
Warum sich Eltern trotz Alltagsstress Zeit für das Thema Geldanlage nehmen sollten und welche Modelle sie meiden sollten, verrät Dr. Sarah Kiesl-Reiter im lausebande-Interview. Sie ist Leiterin Finanzbildung beim Verbraucher-Ratgeber der Stiftung Finanztip.
Warum sollten Eltern überhaupt Geld für den Nachwuchs zurücklegen?
Eltern wünschen sich für ihre Kinder ein gutes Leben. Dazu gehört, dass sie ihre Wünsche und Ziele verwirklichen können, sei es ein schönes Erlebnis, eine gute Ausbildung oder ein guter Start ins Erwachsenenleben. All das kostet Geld – und wer früh anfängt zu sparen, kann seine Kinder später besser begleiten und unterstützen. Gleichzeitig bietet das Sparen für Kinder eine wunderbare Chance, Finanzbildung zu vermitteln: Eltern können erklären, wie Zinsen und Zinseszins funktionieren, was Risiko und Rendite bedeuten – und Kinder so Schritt für Schritt an das Thema Geld heranführen. Wer Kinder früh bei Finanzentscheidungen einbindet, legt den Grundstein für einen selbstbewussten und kompetenten Umgang mit Finanzen.
Wann sollten Eltern anfangen, für ihre Kinder zu sparen?
Grundsätzlich gilt: Je früher, desto besser, und idealerweise bereits direkt nach der Geburt. Denn je länger der Anlagezeitraum, umso höher fallen Rendite und Zinsen aus und umso stärker profitieren die Kinder vom Zinseszinseffekt. Ein Beispiel: Bei einem weltweit ausgerichteten Aktien-ETF (kurz für Exchange Traded Fund) kann man langfristig mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von sechs Prozent rechnen. Geht man nun von einer monatlichen Sparrate von 150 Euro aus, so ergibt sich nach 18 Jahren ein Bruttobetrag von rund 57.420 Euro. Etwa 25.000 Euro davon sind Wertzuwachs. Bei einer Anlagedauer von neun Jahren, wären es hingegen nur 21.350 Euro, also deutlich weniger als die Hälfte und ein Wertzuwachs von 5.000 Euro.
Was ist mit Eltern, die schon ältere Kinder haben und es bisher verpasst haben, Geld anzulegen. Was können Sie ihnen empfehlen?
Auch wenn Kinder schon älter sind, kann es sich lohnen, Geld für sie anzulegen. Bei der Wahl der Anlageform sollten sich Eltern aber genau überlegen, wann das Geld gebraucht wird, also wie lange das Geld angelegt werden kann. Bei Anlagehorizonten von 15 Jahren oder länger empfehlen wir bei Finanztip günstige und breitgestreute Aktien-ETFs. Für Geld, das zum Beispiel für die Ausbildung bereits in wenigen Jahren oder gar Monaten verfügbar sein soll, eignen sich sichere Zinsanlagen wie Fest- oder Tagesgeld oder ein Geldmarkt-ETF.
Welche Dinge sind beim Thema „Vermögensaufbau für die Kinder“ besonders wichtig? Was sollten Eltern in jedem Fall bedenken?
Gerade in der Anfangszeit mit Kindern ist der Alltag oft hektisch und es bleibt wenig Zeit, sich um die Geldanlage zu kümmern. Doch beim Sparen ist Zeit einer der wichtigsten Faktoren. Eltern sollten so früh wie möglich damit für ihren Nachwuchs beginnen, um den Zinseszinseffekt bestmöglich zu nutzen. Eine Geldanlage in einen Aktien-ETF erfordert dabei nicht viel Aufwand – ist der Sparplan einmal eingerichtet, läuft alles automatisch, und ein jährlicher Blick ins Depot reicht völlig aus. Alternativ kann man auch ein Tagesgeldkonto auf den Namen des Kindes eröffnen und monatlich per Dauerauftrag Geld überweisen. Und wie schon erwähnt, sollte die Anlageform immer auf die gewünschte Anlagedauer und das Sparziel abgestimmt sein.
