
Interview mit Stephan Kaasche, Naturführer und Wolfswanderer.
Stephan Kaasche ist Naturführer und Wolfswanderer. In seinen Wanderungen bringt er Kitagruppen, Schulklassen und Familien die Lausitzer Natur und Tierwelt näher. Im Gespräch mit der lausebande berichtet er über unverhoffte Begegnungen und verrät besonders schöne Tourentipps.
Sie sind in der Lausitz unterwegs und bieten hier Touren an. Was macht die Region so besonders für Natur- und Wanderfreunde?
Das Schöne hier ist, dass es so unterschiedliche Gebiete gibt. Wir haben Kiefernheide, Flussauenlandschaft, Feldlandschaft, Moorgebiete, Teiche, eine unglaubliche Vielfalt.
Welche Gegenden oder Routen sind für Familien mit Kindern besonders geeignet?
Die Wolfsschlucht bei Pusack an der Neiße ist sehr schön. Am Ziegenhof kann – wer Käse mag – Mittagessen. Die Wolfsschlucht ist eine kleine Runde, die auch Kinder gut bewältigen können und die wirklich sehr abwechslungsreich ist, bergig mit Laubwald und Neiße-Wiesen. Empfehlenswert ist auch der Wolf-Aussichtpunkt in Bergen. Dort gibt es einen neuen elf Kilometer langen Rundweg, der durch die Wald, Feld, Wiesen und Tagebaulandschaft der Elsterheide führt. An Infotafeln kann man viel erfahren, beispielsweise über die Tiere des Waldes oder die Kuhhaltung. Dieser Rundweg kreuzt sich an einer Stelle mit einem Audiowalk, einem 40 Kilometern langen Naturpfad eines Künstlerkollektivs. Hier spricht die Natur selbst zu den Leuten, indem zum Beispiel ein Sandkorn erzählt.
Haben Sie auch noch einen Geheimtipp abseits solcher Rundwege?
Ja, und zwar eine Wanderung durch die Neißeaue zwischen Sagar und Skerbersdorf, das ist bei Krauschwitz. Dort ist an vielen Stellen noch richtig Wildnis mit ganz alten Bäumen, das ist alles sehr naturnah. Wenn das Wasser niedrig ist, entstehen Sandbänke, an denen die Kinder spielen können. An den Steilhängen brüten Eisvögel. Am Fluss kann mit etwas Glück Fischotter und Biber beobachten, auch Graureiher.
Nicht immer haben Kinder Lust zum Wandern. Welche Tipps haben Sie für Eltern, die mit ihren Kindern wandern gehen wollen, damit es allen Spaß macht?
Sie sollten öfter innehalten und den Kindern wirklich Zeit geben, die Gegend zu erkunden. Stattdessen sind die Eltern in Gedanken oft schon einen Schritt weiter und haben nur das Ziel im Blick. Aber 10 oder 20 Kilometer einfach nur wandern will vermutlich kein Kind. Wenn aber noch ein Abenteuer dabei ist, dann läuft die Sache. Und deswegen würde ich immer empfehlen, dass man nicht so weit läuft, sondern einfach näher vor Ort ist und sich die Umgebung genauer anschaut. Oder viele Pausen macht.
Waren Sie als Kind gern wandern?
Schon meine Eltern und meine Großeltern sind gern gewandert – auch mit uns Kindern. Wir waren zum Beispiel im Harz und in der Niederen Tatra. Und später, so mit 12 oder 13 bin ich dann auch ohne Eltern viel in der Natur gewesen, weil ich einen Hund bekommen hatte. In meiner Klasse gab es mehrere Jungs mit Hund, mit denen war ich viel unterwegs. Außerdem habe ich mich über eine AG Naturschutz an Wanderungen beispielsweise ins Dubringer Moor beteiligt.
Gibt es besondere Erlebnisse aus jener Zeit, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?
