Lebensklugheit und Ernsthaftigkeit mit klaren Ansagen an das Leben, wie man sie heute nur noch selten erfährt. Aus diesem Grund haben wir auf das oft übliche Kürzen und Reduzieren verzichtet und geben Henning Baum gern den Raum und die Wertschätzung zurück, die er unserem Familienmagazin mit diesem besonderen Gespräch erwiesen hat:

Eine Frage vorab: Ist es für Sie eigentlich Fluch oder Segen, als „letzter Bulle“ meist mit genau dieser Charakterrolle identifiziert zu werden? Das ist kein Fluch, das ist doch schön. Ich freu mich darüber, wenn die Leute mit dieser Rolle etwas verbinden können. Der „letzte Bulle“ ist eine tolle Rolle gewesen, die viele kennen – und die auch ich nach wie vor mag.


Kinder- und Familienfilme scheinen für Sie hingegen die große Ausnahme zu sein. Was hat Sie ausgerechnet an Burg Schreckenstein so begeistert?
Das Drehbuch! Es war einfach eine gut geschriebene Geschichte, die mich überzeugt hat. Ich konnte mich sofort mit der Figur anfreunden, die ich spielen sollte. Das Ergebnis wirkt auf mich fast so, als wäre der letzte Bulle in die Pädagogik gegangen.

Haben Sie in Ihrer Kindheit und Jugend auch die Bücher gelesen, die dem Film zugrunde liegen?
Nein, aber ich kannte die Geschichten als Hörspiel. Insofern konnte ich auch vorher schon etwas mit den „Schreckies“ anfangen.


In Ihren Krimis standen Sie schon oft mit vermeintlichen Mördern und Schwerverbrechern vor der Kamera, ist ein Dreh mit Kindern einfacher oder komplizierter? Es sind ja nur Kollegen, die diese Mörder und Schwerverbrecher spielen. Der Dreh mit Kindern war für mich eine neue Erfahrung, im Grunde aber gar nicht so unterschiedlich. Ich habe von den Kindern einfach die gleiche Professionalität wie von den Erwachsenen auch erwartet. Wir haben vorher besprochen, welchen Umgang wir am Set miteinander pflegen wollen. Ich habe meine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass sie konzentriert und wachsam sein sollen. Ich habe ihnen aber auch gesagt, dass Fehler passieren und wir immer wieder proben, improvisieren und gemeinsam nach dem richtigen Weg suchen können. Es ist also immer ein sehr professionelles Arbeiten auf Augenhöhe gewesen. Den Kindern wurde nichts nachgetragen, sie wurden aber auch nie mit einer Tafel Schokolade bestochen. Wie bei einer guten Erziehung wussten die Jungs, worauf sie sich einlassen und haben im Zweifelsfall auch eine klare Ansage erhalten.

Also haben Sie am Set auch ein bisschen die Rolle des Lehrers übernommen? Ja natürlich. Die Pädagogik meiner Filmfigur Rex kann ich auch persönlich nur unterstützen. Die ist völlig in Ordnung! Der macht den Kindern auch im Film immer eine klare Ansage und gibt ihnen eine verlässliche Orientierung. Das hat sich gut auf die Arbeit am Set übertragen.


Entspricht Ihre Rolle als Direktor Rex sehr der Buchfigur? Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich gehe aber davon aus, dass dieses sehr gute Drehbuch auch die Figur des Direktor Rex anhand der Romanvorlage angelegt hat. Auf jeden Fall hat diese Figur eine sehr gute Pädagogik! Er ist jemand, der den Jungs viel zutraut und sie gern hat. Er schätzt ihre natürliche Wildheit und fördert gleichzeitig ihre Kreativität, ihren Freiheitswillen. Er fordert den Mut seiner „Schreckies“ heraus, sanktioniert sie aber auch, wenn sie wieder einmal übers Ziel hinausschießen.

Wenn Sie an Ihre eigene Kindheit zurückdenken, welcher von den „Schreckis“ hätte am ehesten dem jungen Henning Baum entsprochen?
Das weiß ich nicht. Ich war ein sehr neugieriges Kind. Es mussten immer Dinge passieren, sonst hätte ich mich gelangweilt. Es musste abenteuerlich zugehen. Genau danach habe ich gesucht, geschnüffelt geradezu. Ich habe beständig Witterung aufgenommen, wo es ein Abenteuer zu erleben gab. Da musste immer eine Prise Gefahr dabei sein. Es musste ein bisschen was auf dem Spiel stehen, man musste etwas wagen. Das hat mich als Kind gereizt. Ich habe versucht, mich in Situationen zu begeben, in denen ich mich prüfen konnte. Bin ich schnell genug, bin ich schlau genug, bin ich stark genug – oder scheitere ich.