Lausitz-Mummy: Grüße an Einstein

Datum: Donnerstag, 29. Mai 2025 15:26

Zeit ist relativ. Das hat Albert Einstein wissenschaftlich bewiesen und das merken wir Tag für Tag im Familienalltag. Wenn das Kind sein Zimmer aufräumen, den Geschirrspüler ausräumen oder Hausaufgaben machen soll, dann ziehen sich 30 Minuten zäh wie zu lange gekauter Kaugummi. Wenn aber Kindergeburtstag gefeiert wird, der beste Freund zum Spielen vorbei kommt oder am Bildschirm gezockt werden darf, vergehen selbst zwei Stunden viel zu schnell. Dann fragt das Kind empört: „Was, das waren doch noch keine zwei Stunden?!“ und versucht es dann mit einem Augenaufschlag à la Dackel: „Nur noch ganz kurz, bitte!“ Dieses „ganz kurz“ ist natürlich ebenfalls sehr relativ.

Im Laufe der zurückliegenden Jahre hat sich auch das Zeitgefühl und vor allem das Zeitmanagement von uns Eltern immer wieder gewandelt. Der Heimweg von Krippe, Kita und Hort ist bei uns exakt gleich lang, da alle in einem Gebäudekomplex untergebracht sind. Es sind laut Kartendienst 800 Meter zwischen Kitatür und Haustür. Zu Krippenzeiten haben wir für diesen Weg auch mal eine Stunde gebraucht: Die Kinderbeine waren deutlich kürzer und das Interesse an Schätzen am Wegesrand deutlich größer als heute. Der Zeitraum hat sich über die Jahre deutlich verkürzt. An schnellen Tagen schaffen wir es mittlerweile in gut zehn Minuten nach Hause. Meist lassen wir uns aber vom Lieblingskletterbaum, von der Eisdiele unseres Vertrauens oder vom Bach am Wegesrand aufhalten.

Was mich als Mama aber wirklich herausfordert, ist ein kleines Wort mit nur sechs Buchstaben: „gleich“. Ich höre es zu Hause ständig, am häufigsten auf solche Fragen: Kannst du den Tisch decken? Kannst du den Müll rausbringen? Kannst du die Wäsche aufhängen? Kannst du Oma anrufen und dich für das Geschenk bedanken? Kannst du deine Sachen in den Schrank räumen? Magst du mir beim Backen helfen? Packst du noch den Ranzen für morgen? Die Antwort „gleich“ kann alles heißen: in einer Minute, innerhalb der nächsten Stunde, auf jeden Fall heute noch, irgendwann, nie. Einstein lässt grüßen. Wenn ich dann nochmal nachfrage, kommt meistens ein: „Ich hab doch gesagt, ich mach‘ das gleich.“

Ich habe mir schon erklären lassen, was „gleich“ denn nun genau heißt. Die Antwort ist genauso dehnbar: „Wenn ich hier fertig bin.“ Das wiederum kann heißen, dass das Kind die spannende Stelle im Buch zu Ende lesen will, noch die Barbies anziehen muss oder nur das eine Video bei YouTube schauen will. Das Problem dabei: An die eine spannende Stelle schließt sich meist direkt die nächste an, der Klamottenvorrat der Barbies ist größer als meiner und TikTok & Co. senden Videos in Dauerschleife mit Algorithmen, denen nicht mal Erwachsene widerstehen können.

Meine neueste Idee lautet daher: Wir streichen das Wörtchen „gleich“ für ein paar Tage aus unserem Wortschatz. Das wird eine Familienchallenge, denn der Apfel fällt ja bekanntlich nicht weit vom Stamm und natürlich benutzen wir Eltern auch viel zu oft vage Zeitangaben. Wenn das Kind also das nächste Mal mit mir spielen will, antworte ich nicht „gleich“, sondern: „Ja, ich muss nur diese Kolumne zu Ende schreiben.“

Kolumne von Anett Linke, Redakteurin der lausebande