Zappelsuse & Traumphillip

Datum: Mittwoch, 29. Februar 2012 23:12


Eine ausführliche Betrachtung zum Thema ADHS

Seit Jahren ist das Thema ADHS ein Dauerbrenner in den Medien. Dennoch ist erstaunlich, wie wenig sowohl betroffene als auch nicht betroffene Eltern darüber wissen – und wie viele Vorurteile zu dieser Krankheit trotz
oder gerade wegen dieser Medienpräsenz existieren. Heute sitzt – zumindest statistisch gesehen – in jeder Schulklasse ein Kind mit ADHS. Da diese Kinder auf die Hilfe ihres gesamten Umfelds angewiesen sind, wäre eine sachliche und öffentlich umfangreiche Aufklärung notwendig. Auf den folgenden Seiten wollen wir zu diesem Thema, das wirklich alle engagierten Eltern angeht, einen Beitrag dazu leisten.

Was ist ADHS?
ADHS betrifft – wie in der Definition erläutert – Auffälligkeiten durch Störungen in den drei Verhaltensbereichen Aufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Eine eindeutige Erklärung für die Entstehung dieser Auffälligkeiten gibt es bis heute nicht. Wissenschaftler gehen jedoch von einer überwiegend genetisch bedingten – also vererbten – Fehlentwicklung im Gehirn aus und suchen die Ursachen in Veränderungen der Funktionsweise des Gehirns. ADHS betrifft vor allem die Hirnfunktionsbereiche, die von den Botenstoffen Dopamin und Noradrenalin beeinflusst werden. Es handelt sich in erster Linie um das Stirnhirn mit Zuständigkeiten für die komplexe Steuerung höherer Hirnfunktionen, die sensomotorische Hirnrinde mit Funktionskompetenzen für das Körperempfinden und Körperreaktionsverhalten, das Scheitelhirn mit seinem Netzwerk zur Aufmerksamkeitsorientierung, die tief im Gehirn liegenden Nervenzellansammlungen der Basalganglien mit Zuständigkeiten für kognitive und motorische Verhaltensweisen sowie das Kleinhirn mit weiteren, vielfältigen Aufgaben. Kurzum: ADHS bedeutet für Kinder, dass nicht nur eine bestimmte Hirnregion anders arbeitet als bei gleichaltrigen Kindern, sondern dass sich ein komplexes Netzwerk von Nervenzellen aus verschiedensten Regionen anders organisiert, um den Entwicklungsaufgaben gerecht zu werden. Das Hauptproblem besteht aber in der Hemmung des Stirnhirns. ADHS-Betroffene haben also große Probleme, diesen Teil ihres Gehirns selbstbestimmt zu aktivieren. Ausgerechnet dieser Teil ist aber für die Kontrolle über das Denken und Handeln in unserem Gehirn zuständig – hier wird bewertet, gefiltert, animiert oder gebremst, es werden Ideen gegeben oder Kritik geübt. Hier wird die Arbeit des Gehirns strukturiert. Im Stirnhirn wird zwar nur ein Tausendstel unserer Hirnaktivitäten gleistet, aber es ist genau der Teil, den gesunde Menschen bewusst erleben – und den wir deshalb auch als Bewusstsein bezeichnen. Das Stirnhirn schützt die Arbeit im Gehirn also vor störenden Informationen und kontrolliert die Verarbeitung der Reize. Wenn dieser Bereich gestört ist, kann das immense Auswirkungen haben. Zum einen kann eine Flut an äußeren und inneren Reizen nicht in die richtigen Bahnen gelenkt werden und so ungefiltert auf die jeweiligen Hirnbereiche einstürmen und dort nicht richtig verarbeitet werden – zum anderen können innere Impulse nicht richtig bewertet und kontrolliert werden. Daher fällt es den von ADHS betroffenen Kindern schwer, ihren Bewegungsdrang sowie ihre Gefühle und ihre Aufmerksamkeit zu kontrollieren. Durch die Funktionsstörung im Stirnhirn reagiert das Gehirn auf viele Reize – eigene Gedanken wie auch Störungen von außen – ohne diese ausreichend zu filtern und nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren. Betroffene denken und handeln dann teilweise, ohne die Folgen abzuwägen. Auch den Bewegungsimpulsen, die Teile des Gehirns beständig an die über den Körper verteilte Muskulatur aussenden, setzt das Stirnhirn ADHSBetroffener nur unzureichende Grenzen. Auch wenn die medizinische und psychologische Forschung bis heute nicht weiß, wie genau das Stirnhirn mit anderen Hirnbereichen zusammen arbeitet, hat sie viele Erkenntnisse für die Folgen einer Beeinträchtigung des Stirnhirns geliefert.
