Ich bin noch nicht angekommen

Datum: Montag, 30. Januar 2012 13:32

Interview mit Franziska van Almsick

Franziska van Almsick hat eine erstaunliche Laufbahn absolviert, die noch lange nicht zu Ende ist. Nach ihrer Schwimmkarriere und der Geburt ihres Sohnes Don Hugo startete sie 2007 eine zweite Karriere, für die sie sogar den Preis „Beste Karriere nach der Karriere erhielt“. Heute ist sie in vielen Ehrenämtern engagiert, hat mit „Paul Plantschnase“ zwei Bücher übers Schwimmenlernen geschrieben, modelt als Gesicht der Marke C&A – und ist glückliche Hausfrau und Mutter. Im Gegensatz zu vielen anderen Promis ist ein Einblick in ihr Familien- und Privatleben für die Öffentlichkeit tabu. Wir sprachen mit Franziska van Almsick über Familie, den Segen des Schwimmens und den Antrieb, Gutes zu tun:

Ihre Homepage ww.franzi.de trägt auch heute noch Ihren Spitznamen – nervt das nicht manchmal, immer noch mit der „Franzi“ innewohnenden Emotion des jungen Schwimmwunders verbunden zu sein?
Nein, das ist Teil meines Lebens und stört mich überhaupt nicht. Ich werde heute auch mehr mit Frau van Almsick angesprochen – und wenn man den vollen Namen googelt, landet man auch auf dieser Homepage.

Sie haben ihre eigene Familie als 15-jährige mal als „beste Familie der Welt“ bezeichnet – wie viel bedeutet Ihnen Familie heute?
Familie ist das wichtigste, was man im Leben hat. Das gilt heute genauso. Familie bedeutet mir wahnsinnig viel, weil es das ist, was immer bleiben wird. Mittlerweile ist meine Familie auch größer geworden, ich habe einen tollen Mann und einen eigenen Sohn. Die Familie wird in meinem Leben immer an erster Stelle stehen – und erst dann kommt alles andere.

Sie schützen das Privatleben und insbesondere Ihren Sohne Don Hugo sehr vor der Öffentlichkeit, es sind auch keinerlei Bilder im Internet zu finden – wie schwer fällt das bei der oft schamlosen Klatsch- und Sensationspresse?
Das ist harte Arbeit und man muss das mit aller Konsequenz wollen und sehr hinterher sein. Ohne wenn und aber. Man kann nicht sagen, dass man in einem Moment keine Fotos haben möchte – und jetzt, wenn er so süß aussieht, hätte ich gern welche. Es gibt ja auch öffentliche Veranstaltungen wie eine Disneyland-Eröffnung, die auch für meinen Sohn ein tolles Erlebnis wären. Das muss man aber ins Privatleben ziehen, da geht man eben nicht hin und macht das später in Ruhe. Man muss das mit aller Konsequenz machen, auch wenn es sich manchmal sehr schwierig gestaltet. Es ist aber schön, wenn das auch wahrgenommen wird. Viele Dinge, die anstrengen, werden manchmal gar nicht oder ganz anders wahrgenommen. Es freut mich, dass Leute das sehen.

Wenn Sie auf Ihre eigene Kindheit und die große Unbeschwertheit in Ostzeiten zurück blicken – wie viel Unbefangenheit können Sie jetzt Ihrem Sohn als Kind einer prominenten Familie ermöglichen?

Ich weiß gar nicht, ob man das vergleichen kann. Möglicherweise ist es nicht so viel, wie man selbst hatte. Auf der anderen Seite ist es immer schwierig, ein Kind einfach Kind sein zu lassen. Es gibt so viele Erwartungen und Möglichkeiten, hier einen Kurs, da ein besonderes Angebot. Wenn man einfach sehr bewusst lebt, die Dinge auf sich zukommen lässt und die Kinder so lässt wie sie sind, dann ist das schon sehr viel. Vor allen Dingen – und ich glaube das ist ein sehr großer Pluspunkt – ist mein Kind unbekannt und auf der Straße unerkannt – und das gibt ihm einen Freiraum, den er nicht hätte, wenn er in jeder Zeitung wäre.