Ja tatsächlich gibt es da ein Erlebnis, das war noch vor meiner Schulzeit: Ich kann mich gut erinnern an ein Wandererlebnis in der Niederen Tatra, wo mein Vater uns wirklich motivieren. Musste, weil wir gar keinen Bock mehr hatten. In der Tatra gibt es ja Wölfe und Bären. Und wir haben dann tatsächlich an einem Fluss so etwas wie einen Zahn gefunden. Das war für uns Kinder schon ein Abenteuer. Den Zahn habe ich heute noch. Letztlich waren für uns damals die Pausen das Schönste. Wir haben dann zum Beispiel mit den Geröllsteinen im Fluss einen kleinen Staudamm gebaut und versucht Fische zu fangen, während die Eltern sich ausgeruht haben.
Heute ist Wandern Ihr Beruf. Sie bieten Wolfswanderungen und z.B. Rotwild-Entdeckertouren für Familien an. Gibt es tierische Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ein Mal hatte ich auf einer Exkursion mit einer Kindergruppe in Rietschen ein abenteuerliches Erlebnis. Da standen wir am Teich und in dem Moment kam ein Mink mit einer Bleie im Maul. Und der Mink saß quasi wie im Bilderbuch zehn Meter vor uns auf einem Baum im Wasser und fraß den Fisch. Obwohl wir viele waren, hat er uns nicht bemerkt. Und auf einmal schreit eins der Kinder laut. Denn an der Stelle, an der wir standen, war ein Erdwespennest. Das hatten wir nicht bemerkt, weil wir so konzentriert auf diesen Marder waren. Da mussten wir erst mal die Beine in die Hand nehmen. Manchmal kommt es auch mitten in der Stadt zu überraschenden Tierbegegnungen. So eine hatte ich mal vor einigen Jahren mit meinem Sohn, als der noch kleiner war. Er meinte auf einmal: Schau mal da schwimmt eine Robbe. Tatsächlich standen wir auf einer Brücke über einem kleinen Fließ mitten in der Stadt und da schwamm ein Fischotter. In der Dämmerung wollte er unter der Brücke durchschwimmen, hat sich aber nicht getraut, weil wir da standen und nach ihm geguckt haben. Der Wassermarder hat dann ein paar Mal gefaucht und ist dann nach einer Weile wieder in die andere Richtung verschwunden.
Bei den Tierwanderungen gehen ja viele in der Erwartung mit, auch tatsächlich Tiere zu sehen. Ist die Enttäuschung groß, wenn das mal nicht klappt?
Das stimmt schon, nicht immer sehen wir Tiere. Aber Spuren entdecken wir eigentlich immer, das können Abdrücke in der Erde sein oder Losungen vom Wolf oder Fraßspuren vom Hirsch. Außerdem habe ich immer passend zum Thema Anschauungsmaterial dabei, zum Beispiel Hufe, Knochen oder Fell. Es ist für die Kinder auch toll, wenn sie ein Spurenbuch dabei haben, ein Maßband und eine Lupe. Dann können sie nachschauen, was für eine Spur wir da entdeckt haben. Außerdem habe ich immer ein Fernrohr dabei. Die Kinder sind meistens überrascht, wie nah und deutlich Dinge damit zu erkennen sind. Wenn ich das beispielsweise im Frühjahr auf eine Nisthöhle ausrichte und die Kinder „hautnah“ zusehen können, wir eine Meise ihre Jungen füttert, finden sie das sehr spannend. Während der Wanderung versuche ich, Tipps zu geben, wann und wo die Kinder Tiere entdecken können, wenn sie später nochmal wiederkommen – nicht in einer großen lauten Gruppe, sondern nur mit den Eltern.
Haben Sie einen Tipp für Familien, die auf tierische Begegnungen hoffen?
Ein Tipp, den ich auch auf meinen geführten Touren gebe: Geht nicht so tief in den Wald hinein, das ist beispielsweise in Naturschutzgebieten ohnehin verboten, sondern bleibt auf den Wegen. Dort sieht man eher mal einen Hasen oder Wolf vorbeilaufen. Denn die Wege sind viel nährstoff- und damit artenreicher, weil dort mehr Licht hinkommt und Tiere dort leichter laufen können. Und dann braucht man Zeit und Geduld. Ich empfehle den Leuten, nicht rastlos durch den Wald zu laufen auf der Suche nach Tieren, sondern sich mal eine viertel Stunde oder auch länger hinzusetzen und in Ruhe zu beobachten. Das müssen Kinder natürlich erst lernen.