ADHS ist dabei nur eine besondere Funktionsstörung unter anderen, sie teilt auch einzelne Aspekte mit unterschiedlichen Störungen wie Zwangsstörungen oder Autismus – ist mit diesen aber nicht verwandt. Erst die Summe der funktionellen Auffälligkeiten, die in ihrer Stärke sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können, ergibt das Gesamtbild der ADHS. Das macht es aus medizinischer Sicht auch so schwierig, die Besonderheiten einzelner Handlungen ADHS-Betroffener diesem Gesamt-Störungsbild zu zuordnen. Allerdings ist es durchaus möglich, dass auch Kinder trotz der komplexen Störung den Umgang mit diesem Leiden lernen, die wichtigen aus den überflüssigen Reizen herausfiltern und entsprechende Auffälligkeiten abbauen können. Auch wenn eine Normalisierung für alle Bereiche des Gehirns in Struktur und Funktion nicht möglich ist, besteht für verschiedene Bereiche jedoch eine gute Entwicklungsdynamik. So können ADHS-Kinder bei entsprechender Behandlung zwischen dem 8. und 14. Lebensjahr deutlich aufholen. Bei der Entstehung von ADHS kommt neben genetischen auch umweltbedingten Faktoren eine zentrale Bedeutung zu. Lange wurde angenommen, dass Nikotin- und Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft sowie chronischer Stress oder auch Schwierigkeiten bei der nachgeburtlichen Versorgung des Säuglings eine große Rolle spielen. Die aktuelle Forschung zeigt hier keinen Zusammenhang mehr. Die Ausprägung der ADHS-Symptome wird wahrscheinlich durch eine reizüberflutende Umgebung in den ersten Lebensjahren verstärkt – die Reizflut kann dabei sowohl durch Medienkonsum als auch durch einen ungünstigen Erziehungsstil verursacht werden. Auch typische Erziehungsfehler (z.B. fehlende Zuwendung, fehlendes Verständnis, Mangel an Strukturen und Regeln) können einen negativen Einfluss auf ADHS-betroffene Kinder ausüben. Einflüsse falscher Ernährung auf ADHS hingegen konnten in Studien nicht belegt werden. Im Ergebnis ist einem oft diskutierten Vorurteil gerade unter nicht betroffenen Eltern klar zu begegnen: ADHS ist eine Fehlsteuerung des Gehirns und nicht die Folge falscher Erziehung. Nicht immer geht eine starke Ausprägung von ADHS bei Kindern mit zusätzlichen Fehlern in der Erziehung durch die Eltern einher. Zudem müssen Eltern von ADHS-Kindern, die sich wirklich mit der Krankheit auseinander setzen und die ihren Kindern helfen, extrem viel Liebe, Kraft und Durchhaltevermögen aufbringen. Für ihre Kinder ist ein verständnisvolles Umfeld wichtig, daher sollten sich auch nicht betroffene Eltern ein Mindestmaß an Kenntnis über ADHS aneignen. Das kann den gemeinsamen Schulalltag erleichtern und die allgemein übliche und größtenteils ungerechtfertigte soziale Ausgrenzung betroffener Kinder (und Familien) vermeiden.

Definition: Bei der Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) handelt es sich um ein situationsübergreifendes Muster an Auffälligkeiten in drei Verhaltensbereichen. Diese sogenannten Kernsymptome der ADHS sind Unaufmerksamkeit (eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, eingeschränkte Daueraufmerksamkeit, erhöhte Ablenkbarkeit), Hyperaktivität (allgemeine motorische Unruhe) und Impulsivität (mangelnde emotionale bzw. kognitive Impulskontrolle). ADS hingegen ist eine Unterart dieses Krankheitsbilds, bei der die Hyperaktivität nicht bzw. nicht erkennbar ausgeprägt ist. Wissenschaft und Medizin haben Klassifikationsschemata zur Diagnose entwickelt, um ADHS von anderen entwicklungs-, alters- oder krankheitsbedingten Auffälligkeiten zu unterscheiden.