Welche Sparmöglichkeiten gibt es und welche empfehlen Sie? Von welchen raten Sie ab?
Wird das Geld länger nicht gebraucht und kann somit langfristig angelegt werden, empfehlen wir einen Sparplan auf günstige und weltweite Aktien-ETFs. Hier stimmt der Rendite-Risiko-Mix, was bei vielen anderen Geldanlagen nicht der Fall ist. Dafür ist es aber wichtig, mindestens 15 Jahre Zeit mitzubringen, um zwischenzeitliche Wertschwankungen aussitzen zu können. Eltern können entweder im eigenen Depot oder einem Zweitdepot zusätzlich fürs Kind sparen. Oder sie können ein sogenanntes Junior-Depot im Namen des Kindes eröffnen, um Steuervorteile zu nutzen. Was die jeweiligen Vor- und Nachteile sind, erklärt meine Kollegin Nadine Graf im Finanztip-Ratgeber zu Juniordepots: https://www.finanztip.de/wertpapierdepot/juniordepot/. Kann das Geld hingegen nur kurzfristig angelegt werden, empfehlen wir Geldanlagen wie Tages-, Festgeld oder Geldmarkt-ETFs. Bei vielen Banken können Tagesgeldkonten auch im Namen des Kindes eröffnet werden. Wo es die besten Tagesgeld- und Festgeldzinsen gibt und welche Anbieter wir bei Finanztip empfehlen, lässt sich mithilfe unseres Tagesgeldrechners (https://www.finanztip.de/tagesgeldvergleich/) und Festgeldrechners (https://www.finanztip.de/festgeld-vergleich/) herausfinden. Von klassischen Sparformen wie dem Sparbuch raten wir dagegen ab. Die Zinsen sind hier so niedrig, aktuell liegen sie zwischen 0,001 und 0,5 Prozent, dass das Geld durch die Inflation real an Wert verliert. Auch Girokonten für Kinder eignen sich nicht als Sparform. Sie sind zwar eine tolle Sache, um Kindern den Umgang mit Geld beizubringen, bieten aber keine oder nur sehr niedrige Zinsen.
Sind Bausparverträge oder Versicherungen wie eine Ausbildungsversicherung zu empfehlen?
Bei einem Bausparvertrag wird zunächst ein Teil der Bausparsumme angespart, später kann ein Kredit, das Bauspardarlehen, aufgenommen werden. Die Zinsen beim Sparen sind jedoch niedrig, die Kosten hoch – lohnend meist nur bei stark steigenden Bauzinsen. Aktuell gibt es bessere und flexiblere Alternativen, um für Kinder Geld anzusparen. Auch eine Ausbildungsversicherung – im Grunde eine Lebensversicherung, mit der Geld für die spätere Ausbildung der Kinder angespart wird – ist als Geldanlage für Kinder nicht zu empfehlen. Lebens- und Rentenversicherungen sind unflexibel und teuer. Das rechnet sich nicht.
Lohnt es sich, in alternative Anlageformen wie Edelmetalle zu investieren?
Edelmetalle wie Goldmünzen sind ein beliebtes Geschenk bei Taufen, Konfirmationen oder Jugendweihen. Tatsächlich raten wir bei Finanztip aber von solchen Geschenken für Kinder ab. Zum einen ist Gold in kleinen Mengen teuer, zum anderen verursacht auch die sichere Aufbewahrung – etwa im Tresor oder Bankschließfach – zusätzliche Kosten. Nicht von den Rekordpreisen beeindrucken lassen: Gold schwankt stark im Wert und langfristig brachte Gold nicht einmal halb so viel Rendite wie Anteile an einem breitgestreuten Aktien-ETF auf den MSCI World.
Klassische Sparkonten, aber auch Tagesgeld und Festgeld bringen derzeit nur wenig Zinsen. Anders sieht es bei Aktien-ETFs aus. Wie hoch sind hier die Renditen und wie die Risiken?
