Smartphone im Kinderzimmer – muss das sein?

Datum: Montag, 01. März 2021 09:57


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... das sagt Mario von Netpapa.de dazu

Noch vor ein paar Monaten konnte ich mir nicht vorstellen, wie wichtig Laptop und Smartphone für meine Familie und meine beiden Jungs sind.

Dann kam der Lockdown.

Zunächst hatte das Homeschooling und die ungewohnte Familienzeit etwas Spannendes. Endlich Zeit für einander. Klasse.

Nach ein paar Tagen hat sich gezeigt, was es bedeutet, den Unterricht nach Hause zu verlegen. Meine Frau und ich werden zum Aushilfslehrer, Motivator und Dompteur, wenn unseren Jungs nach etwas anderem der Sinn steht als mit uns am Tisch ihre Aufgaben zu machen.

Und, ja, ich gehöre zu den Familienvätern, die den überwiegenden Teil ihrer Arbeit vor dem Bildschirm und am Smartphone erledigen.

Ohne Handy. Ohne Laptop. Ganz ehrlich, wir wären aufgeschmissen. Die Medienzeiten stiegen in kürzester Zeit rasant. Mittlerweile bin ich recht stolz, dass wir es immer noch schaffen, Tablet & Co weitestgehend ins Wochenende zu verbannen. Unser jüngster Sohn hat mit 8 Jahren bis heute kein Smartphone und der älteste darf jeden Tag eine Stunde an sein Handy. Der Klassenchat macht es einfach notwendig.

Natürlich ziehen wir die Zeiten nicht von den Homeschooling-Zeiten ab. Wir haben unser Smartphone für den Klassenchat mit dem Lehrer und bleiben so in Verbindung. Der Online-Unterricht findet täglich in Lernsax über den Laptop statt.

Zocken dürfen die Jungs ausschließlich am Wochenende an der XBOX. Ist der heimische Schultag beendet, klappen wir den Laptop zu. Das soll den digitalen Schultag auflockern. Raus mit den Jungs. Zieht das Ventil und lasst die aufgestaute Energie ab.

Das klappt im überwiegenden Maße recht gut. Doch immer häufiger kommen auch wir als Eltern an unsere Grenzen. Wir haben weniger Zeit und setzen alles daran, unsere Jungs bei den Schulaufgaben zu unterstützen.

Es kommen aber auch die Tage, an denen mir einfach die Puste ausgeht.

Dann weichen wir von unseren Regeln ab. Ich rücke das Handy heraus und es gibt ein paar Extra-Minuten obendrauf. Augen zu und durch. Oder ein paar Minuten für uns als Eltern und als Freiberufler.

Wenn wir ganz ehrlich sind, gibt es die tolerante Muster-Familie mit den verständnisvollen Kindern nur im Erziehungsratgeber. Ich glaube nicht, dass wir unsere Erziehung aufgeben, wenn wir im Lockdown auch mal digital über die Stränge schlagen.

Aber, pssst. Nicht weitersagen.

