Die Kunst, sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren

Datum: Dienstag, 12. Oktober 2021 16:24

„Ich muss nur mal wieder ein Wochenende für mich haben. Mich um nichts kümmern müssen. Nur Dinge tun, die mir gut tun. Dann wird alles anders.“ Sagte eine Freundin, buchte sich ein Wellness-Wochenende und verreiste ohne Kinder. Dass sie ihre Kinder furchtbar vermisste, ist eine andere Geschichte. Vor allem aber geht es darum: Es war danach nicht alles anders. Als sie am Montag wieder vom Kindergarten ins Büro flitzte, war alles wieder wie sonst. Willkommen zurück im täglichen Hamsterrad!

Nun, vielleicht hilft ein längerer Urlaub? Um wieder Zeit für sich zu haben? Dem Mutter-Burnout vorzubeugen? Auszeiten wie ein Wellnesswochenende bringen sie nichts, wenn der Alltag danach so weitergeht wie bisher. Denn dann ist der Erholungseffekt schneller weg als uns lieb ist.

Das Gute an der Sache: Es müssen gar keine langen Auszeiten sein, damit wir das Hamsterrad stoppen und weniger Stress haben. Es geht vielmehr darum, regelmäßige Auszeiten in den Alltag zu integrieren, die durch ihre Regelmäßigkeit zu einem Ritual werden, das hilft, den Alltagsstress besser zu verkraften und so einem Burnout vorzubeugen.

„Kleine Pausen nur für mich selbst? Gleich mehrere am Tag? Dann schaffe ich ja gar nichts mehr!“ Entspann dich mal – das ist leichter gesagt als getan, wenn sich in der Küche das schmutzige Geschirr stapelt, die Wäscheberge über Nacht zum Mount Everest angewachsen sind und für das Kindergarten ein Kuchen gebacken werden muss.

Aber wie lassen sich nun kleine Auszeiten in den Alltag integrieren? Es geht darum, Zeitinseln zu suchen. Und diese bewusst für sich selbst zu nutzen. Ohne schlechtes Gewissen. Zum Beispiel, indem man den Wecker eine Viertelstunde früher stellt. Und die gewonnene Zeit für einen ungestörten Kaffee nutzt. Oder für ein paar Sonnengrüße oder die Tageszeitung. Oder wie wäre es, die Kinder einmal die Woche eine halbe Stunde später aus dem Kindergarten abzuholen und die Zeit für einen Cafébesuch zu nutzen? Die Kinder freuen sich über eine entspanntere Mutter, die nicht so viel meckert!

Ebenfalls den Stresslevel senkt es, wenn man alles bewusst ein wenig langsamer angehen lässt: nicht bei jedem Klingeln sofort ans Telefon geht, bewusst vor dem Abheben ein und ausatmet. Wenn man merkt, dass die Gedanken abschweifen, man langsamer vorankommt, dann ist es Zeit für eine Pause. Am besten hierfür das Fenster öffnen, tief durchatmen, mehrere Atemzüge lang. Das versorgt den Körper mit Sauerstoff und beruhigt den Puls.

Wenn der Stress zu groß wird, dann ist es eine Erst Hilfe Maßnahme, innezuhalten und drei- bis viermal tief in den Bauch ein- und auszuatmen. Diese SOS-Maßnahme hilft in allen stressigen Situationen. Bewusste Atempausen kann man überall im Alltag einbauen.

Um das Gedankenkarussell im Kopf zu stoppen, hilft folgende Übung: Aus dem Fenster schauen und am besten halblaut vor sich aufsagen, was man sieht. Ohne Bewertung, einfach nur wahrnehmen: „Der Baum ist grün. Die Äste bewegen sich im Wind. Dahinter steht eine schwarze Katze. Ein rotes Auto fährt vorbei.“ Je detaillierter desto besser. Wenn man das etwa fünf bis zehn Minuten durchhält, ist das Gedankenkarussell im Kopf unterbrochen – und man stellt fest, dass die Dinge oft anders aussehen als auf den ersten Blick.

An sich selbst zu denken, ist nicht egoistisch! Wir alle brauchen diese Pausen. Erst recht Mütter. Denn wer nie an sich selbst denkt, hat irgendwann keine Kraft mehr, an andere zu denken. So einfach ist das. Wenn wir also uns selbst etwas Gutes tun, dann kommt das auch immer unseren Kindern zugute.

Mehr Tipps zum Thema Burnout-Prävention schreibt die Lübecker Autorin Nathalie Klüver in ihrem Buch „Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein. Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter“ (Trias Verlag, 14,99 Euro), in dem sie auch der Frage nachgeht, wieso auf der heutigen Müttergeneration so viel Druck lastet und wie man sich vom Perfektionsdruck befreit. Nathalie Klüver hat selbst drei Kinder und bloggt auf www.ganznormalemama.com über Vereinbarkeit, Familienpolitik und darüber, wie man sich als Mutter nicht aus den Augen verliert. Im Trias Verlag sind außerdem weitere Elternratgeber erschienen wie „Afterwork Familie“ oder „Das Kind wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“.

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