Eine Frage der Zeit

Datum: Mittwoch, 04. April 2012 08:34

Foto:  BMFSFJ, C. Junghanns

Interview mit Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder

Haben Sie eine kurze Antwort auf die Frage: Wie steht es um Deutschlands Familien?
Eltern brauchen Zeit, um ihre Kinder ins Leben zu begleiten, und sie brauchen Zeit, wenn Angehörige Unterstützung benötigen oder pflegebedürftig werden. Aus Studien wissen wir: Der Wunsch nach mehr Zeit für Familie rangiert weit vor dem Wunsch nach mehr Geld oder nach besserer Kinderbetreuung. Ob Familien zusammen halten, ob Eltern und Kinder füreinander da sein können, ist in erster Linie eine Frage der Zeit. Deshalb möchte ich mit meiner Familienpolitik den Menschen mehr Zeit für Verantwortung geben und es ihnen erleichtern, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren.

Wie sehr geht Ihnen die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in ihrem eigenen Fall auf die Nerven?
Diese Frage geht mir nicht auf die Nerven, sie liegt ja auf der Hand seitdem ich selbst Mutter geworden bin – ich kann die Frage deshalb gut nachvollziehen. Ich möchte aber dennoch mein Privat- von meinem Berufsleben so gut es geht trennen und gehe mit Informationen über mein Familienleben sparsam um.

Ist es nicht schwer, gerade bei einem so emotionalen Thema wie Familienpolitik Beruf und eigenes Familienleben voneinander zu trennen? 
Nein, im Gegenteil. Ich möchte den Familien in diesem Lande bewusst keine Vorgaben, Leitbilder oder Lebenskonzepte aufdrängen. Jeder muss in Absprache mit seinem Partner frei entscheiden dürfen, welche Rollenverteilung man in der Familie haben möchte. Ich möchte, dass in Deutschland eine Vielfalt von Lebenskonzepten vom Staat akzeptiert, unterstützt und gefördert wird. Insofern ist es auch unerheblich, wie ich als Privatperson mein Familienleben führe.

Auf ihrer Ministerseite für Kleine – www.kinderministerium.de  – steht, dass ihre Lieblingsfarbe Pink ist. Findet sich das auch in Ihrem Ministerbüro wieder?
Ehrliche Frage, ehrliche Antwort: Nein. 

Sie sind schon mit 14 in die Politik gegangen, welche anderen Dinge haben Sie in jungen Jahren noch angetrieben?
In der Schule wurde ich insbesondere von zwei Lehrern unterrichtet, die mich sehr geprägt haben, weil sie auf motivierende Art und Weise Wissen vermittelt und Engagement gefördert haben. Zugleich konnte ich von einem Zuhause profitieren, in dem meine Eltern mir großes Vertrauen entgegengebracht und Freiräume gelassen haben. So habe ich mich nicht nur früh in der Jungen Union engagiert, sondern war auch lange ehrenamtlich in der Kommunalpolitik aktiv. 

Sie schützen ihr Privatleben extrem, wie gelingt es Ihnen bislang, die Jagd der modernen Mediengesellschaft nach einem Schnappschuss Ihrer Tochter zu gewinnen?
Je weniger ich darüber rede, desto geringer ist das Interesse.

Wer kümmert sich um Ihre Kleine, wenn Sie Politik machen?
Mein Mann und ich haben das Glück, auf die Unterstützung unserer Familien zählen zu können – ohne sie wäre es wohl nicht möglich, dass wir beide Vollzeit mit Kind arbeiten. 

Sie sind im September nach einer kurzen Mutter-Auszeit in die Bundespolitik zurück gekehrt – wie sehr beeinflusst die Mutter jetzt die Politikerin? 
Natürlich sind mir manche Themen nun auf andere Weise vertraut, weil ich sie als Mutter selbst erfahre. Dennoch sollte der Maßstab einer Familienministerin oder eines Familienministers nicht sein, dass sie oder er Kinder hat. Man kann ja auch ein guter Umweltminister sein, ohne dass man ein Windkraftwerk im Garten stehen hat. 

Zum politischen Alltag: Aktuell wird das Thema um eine Frauenquote in Führungspositionen heiß diskutiert – in ländlichen Gegenden wie unserer Lausitz haben wir dabei überhaupt ein Problem mit der schwindenden Anwesenheit qualifizierter, junger Frauen. Ist das auch ein Thema?
Ja, das ist natürlich ein wichtiges Thema, dessen wir uns nicht nur bewusst sind, sondern das wir auch gezielt angehen. Beispielsweise hat das Bundesfamilienministerium gerade erst zehn Kommunen und Landkreise aus ganz Deutschland ausgewählt, die wir im Rahmen des Programms „Mehr Frauen in Führungspositionen – Regionale Bündnisse für Chancengleichheit“ fördern. Die Stadt Bautzen gehört übrigens dazu. Ich bin mir sicher, dass die Landkreise und Kommunen von den Bündnissen profitieren werden, denn für den Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit einer Region ist es ganz entscheidend, ob sie auch für qualifizierte Fach- und Führungskräfte attraktiv ist. Dazu gehört, dass Frauen und Männer die gleichen Einstiegs- und Aufstiegschancen haben. Denn klar ist, dass ganz praktische Chancengleichheit im Beruf und im Alltag mehr und mehr zum Standortvorteil wird.

Was wollen Sie für Familien bis zum Ende der Legislatur im Herbst 2013 noch auf den Weg bringen?
Es gibt sehr viele unterschiedliche Themen, die auf der Agenda dieser Legislaturperiode stehen. Dazu gehört das Betreuungsgeld, für das ich bis zur Sommerpause einen Gesetzesentwurf vorlegen werde. Besonders wichtig finde ich den Kitaausbau, der weiter vorangehen muss bis zum Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige, den es ab 2013 geben wird. Außerdem arbeite ich an einer besseren Unterstützung ungewollt kinderloser Paare, für das die nötigen Bundesmittel bereits zur Verfügung stehen – hier hoffe ich, dass jetzt möglichst viele Bundesländer ihr Herz über die Hürde werfen und mit uns zusammen entsprechende Vereinbarungen unterschreiben. Und auch das deutschlandweite Hilfetelefon zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das Ende dieses Jahres starten wird, liegt mir sehr am Herzen.
 
Glauben Sie daran, dass es in kommenden Jahren für Frauen in Führungspositionen zur Normalität werden kann, Mutter zu werden und auch zu sein? 
Ja, daran glaube ich fest. Denn ich kann heute schon feststellen, dass mehr und mehr Frauen, die beruflich erfolgreich sind, Kinder bekommen und in ihrem Beruf trotzdem weiterhin vorankommen. Wichtig ist, dass wir für Mütter und Väter gute Bedingungen schaffen, damit sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren können. Der Kitaausbau, das Elterngeld oder familienfreundliche Arbeitszeiten sind wichtige staatliche Maßnahmen, um Familien diese Vereinbarkeit zu ermöglichen. Vor allem aber müssen wir bei den Unternehmenskulturen ansetzen. Denn bislang können zu oft nur diejenigen wirklich Karriere machen, denen zuhause jemand den Kühlschrank befüllt, den Nachwuchs versorgt und den Nachschub an frisch gebügelter Kleidung sicherstellt. Die Arbeitswelt muss ein Stück weiblicher werden und das Familienleben etwas männlicher. Ich bin guter Dinge, dass sich diese Einsicht durchsetzt.