Diskussionen um Geld wird es in Familien immer wieder geben
Interview mit Dr. Alexandra Langmeyer, Leiterin der Fachgruppe „Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“ beim Deutschen Jugendinstitut München. Sie ist Autorin der Studie „Taschengeld und Gelderziehung. Eine Expertise zum Thema Kinder und ihr Umgang mit Geld mit aktualisierten Empfehlungen zum Taschengeld“.
Warum sollten Kinder Taschengeld bekommen und ab welchem Alter? Kinder brauchen Taschengeld, damit sie eigene Erfahrungen mit Geld sammeln können. Sie können eigene Kaufentscheidungen treffen und lernen Finanzkompetenz. Spätestens ab der Grundschule sollte es regelmäßig Taschengeld geben. Man kann aber auch schon bei 5- oder 6-Jährigen mit einem kleinen Betrag anfangen. Wenn es ältere Geschwister in der Familie gibt, spricht auch nichts dagegen schon einem 4-Jährigen ein paar Cent zu geben – sozusagen für den Familienfrieden. Wirklich Sinn macht Taschengeld aber erst, wenn das Kind ein gewisses Verständnis für Zahlen hat.
Welche Rolle spielen Eltern bei der ökonomischen Bildung? Eltern spiele eine ganz zentrale Rolle. Das fängt schon ganz früh durch Miterleben an, wenn die Kleinen im Einkaufswagen sitzen und sehen, wie die Eltern den Einkauf an der Kasse bezahlen. Da passiert Finanzerziehung noch unbewusst. Wenn die Kinder größer werden, sollten Eltern das Thema Geld ganz bewusst ansprechen. Sie können z.B. erklären, dass es Banken gibt und wie sie funktionieren oder was Anleihen sind. Anderes wird quasi nebenbei über Vorleben vermittelt. Studien zeigen, dass Kinder, die einen laxen Umgang mit Geld erleben, später auch selbst eher sorglos damit umgehen. Sparsamkeit oder Freigiebigkeit vererbt sich sozusagen ein Stück weit.
Was können, was sollten Kitas und Schulen leisten? Gerade in Familien, wo die Eltern Geld und Finanzen wenig thematisieren und den Kindern ein Stück weit ökonomische Bildung fehlt, können Kitas und Schulen eine wichtige Ergänzung sein. Aber bisher gibt es in Deutschland keine systematische Gelderziehung in den Bildungseinrichtungen. Das Thema findet sich nur in den Lehrplänen weniger Bundesländer. Es wäre wünschenswert, wenn Finanzerziehung in alle Lehrpläne aufgenommen wird. Manche Schulen bieten einzelne Projekte an. Wenn das an der Schule der Kinder nicht der Fall ist, können Eltern dem Lehrer durchaus konkrete Projekte vorschlagen. Es gibt eine Fülle an Angeboten und sicher gibt es auch aufgeschlossene Lehrer.
Pädagogen sprechen von zwei Stilen bei der Finanzerziehung durch Eltern – welchen empfehlen Sie? Ein Teil der Eltern erzieht seine Kinder in Geldfragen marktwirtschaftlich-rational. Die Kinder sollen früh Finanzkompetenz erlernen, werden in Kaufentscheidungen einbezogen, die Eltern versuchen ein gutes Vorbild zu sein. Der andere Teil der Eltern handhabt es eher liberal. Die Kinder werden verwöhnt, bekommen mehr als genug Geld und erleben einen eher sorglosen Umgang mit Geld. Welcher Erziehungsstil gelebt wird, hängt auch von Faktoren wie dem Familieneinkommen ab. Nur wenn die Familie genug Geld zur Verfügung hat, kann sie großzügig mit Geld umgehen. Ich würde eher für die marktwirtschaftlich-rationale Erziehung plädieren. Kinder reicher Eltern werden ja später nicht automatisch auch reich und dann ist es wichtig, wenn sie früh gelernt haben mit knappen Ressourcen auszukommen.
Wie sollten Eltern reagieren, wenn sich das Kind nur „Unfug“ kauft? Sie sollten sich nicht in die Kaufentscheidungen ihrer Kinder einmischen oder sie gar kontrollieren. Das Taschengeld ist zur freien Verfügung und Kinder müssen selbst aus Fehlern lernen. Man könnte dem Kind ein Gespräch anbieten und z.B. darauf hinweisen, dass es ein bestimmtes Spielzeug vielleicht nicht noch mal kaufen sollte, weil es beim letzten Mal so schnell kaputt gegangen ist. Im Grunde können die Kinder gar nicht so viel „Falsches“ kaufen, da sie ja nur wenig Geld zur Verfügung haben.
