Mutter-Kind-Kur: Wann sie sinnvoll ist und was bei der Beantragung zu beachten ist.
Die Große braucht Hilfe bei den Hausaufgaben, das Baby hat Hunger und schreit, der Geschirrspüler ist auch nicht ausgeräumt und für morgen muss noch die Dienstberatung vorbereitet werden. Solche Situationen sind Alltag für viele Mütter. Was ihnen fehlt: eine Stopptaste. Die Möglichkeit zu sagen: Ich kann nicht mehr, ich brauche eine Auszeit. Genau diesen Ausstieg aus dem Alltag ermöglicht eine Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Kur. Mütter sollten sich glücklich schätzen, dass sie diese Möglichkeit haben, denn: In keinem anderen Land der Erde findet sich ein der Mutter-Kind-Kur vergleichbares Angebot. Das hat auch geschichtliche Gründe.
Historisches
Historisch sind Mutter-Kind-Kuren eng verbunden mit dem Müttergenesungswerk, offiziell Elly- Heuss-Knapp-Stiftung genannt. Ihren Namen verdankt sie der Frau des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Diese Gründertradition setzt sich bis heute fort: Das Müttergenesungswerk (MGW) steht unter der Schirmherrschaft der jeweiligen Bundespräsidenten-Gattin, zur Zeit Elke Büdenbender.
Die Elly-Heuss-Knapp-Stiftung wird 1950 gegründet mit dem Ziel, Kuren für Mütter zu ermöglichen, sich für Müttergenesung einzusetzen und durch die Vernetzung mit den Wohlfahrtsverbänden die Arbeit für Mütter zu stärken. Die Geschichte der Mütterfürsorge reicht allerdings noch weiter zurück. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts sind einzelne, oft kirchliche Wohlfahrtsverbände auf diesem Gebiet aktiv. Richtig Fahrt nimmt das Thema aber erst mit der Gründung der Elly-Heuss-Stiftung auf. Ein erster Erfolg der Stiftung ist, dass im „Kriegshilfenfolgengesetz“ das Wort „Mütter“ aufgenommen wird. Dadurch kommen u.a. Kriegswitwen zu einer Kur. In den kommenden Jahren expandiert das MGW aufgrund der Nachfrage, jährlich werden bis zu 80.000 Mütter zu Kurmaßnahmen in knapp 200 Einrichtungen aufgenommen. Ein erster großer Erfolg auf politischer Ebene ist die Verankerung der „Müttergenesung“ im Bundessozialhilfegesetz. Da die Kurkosten von den Müttern selbst getragen werden müssen, sammelt die Stiftung Spenden. Mit großem Erfolg: Mit den Geldern kann ein großer Teil der Kosten übernommen werden. In den ersten Jahrzehnten sind die Kuren fast immer reine Mütter-Kuren, Kinder reisen nur vereinzelt mit. Da die Nachfrage danach steigt, werden Mutter-Kind-Angebote 1983 offiziell anerkannt. Der größte Durchbruch gelingt 1989: Kuren für Mütter werden im Sozialgesetzbuch als Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Allerdings ist die Kostenübernahme nicht gesetzlich geregelt und variiert von Kasse zu Kasse. Wichtige Verbesserungen treten 2002 mit einer weiteren Änderung des Sozialgesetzbuches ein: Jetzt haben auch Väter Anspruch auf eine Kurmaßnahme. Zudem sind Krankenkassen verpflichtet, die Maßnahmen voll zu finanzieren, die Eltern müssen nur noch den Eigenanteil und das „Taschengeld“ selbst finanzieren. Mit der Gesundheitsreform 2007 werden Vorsorge- und Rehamaßnahmen wie Kuren zu Pflichtleistungen der Krankenkassen. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ ist nicht mehr anwendbar. Die jüngste Neuerung ist auf das Jahr 2012 datiert. Seitdem haben auch pflegende Angehörige Anspruch auf stationäre Kuren.
Gesetzliche Grundlagen
Alle Anträge, Entscheidungen und Widersprüche zu Mutter-/Vater-Kind-Kuren basieren auf den entsprechenden Paragraphen im Sozialgesetzbuch, die zuletzt 2002, 2007 und 2012 angepasst wurden. Demnach sind die Kurmaßnahmen für Eltern stationäre Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen zur Vorsorge bzw. Rehabilitation. Damit würdigt der Gesetzgeber, dass Eltern aufgrund ihrer Aufgaben in Familie, Haushalt und Beruf besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Das Gesetz regelt ausdrücklich, dass bei Mutter-/Vater-Kind-Kuren nicht der Grundsatz „ambulant vor stationär“ anzuwenden ist.
Die beiden wichtigsten Gesetze im Wortlaut:
§ 24 SGB V Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter
(1) Versicherte haben (…) Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden. Satz 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in dafür geeigneten Einrichtungen.
§ 41 SGB V Medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter
(1) Versicherte haben (…) Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden. Satz 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in dafür geeigneten Einrichtungen.
Eine Vorsorgemaßnahme nach Paragraph 24 soll verhindern, dass eine Belastung schlimmer oder chronisch wird. Eine Rehabilitationsmaßnahme nach Paragraph 41 kommt dann in Frage, wenn die Eltern bereits erkrankt sind, in der Regel seit mindestens sechs Monaten.
Seit 2012 haben auch Frauen und Männer, die Angehörige pflegen, Anspruch auf eine solche Kur, geregelt ist dies in § 23 und 40 des SGB V.
Privatversicherte müssen in ihren Unterlagen nachsehen, ob die Kasse die Kurmaßnahmen finanziert, das steht in der Satzung bzw. im Versicherungsvertrag, eventuell muss dafür eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Die Begleitung von nicht behandlungsbedürftigen, minderjährigen Kindern finanzieren private Kassen in der Regel nicht.
Auf dieser gesetzlichen Grundlage wurden im Jahr 2015 etwa 135.000 Mutter-/Vater-Kind-Kuren genehmigt, zu 90 Prozent mit Kindern. Die Zahlen schwankten stark in den vergangenen Jahren: 1996 wurden 166.000 Fälle gezählt, 2001 227.000 und 2005 wiederum nur 119.000.