Was geben Sie Kindern sonst noch mit auf Ihren Wanderungen?
Ich versuche schon einen gewissen Respekt vor der Natur, vor den Tieren und Pflanzen zu vermitteln. Das fängt damit an, dass wir Federn nicht aufsammeln und als Trophäe mit nach Hause nehmen, sondern in der Natur belassen. Von geschützten Vogelarten ist es ohnehin verboten, Federn mitzunehmen. Stattdessen erkläre ich den Kindern zum Beispiel, dass andere Vögel die Federn zum Nestbau brauchen. Das gleiche gilt, wenn wir einen Knochen oder Schädel finden. Dann zeige ich den Kindern die kleinen Fraßspuren von den Mäusen und sage: Wenn wir das jetzt mit nach Hause nehmen, steht es bei uns in der Schrankwand und stinkt. Wenn wir es hier lassen, können morgen die Mäuse noch daran fressen. Ich vermitteln den Kindern, dass sie keine toten Tiere anfassen sollen. Das gleiche gilt für Höhlen. Kinder lieben es, da Steine oder Stöcke reinzuwerfen. Dann frage ich sie, wie sie es fänden, wenn Jemand durchs Fenster in ihr Kinderzimmer einen Stein wirft. Ich selbst habe immer eine kleine Tasche dabei, falls ich unterwegs Müll entdecke. Dann hebe ich den auf. Das können auch Eltern machen, wenn sie mit den Kindern wandern gehen: Einfach eine kleine Tüte mitnehmen und den Müll aus der Natur aufsammeln.
Haben Sie einen Lieblingsort in der Lausitzer Natur?
Das ist der Aussichtspunkt am Bergener See. Auf der einen Seite ist es da besonders schön, der weite Blick in die Landschaft. Auf der anderen Seite kenne ich mich da mittlerweile so gut aus, dass ich kleine Veränderungen schnell bemerke. Wenn ein Hirsch einen Baum angenagt hat, an dem ich drei Mal pro Woche vorbeikomme, fällt mir das natürlich auf. Und es ist auch spannend zu beobachten, wie sich die Landschaft im Laufe der Jahreszeiten verändert. Wo im Sommer hohes Gras wächst, kann man im Winter bequem entlang laufen.
Vermutlich haben Sie schon sehr viele Tiere in freier Wildbahn gesehen. Gibt es ein Tier, das sie gern mal sehen würden?
Spannend wären Elche. Die kommen ja immer wieder mal in die Lausitz. Ich habe Elche zwar schon gesehen, aber noch nicht in der Lausitz, sondern in Skandinavien. Und ich würde gern mal einen Luchs sehen. Die gibt es mittlerweile auch hier, allerdings sehr sehr selten.
Wer jetzt noch keine Lust aufs Wandern bekommen hat: Warum lohnt es sich, Kinder mit in die Natur zu nehmen?
Wir Menschen waren für Jahrmillionen Jäger und Sammler und sind den ganzen Tag gelaufen. Und jetzt sitzen wir fünf, sechs Stunden in der Schule oder im Büro, danach am Smartphone oder an der Spielkonsole. Das ist nicht gesund. Beim Wandern ist man an der frischen Luft, hat Bewegung, kann klettern, seine Sinne stärken. Außerdem macht es Spaß zusammen unterwegs zu sein.
Wer mit Stephan Kaasche die Lausitzer Tierwelt erkunden will, kann eine passende Wanderung über die Volkshochschule Hoyerswerda buchen, die sind dank Förderung kostenfrei. Für Schulklassen und Kitagruppen bietet der Freistaat Sachsen kostenlose Veranstaltungen rund um das Thema Wolf an. Individualtouren zum Wolf sind buchbar über:





