Mein Verein war für mich meine zweite Heimat

Datum: Samstag, 29. April 2023 14:29

Dominik Klein ist einer der erfolgreichsten deutschen Handballer. In seiner aktiven sportlichen Karriere, die er 2018 beendete, wurde er deutscher Meister, Champions-League-Sieger und Weltmeister. Seine Begeisterung für Sport gibt er heute an Kinder und Jugendliche weiter, unter anderem als Botschafter für die Initiative „Kinder stark machen“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Im Interview verrät er, warum Sport Kinder stark machen kann, wie er selbst zum Sport kam und wie er es als zweifacher Vater mit dem Sport in der Familie hält.

Dass Sport gesund ist, weiß jeder. Warum lohnt es sich für Kinder nicht nur in der Freizeit und in Kita & Schule Sport zu treiben, sondern auch im Verein?

Wenn ich an meine Kindheit und Jugend zurück denke, war der Sportverein – in meinen Fall der der TUSPO Obernburg – meine zweite Familie. Und genau das kann ein Verein auch heute für Kinder sein: eine zweite Heimat. Da kennt man seine Freunde, seine Trainer, seine Ehrenamtler. Ganz wichtig finde ich auch, dass man im Verein bestimmte Werte vermittelt bekommt wie Teamfähigkeit, Dranbleiben, Respekt, Spaß an Leistung. Nicht zuletzt darf und soll Sport im Verein immer auch ein Wohlfühlfaktor sein.

Ab welchem Alter sollte ein Kind anfangen, regelmäßig Sport zu treiben?

Ich glaube, für regelmäßige Bewegung ist man nie zu jung. Ein Kleinkind muss noch nicht unbedingt in den Verein, Hauptsache ist, dass es sich regelmäßig bewegt, sei es mit dem Ball, mit einem Reifen oder mit dem Laufrad oder Fahrrad. Es gibt so viele Möglichkeiten sich zu bewegen und mit dem passenden Spielgerät haben schon die Kleinsten Lust, sich zu bewegen. Später kann man diese Lust am Bewegen dann in einem Verein lenken.

Und gibt es ein ideales Alter, um sich auf eine Sportart festzulegen?

Ich selbst habe als Kind ganz vieles ausprobiert: Tischtennis, Tennis, Fußball, Leichtathletik, Turnen und natürlich auch Handball, wo ich durch die Handball-Affinität unserer Familie hängen geblieben bin. Daher kann ich aus meiner eigenen Erfahrung heraus sagen: Probiert vieles aus, spezialisiert Euch nicht zu früh. Wichtig ist, dass es Spaß macht.

Hast Du einen Tipp, wie Kinder die passende Sportart bzw. den passenden Verein für sich finden?

Da gilt wieder: einfach ausprobieren. Fragt am besten Eure Freunde, was sie machen. Auch ein Tag der offenen Tür, den viele Vereine anbieten, ist super geeignet, um mal in eine neue Sportart herein zu schnuppern. Hilfreich ist es, wenn man dort schon jemanden kennt, der ebenfalls im Verein ist. Das erleichtert den Anschluss. Aus meiner eigenen Tätigkeit kann ich folgendes Beispiel nennen: Mit der Peak Performer Stiftung organisieren wir in Süddeutschland regelmäßig Camps, in denen Kinder und Jugendliche gemeinsam mit Vorbildern aus dem Leistungssport ihre Stärken und Talente entdecken können. Das kommt gut an und ähnliche Camps gibt es auch in anderen Regionen Deutschlands.

Wie kann man Kinder motivieren, die zwischenzeitlich keine Lust mehr auf das Training haben?

Mir selbst ging es als Kind zum Glück nie so. Ich habe mich immer darauf gefreut, gemeinsam mit meinen Freunden zu spielen und etwas Neues zu lernen. Aber natürlich kommt das bei Kindern manchmal vor. Aus meiner Tätigkeit als Übungsleiter halte ich es für wichtig, bei den Kindern die Begeisterung zu wecken und zu erhalten. Dazu gehört eine wertschätzende, gewaltfreie Kommunikation, also beispielsweise das Kind mit dem Vornamen anzusprechen, seine persönliche Situation zu kennen, es zu loben. Allein über die Ansprache kann man Kinder unglaublich gut motivieren. Erst an zweiter Stelle kommt dann die Ausgestaltung des Trainings und der Übungen.

Und wie können Eltern ihre Kinder für Bewegung und Sport begeistern, wenn diese eher Bewegungsmuffel sind?