Aktuell gibt es auf Tagesgeldkonten bis zu 2,85 Prozent Zinsen pro Jahr. Bei Festgeldkonten hängt die Verzinsung von der Laufzeit ab. Zum Beispiel sind bei einer Bindung von 36 Monaten aktuell bis zu 2,9 Prozent Zinsen pro Jahr möglich. Diese Sparvarianten gleichen zwar langfristig die Inflation aus, denn die Europäische Zentralbank (EZB) strebt eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Sie eignen sich aber nicht zum Vermögensaufbau. Anders sieht es bei Aktien-ETFs aus: Sie unterliegen zwar Wertschwankungen, doch bei einem langen Anlagezeitraum – wir empfehlen mindestens 15 Jahre – lassen sich solche Schwankungen aussitzen. Unsere Analysen zeigen, dass bei den von Finanztip empfohlenen Aktien-ETFs, zum Beispiel auf den MSCI World, durchschnittlich mit einer Rendite von sechs Prozent pro Jahr gerechnet werden kann.
Haben Sie Tipps für die Suche nach einem passenden Depot?
Eine Übersicht der Depots mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis haben wir im Finanztip-Ratgeber Wertpapierdepot unter folgendem Link zusammengestellt:
www.finanztip.de/wertpapierdepot/. Auch speziell für Junior-Depots geben wir bei Finanztip Empfehlungen: www.finanztip.de/wertpapierdepot/juniordepot/.
Gibt es bei dem Thema steuerliche Aspekte, die Eltern bedenken sollten?
Wenn das Depot oder Konto auf den Namen des Kindes läuft, kann auch dessen Sparerpauschbetrag genutzt werden – Kapitalerträge bis 1.000 Euro bleiben damit steuerfrei. Wichtig ist, bei der Bank einen Freistellungsauftrag zu stellen.
Was empfehlen Sie Familien mit einem kleinen Einkommen, bei denen am Ende des Monats nicht mehr viel übrigbleibt? Gibt es auch für sie Möglichkeiten, Geld für den Nachwuchs zurückzulegen?
Ganz klar: Nur wer am Monatsende etwas übrig hat, kann überhaupt über Sparen nachdenken. Wenn es aber irgendwie möglich ist, auch nur ein paar Euro zur Seite zu legen, lohnt sich das. Auch bei kleinen Beträgen können Eltern Zinsen kassieren und vom Zinseszinseffekt profitieren, wenn auch nicht so stark. Regelmäßig kleinere Beträge anzulegen ist aber immer besser, als zu warten, bis man größere Beträge beisammen hat.
Wie viel finanziellen Puffer sollten Familien zur Verfügung haben, bevor sie über Vermögensaufbau nachdenken?
Für unerwartete Ausgaben – etwa eine kaputte Waschmaschine oder eine Autoreparatur – sollten Familien immer einen finanziellen Puffer, bereithalten. Wir bei Finanztip empfehlen dafür drei bis fünf Monatsgehälter als Notgroschen. Da dieses Geld jederzeit verfügbar sein sollte, gehört der Notgroschen auf ein Tagesgeldkonto. Erst wenn dieser Notgroschen vollständig aufgefüllt ist, sollte mit dem Vermögensaufbau begonnen werden.
Was können Eltern machen, damit die Kinder bei den Themen Sparen und Vermögensaufbau altersgerecht involviert werden und später selbst fit sind, wenn sie sich ab 18 selbst um ihre Finanzen kümmern?
Wenn Eltern für ihre Kinder sparen oder Geld anlegen, bietet das eine gute Gelegenheit, gemeinsam über Geld und Finanzen zu sprechen. Beim gemeinsamen Blick auf das Konto oder Junior-Depot können Eltern beispielsweise erklären, wie Zinsen und Zinseszinsen funktionieren oder wie Risiko, Rendite und Verfügbarkeit zusammenspielen. Ein eigenes Konto oder Junior-Depot bindet Kinder noch stärker ein – ihr Interesse wächst, weil es direkt um ihr eigenes Geld geht. All diese Gespräche sind bereits Finanzbildung im Alltag. Wer Kinder früh in Finanzentscheidungen einbindet, legt den Grundstein für einen selbstbewussten und kompetenten Umgang mit Geld.