Sie haben nach der Geburt Ihres Kindes eine erstaunliche zweite Karriere gestartet –  war das enorme Echo mit Werbeverträgen, TV-Aufträgen und Nachfragen um ehrenamtliche Unterstützung für Sie selbstverständlich?

Ich grenze das mit der zweiten Karriere ungern ein. Ich habe nach der Geburt einfach überlegt, was mich in meinem Leben weiter antreibt. Es ging nicht um eine Entscheidung, weil mir der Beifall oder die Öffentlichkeit fehlte. Das sieht man sicher auch daran, wie sehr ich mein Privatleben schütze und eigentlich sehr froh bin, wenn ich wieder aus der Öffentlichkeit heraus bin und einfach Hausfrau sein kann. Aber ich war mein Leben lang Athlet und Sportler, habe jeden Tag gearbeitet, Ziele und Pläne gehabt und wollte eine der Besten sein. Da konnte ich mir nicht vorstellen, plötzlich auf dem Sofa zu hocken und den ganzen Tag nur für mein Kind da zu sein. Deshalb habe ich begonnen, Bücher zu schreiben, zu moderieren – und zum Glück habe ich das Privileg, mir das aussuchen zu können. Dafür bin ich sehr dankbar und weiß auch, dass es nicht selbstverständlich ist.

Hat Sie die ungebrochene Beliebtheit auch zum Start Ihrer zweiten Karriere überrascht?

Darüber habe ich nie nachgedacht. Es ist mir zwischendurch bewusst geworden und da dachte ich schon: Ach toll! Aber am Ende zählt, dass man sich selbst gegenüber ehrlich und treu ist und nicht versucht, jemand anderes zu sein oder darzustellen. Das ist vielleicht mein Credo und mein Erfolgsrezept. Es gibt in Deutschland auch viele andere Athleten, die erfolgreicher waren als ich. Aber ich war mir immer treu, habe immer meine Meinung gesagt und zu den Dingen gestanden, die ich gesagt habe. Ich habe geheult, wenn mir danach war und Jubelsprünge gemacht, wenn mir danach war. Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob das gut ankommt und mich die Leute deswegen mögen. Das hat sich bis heute nicht geändert, so bin ich! Beliebtheit hat da sicher viel mit Glaubwürdigkeit zu tun.

Sie engagieren sich inzwischen in vielen sozialen Projekten, wonach wählen Sie diese aus?

Ich habe viele verschiedene Sachen gemacht und bekomme viele Ideen, Projekte und Schirmherrschaften auf meinen Schreibtisch. Eigentlich müsste ich mich jeden Tag entscheiden, was ich mache und was nicht. Es gibt so viele, die Hilfe benötigen. Ich habe in letzter Zeit aber versucht, da zu arbeiten, wo meine Stärken liegen und nichts zu machen, was gerade hipp und ein angesagtes Thema ist. UNICEF ist eine schöne Geschichte, um in die Welt zu gehen und in der Welt zu helfen. Meine Schwimmprojekte in Deutschland sind aber das, was ich kann. Da hören mir die Menschen gefesselt zu und da kann ich bewirken, was ich mir vorstelle. Die meisten Projekte, die ich mache, haben deshalb irgendetwas mit Wasser zu tun. Deshalb habe ich in 2010 einen eigenen Verein „…für Kinder e.V.“ gegründet, der in Heidelberg gestartet ist und Kindern das Schwimmen vermittelt. Inzwischen erstreckt sich das Projekt auf immer mehr Städte. Das liegt mir am Herzen und es ist auch meine Pflicht, zu helfen. Es geht mir sehr gut und in meiner Situation muss man sich einbringen und das mache ich am liebsten mit dem, wofür ich stehe. Und das ist Wasser.

Kann Ihr Sohn eigentlich schon gut schwimmen – und waren Sie mit ihm auch zum Babyschwimmen?

Letzteres nicht unbedingt – aber er kann schon gut schwimmen. Ich kann ja nicht darüber reden, dass Kinder früh schwimmen lernen sollten und dann selbst jemanden in der Familie haben, der das nicht beherrscht.