Indem sie selbst sich in ihre Kindheit zurückversetzen und überlegen: Was hat mir früher Freude gemacht? Wann habe ich mich gern bewegt? Und natürlich, indem sie Bewegung vorleben, indem sie selbst Sport und Bewegung ausprobieren und in ihren Alltag integrieren.

Wie lässt sich abseits vom Verein mehr Bewegung in den Familienalltag integrieren?

Da gibt es viele Möglichkeiten: Zum Beispiel mit dem Fahrrad zur Kita oder zur Schule fahren. Den Kindern nach der Schule zunächst einmal Bewegungszeit zu ermöglichen, bevor sie sich an die Hausaufgaben setzen. Hilfreich sind feste Strukturen, die Bewegung in den Alltag fest integrieren. Bei uns zu Hause ist es beispielsweise so, dass meine Tochter mit dem Fahrrad zu Kita fährt und ich laufe nebenher. Wenn ich sie abgegeben habe, laufe ich meist noch eine kleine Runde.

Schlagzeilen wie „Mehr dicke Kinder“ tauchen immer häufiger auf. Hast Du ebenfalls den Eindruck, dass Kinder heute weniger sportlich sind als noch vor 20 oder 30 Jahren?

Aus meiner Erfahrung im Handballcampus München, mit dem wir viel an Schulen unterwegs sind, kann ich das bestätigen. Vielen Kindern fallen koordinative Übungen wie ein Purzelbaum, ein Handstand, ein Überschlag, Ballwerfen und Ballfangen zunehmend schwer oder noch schlimmer: Solche Dinge werden teils gar nicht erst im Sportunterricht geübt. Dafür sollten wir Lösungen anbieten und die gibt es bereits. Dafür muss zunächst einmal der Sportunterricht attraktiver werden. Ein ganz junger Ansatz, mit dem ich selbst gern arbeite, nennt sich Gamification. Dabei animieren wir die Kinder zu mehr Bewegung, indem wir sie mit den Medien abholen, die in ihrem Alltag ohnehin eine große Rolle spielen, beispielsweise die Playstation. Ganz konkret können die Kinder an einer Sportstation mit ihrem Avatar Sterne sammeln, indem sie einen Bewegungsparcours absolvieren und so das nächste Level erreichen. Damit holen wir die Kinder nicht nur in ihrem Alltag ab, sondern können sie auch individuell fördern, mit Übungen, die ihrem Niveau entsprechen.

Warum ist es Dir persönlich wichtig, Dich als Botschafter für „Kinder stark machen“ zu engagieren?

Ich bin ohnehin Jemand, der gern anpackt und mitmacht. Insofern war für mich schnell klar, dass ich auch hier dabei bin und die Entscheidung war goldrichtig: Bei jeder Veranstaltung, die ich bisher für die Initiative begleiten durfte, konnte ich bei den Kindern die Begeisterung für Sport wecken. Ihre leuchtenden Augen sind der schönste Erfolg – ganz egal, wie viele Titel man schon erreicht hat. Insofern erfüllt mich diese Aufgabe ungemein.

Die Initiative will Kinder stark machen. Warum gehört Bewegung dazu und welche Aspekte sind noch wichtig für starke Kinder?

Das wichtigste sind aus meiner Sicht Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Durch sportliche Erfolge und Misserfolge erfahren Kinder, dass sie mit Leistung und Anstrengungsbereitschaft etwas schaffen können, dass sie dafür auch mal mutig sein müssen, dass sie in manchen Situationen aber vielleicht auch mal nein sagen müssen. Das alles kann Sport schaffen und das alles macht Kinder stark.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie startete Deine sportliche Laufbahn und was hat Dir das langfristig gebracht?

Ich bin durch meine Eltern früh zum Handball gekommen. Meine Mama hat mich bei den Bambinis trainiert, mein Papa bei den Minis, mein älterer Bruder bei der E-Jugend. Ich wiederum habe später meine jüngere Schwester trainiert. Wir sind im Grunde in der Handball-Halle groß geworden. Ich habe selbst gespielt, ich habe die erste Mannschaft angefeuert, Freundschaften geschlossen, Vorbilder gehabt, gelernt, füreinander einzustehen. Ich empfinde es bis heute als großes Geschenk, dass ich all das ausprobieren, meine Talente entdecken und diese Gemeinschaft erleben durfte. Genau deswegen sind heute auch meine Kinder im Sportverein und können sich in verschiedenen Sportarten ausprobieren. Das, was mir meine Eltern ermöglicht haben, möchte ich heute an meine Kinder weitergeben.