... das sagt Nathalie von Ganznormalemama.com dazu

„Meine Kinder und daddeln auf dem Smartphone? Never ever. Also zumindest nicht bevor sie 15 sind oder so. Und dann werden sie es natürlich auch nur für sinnvolle Dinge nutzen. Bestimmt nicht, um darauf zu zocken oder Videos anzuschauen.“
Die naive Mutter, die das so voller Inbrunst von sich gegeben hat, war ich. Und das ist noch gar nicht so lange her. Ich hatte ja keine Ahnung! Völlig überzeugt davon, dass ausgerechnet ich meinen Prinzipien treu bleiben würde und nicht wie etliche Mütter vor mir auf diesem Weg scheitern würde...
Das Ding mit dem Daddeln am Handy begann schleichend. Am Anfang redete ich es mir noch schön. „Ach, das ist ja nur die Anton App, da lernen sie ja was.“ War ja sogar Teil der Hausaufgaben. Da kann man ja gar nichts gegen haben, oder?
Ich habe den Suchtfaktor eines Handys unterschätzt. Oder meine eigene Naivität. Oder beides. Oder auch schlicht, wie clever Kinder im Umgang mit dem Smartphone sind. Kinder haben ja per se ein unglaubliches angeborenes Talent in Sachen Smartphone. Meine Jungs zeigten ihrer Oma schon im zarten Alter von 3 Jahren, wie man ein Smartphone entsperrt und Fotos macht, während Oma noch hilflos an der Tastensperre scheiterte. Schon bald zogen auf meinem Smartphone weitere Apps ein. „Die Maus App“: Das ist ja fast wie die Lern-App, ich meine, die Sendung mit der Maus, hallo?!
Was soll ich sagen? Es war die logische Konsequenz, dass weitere Apps folgten. Wimmelbücher, wo die Bildchen lustige Geräusche von sich gaben. Das Kind ist doch so schön beschäftigt auf der Autofahrt, da hat man endlich kein Genörgel mehr.
Ja, so ein Smartphone macht bequem. Als meine Söhne dann dieses und jenes Spiel runterladen wollten, fiel es mir immer schwerer, „nein“ zu sagen. Ach, so ein kleines Spielchen kann ja nicht schaden.
Die Geschichte nahm ihren Lauf. Ich beschloss, wenn ich schon so inkonsequent war, wollte ich wenigstens konsequent in Sachen Nutzungsdauer sein. Eine halbe Stunde am Tag! Maximal!
Tja.
Was soll ich sagen?
Ähm.
Ihr wisst schon, oder? Aus der halben Stunde wurden 45 Minuten. Und dann noch mal 30 Minuten am Nachmittag. Ok, nur noch fünf Minuten. Weil es so verdammt entspannend ist, wenn ich meinen Kaffee einfach mal in Ruhe trinken kann! Oder kochen kann, ohne dass drei Geschwister sich die Köpfe einschlagen. Lass ich sie doch noch mal ein paar Minuten länger, dann kann ich noch mal schnell bei Instagram...
Eben das ist das Problem: Ich bin das schlechteste Vorbild, das man sich vorstellen kann. Meine Ausrede: „Ich nutze das ja alles nur beruflich und muss meine Kinder quasi mit dem Handy ernähren.“ Dass das nur die halbe Wahrheit ist, ist klar, oder? Es ist auch meine Bequemlichkeit, die meine Kinder länger am Handy daddeln lässt als mir lieb ist.
Aber wisst ihr was? Es ist ok. Ich habe meinen Frieden damit geschlossen. Denn erstens weiß ich, dass ich damit nicht alleine dastehe. Zweitens erinnere ich mich daran, wie ich früher am Computer meines Vaters nachmittagelang Tetris zockte. Und es hat mir auch nicht geschadet. Trotzdem war ich draußen und habe immer die echten, reellen Welten den virtuellen Welten vorgezogen. Und wenn ich mir meine Kinder heute so angucke und sehe, dass sie immer noch einen Nachmittag auf dem Spielplatz oder das Toben mit Freunden dem Smartphone vorziehen, ist alles in Ordnung. Sie können noch ohne das Digitale. Das ist am Ende das Wichtigste.
Achja und meinen eigenen Handykonsum habe ich auch etwas eingeschränkt. Gutes Vorbild und so!

Die Autoren

Mario Förster von www.netpapa.de: Mario ist Herausgeber von www.netpapa.de, er begann seinen Blog mit der Geburt seines zweiten Sohnes. Auf der Suche nach Infos für Väter war das Angebot begrenzt: Aus dem anfänglichen kleinen Blog über die Erlebnisse in der Familie ist eine erfolgreiche Väter-Community geworden, die in den letzten acht Jahren viele Papas vereinen konnte. Neben den über 150.000 Lesern auf www.netpapa.de gibt es eine 22.000 Papa-starke Netpapa Facebook-Gruppe. Hier sind die Papas ganz unter sich sind und diskutieren offen ihre Fragen, Probleme und Erlebnisse in der Familie.

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Nathalie Klüver von www.ganznormalemama.com: Zur Autorin: Die Journalistin Nathalie Klüver, besser bekannt als „eine ganz normale Mama“, ist Mutter von 3 Kindern (3, 7 und 9 Jahre alt) und bloggt auf www.ganznormalemama.com über das Alltagschaos mit drei Kindern, Vereinbarkeit und familientaugliche Rezepte. Von ihr sind mehrere Bücher für Eltern erschienen.

www.ganznormalemama.com