Was halten Sie von Taschengeld als Erziehungsmethode? Da sind sich die Experten einig: Taschengeld ist keine Erziehungsmethode und sollte nicht zur Strafe gestrichen werden. Kinder müssen sich darauf verlassen können, dass sie regelmäßig ihr Taschengeld bekommen, weil sie beispielsweise auf etwas Großes sparen. Zudem sollten Bestrafungen immer im Kontext zum Vergehen stehen. Wenn ein Kind sein Zimmer nicht aufgeräumt hat, hätte Taschengeldentzug ja keinen Bezug dazu.
Was ist mit Geld für Noten und Haushaltshilfe? Beim Thema Geld als Belohnung sind sich die Experten uneinig. Belohnt werden sollte nichts, was normal ist, wie Noten in der Klassenarbeit oder Zimmer aufräumen. Für große Aufgaben im Haushalt oder das gute Zeugnis am Schuljahresende kann man ruhig ein paar Euro extra geben. Aber auch das hängt von der individuellen Situation der Familie ab, ob es beispielsweise Geschwister gibt, die sich in der Schule unterschiedlich gut schlagen.
Wenn das Geld vor Monatsende ausgegeben ist – sollten Eltern einen Nachschlag oder Vorschuss zahlen? Weder noch. Beim Taschengeld geht es ja gerade darum, dass die Kinder lernen, mit einer bestimmten Menge auszukommen und sich diese einzuteilen. Wenn das Geld alle ist, kann ein Kind durchaus bis zur nächsten Auszahlung warten. Anders als Erwachsene muss es von dem Geld ja keine Verpflichtungen begleichen. Aber auch das könnte wieder Anlass für ein Gespräch sein: Bekommt das Kind zu wenig? Dazu kann man in der Taschengeld-Tabelle des DJI schauen. Wo könnte das Kind weniger ausgeben? Älteren Kindern kann man anbieten, sich etwas dazuzuverdienen.
Wie können Eltern reagieren, wenn ihr Kind mehr Taschengeld einfordert, weil der beste Freund mehr bekommt? Man kann erklären, dass nicht alle Kinder gleich viel Geld bekommen und dass in jeder Familie eigene Regeln gelten. Vielleicht muss der Freund ja auch mehr Dinge vom Taschengeld bezahlen. Generell sollten Eltern aber versuchen, sich an der durchschnittlichen Höhe des Taschengeldes im Freundeskreis zu orientieren.
Warum empfehlen Sie für ältere Kinder ein Girokonto? Es ist sinnvoll, weil die Kinder so früh den bargeldlosen Zahlungsverkehr erlernen. Für manche Kinder kann auch eine Prepaid-Kreditkarte in Frage kommen, im Internet kann man oft nur mit Kreditkarte zahlen. In jedem Fall lernen die Kinder im Kleinen, wie bargeldloses Bezahlen funktioniert, können aber auch noch bedenkenlos Fehler machen. Denn Girokonten für Kinder und Jugendliche können nicht überzogen werden.
Wie verbreitet ist Budgetgeld, was spricht dagegen, was dafür?
Das ist noch recht neu und scheint bisher wenig verbreitet. Der Vorteil ist: Die Jugendlichen werden eigenständig, weil sie selbst Kaufentscheidungen für Kleidung oder Schulsachen übernehmen müssen. Dafür erhalten sie monatlich ein bestimmtes Budget. Das sollte man schrittweise einführen, also anfangs z.B. nur für Schulsachen. Wenn das funktioniert, kann es auch aufs Pausenbrot oder die Kleidung ausgedehnt werden. Dadurch lassen sich Diskussionen darüber vermeiden, welche Kleidung gekauft wird. Möchte die Tochter unbedingt den Markenpullover oder der Sohn einen ganz bestimmten Füller, können sie das selbst entscheiden und kaufen, müssen dann aber an anderer Stelle sparen. Die Gefahr beim Budgetgeld besteht darin, dass die Kinder ihr Geld schnell ausgegeben haben. Welche Konsequenzen ziehen die Eltern dann, wenn es nicht mehr für den Wintermantel reicht? So oder so: Diskussionen um Geld wird es in Familien immer wieder geben, das ist auch gut so. Jede Familie muss für sich vereinbaren, welche Werte ihr wichtig sind und darüber miteinander reden.
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