Ihre Schwimmkarriere war von extremen Höhen und Tiefen geprägt, vermissen Sie manchmal diese Spannung oder genießen Sie die neue Konstanz in Ihrem Leben?

Man kann das nicht miteinander vergleichen. Es gibt manchmal Situationen, in denen ich mehr Gas geben möchte und wo die Berge und Täler fehlen. Wie früher im Training in den letzten Phasen der Quälerei oder im großen Erfolg, es ganz nach oben geschafft zu haben – das fehlt schon. Aber das ist das Leben. Ich glaube, mein großer Vorteil war, dass ich mich sehr bewusst für das Ende meiner Schwimmkarriere entschieden habe. Bei einem Ende als Schnellschuss oder aus Krankheitsgründen hat man sicher länger daran zu knabbern. Das Sportlerleben war eine besondere Zeit, die ich zur Verfügung hatte, als ich jung war. Ich glaube, ich bin clever genug zu erkennen, dass das jetzt das normale Leben ist.

Sie haben einmal gesagt, Hausfrau und Mutter zu sein, ist auch ein Riesenjob. Wie viel Hausfrau und Mutter lässt Ihr zweites Arbeitsleben eigentlich zu und wie viel nimmt Ihnen anderes Personal ab?

So wie ich es eingangs gesagt habe: Die Familie ist für mich das allerwichtigste und das steht für mich im Vordergrund. Ich bin Hausfrau und Mutter und baue alle Dinge mit ein, die dazu passen. Im Moment ist z.B. die Fashion Week in Berlin und ich bin nicht dort. Wenn ich für alles zu viel Personal hätte, wäre ich jetzt sicher in Berlin. Ich schaffe das aber zeitlich nicht, weil ich meinen häuslichen Pflichten nachkomme und hier den normalen Alltag genieße. Natürlich wartet die Familie auch mal, wenn es etwas Wichtiges in meinem Arbeitsleben gibt – und ganz ohne Kindermädchen geht es auch bei uns nicht.

Erst Weltmeisterin, jetzt Familienmutter, Model, TV-Gesicht, Botschafterin … gibt es für Sie noch einen besonderen Lebenswunsch?

Das wär schade, wenn man alles erreicht hätte. Es ist zwar toll, wenn man so viele Möglichkeiten hat und so viele Türen offen stehen – aber ich bin noch nicht angekommen. Privat ist alles so, wie es sein soll, aber im Berufsleben habe ich diesen wirklichen Job noch nicht gefunden. In den letzten Jahren durfte ich viele verschiedene Dinge tun und mich ausprobieren und habe diese Freiheiten genossen. Ich bin aber im Job noch nicht da, wo ich hin will, da folgt sicher noch ein großer Schritt. Wenn Sie mich fragen würden, wo dieser Schritt hinführt, dann würde ich antworten, dass ich das selbst sehr gern wüsste …
Meist ist ja auch der Weg das Ziel …
Ja, wir denken immer nur, dass das Große das Ziel ist. Das ist es aber in den meisten Fällen nie.

Ein bisschen Lokalkolorit zum Schluss: Ihre Eltern betreiben in der Lausitz noch ein kleines Ferien- und Saunaparadies – haben Sie noch eine Verbindung zu Ihrer alten Heimat
?
Ich bin zwar gebürtige Berlinerin und würde mich auch immer als Berlinerin bezeichnen, aber ich habe einen großen Teil meines Lebens in der Lausitz verbracht. Ich bin dort immer noch oft und gern zu Besuch. Wenn ich meine Eltern besuche, gehe ich gern in Cottbus ein Eis essen und kenne mich da immer noch gut aus, meine Großeltern wohnen ja noch in der Lausitz und mein Urgroßvater in Cottbus. Insofern ist die Lausitz neben Berlin und meinem jetzigen Wohnort Heidelberg für mich auch Heimat. Die Lausitz ist noch so ein bisschen verschlafen, man kann noch viel aus dieser wunderschönen Gegend machen. Leider hat sich das noch nicht so herumgesprochen, aber ich rühre hier bei meinen Freunden ordentlich die Trommel.

Vielen Dank für das Interview